veröffentlichende Fachgesellschaft: Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin
Klassifikation gemäß AWMF: S2k
Datum der Veröffentlichung: 17.07.2024
Ablaufdatum: 16.07.2029
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/024-003.html
Transport-Organisation
- wenn Neugeborenen-Transport notwendig, soll so rasch wie möglich mit der entsprechenden Abteilung/Rettungsleitstelle Kontakt aufgenommen werden
- zu klärende und zu dokumentierende Punkte für die Absprache/Ärzt*in-Ärzt*in-Gespräch
- Einstufung des Neugeborenen in Bezug auf die vorliegenden Vitalfunktionen in bestehende/ erwartende Störungen der Vitalfunktion ODER soweit absehbar keine Störungen der Vitalfunktionen)
- Einstufung bezüglich der Dringlichkeit in akut (Abfahrt des Transportteams ist so rasch wie möglich, nach Möglichkeit mit Inkubator und wenn möglich innerhalb von 30 min) ODER nicht dringlich (planbar)
- Verantwortung der Einstufung liegt prinzipiell bei
- behandelnde*r Ärzt*in oder die für das Neugeborene verantwortliche Person, die die bestmögliche, vor Ort erreichbare, fachliche Kompetenz vorweist (z.B. Hebamme)
- wenn kein/*e Ärzt*in oder Fachpersonal vor Ort (z.B.: Hausgeburt ohne Beisein von Fachpersonal), nach bestmöglicher Einschätzung der Situation über die Dringlichkeit des Transportes:
- Fachärzt*in/Kinderärzt*in mit Schwerpunkt Neonatologie derjenigen Abteilung, an die das Neugeborene transferiert wird
- Ärzt*in mit Erfahrungen in Neonatologie, der/die bereits Erfahrung im selbstständigen Neugeborenen-Transport vorweisen kann und wenn ihm/ihr diese Befugnis bereits von einem einer Fachärzt*in/Kinderärzt*in mit Schwerpunkt Neonatologie übertragen wurde
- ärztlicher Dienst der aufnehmenden Abteilung ist für die Abschätzung der Dringlichkeit der Verlegung verantwortlich, unabhängig von der Ersteinschätzung der verlegenden Abteilung (Herabsenkung der Dringlichkeit sollte nicht einseitig erfolgen)
Erfahrungen in Neonatologie zur Durchführung eines Neugeborenentransportes
- Ärzt*innen mit Erfahrungen in der Neonatologie, welche keine Fachärzt*innen oder Kinderärzt*innen mit Zusatzfach Neonatologie sind, kann Befugnis zur Einstufung und Durchführung eines Neugeborenentransportes von Fachärzt*innen/Kinderärzt*innen mit Zusatzfach Neonatologie übertragen werden
- Erfahrungen in der Neonatologie für selbstständige Einstufung und Durchführung von Neugeborenentransporten bestehen aus:
- min. 2-monatige Tätigkeit auf Neugeborenen-ITS mit Erwerb spez. Kenntnisse/Fähigkeiten zur qualifizierten Erstversorgung von Risikoneugeborenen sowie Transportbegleitung
- Nachweis bzw. Bestätigung der Teilnahme an spez. neonatologischen Fortbildungsveranst.
- aus dem Nachweis/Bestätigung absolvierte Neugeborenentransporte unter Anleitung
- Ärzt*innen mit Neonatologie-Erfahrung sollten nach Erlangen der Mindestanforderungen in regelmäßigen Abständen an einer Abteilung für Neonatologie, die Neugeborenentransporte durchführt, tätig sein
Transport-Verantwortung
- Transport-Verantwortung (inkl. Entscheidung über Zusammensetzung des Teams, Art des Transportes) soll bei Fachärzt*innen/Kinderärzt*innen mit Schwerpunkt Neonatologie oder bei Ärzt*innen mit Erfahrungen in der Neonatologie liegen, wenn diese die Befugnis von Fachärzt*innen/Kinderärzt*innen mit Schwerpunkt Neonatologie übertragen bekommen haben
Transportteam
- bei bestehenden oder zu erwartenden Störungen der Vitalfunktionen des Neugeborenen
- Fachärzt*innen/Kinderärzt*innen mit Schwerpunkt Neonatologie oder bei Ärzt*innen mit Erfahrungen in der Neonatologie UND
- Pflegekraft oder medizinisches Assistenzpersonal mit Erfahrung in neonatologischer Intensivpflege
- keine zu erwartende absehbaren Störungen der Vitalfunktionen des Neugeborenen
- Pflegekraft oder medizinisches Assistenzpersonal mit Erfahrung in neonatologischer Intensivpflege
- unter besonderen Bedingungen kann Neugeborenentransport unter Begleitung von Rettungsdienstfachkräften erfolgen (z.B. Transport bei sozialer Indikation, Verlegung gesunder Neugeborener mit Mutter in anderes Zentrum bei mütterlicher Indikation, Rückverlegung eines stabilen Neugeborenen in heimatnahes Krankenhaus)
Transportart
- Entscheidung zw. boden- & luftgestütztem Transport sollte individuell im Hinblick Dringlichkeit, Transportdistanz und verfügbare Transportmittel gefällt werden
Monitoring des Neugeborenen während Transport
- Pulsoximetrie (kontinuierliches Monitoring)
- Temperaturmessung soll bei jedem Neugeborenen möglich sein (bei Inkubatortransport Messung der Inkubatortemperatur)
- dauerhaftes EKG & invasive und/oder nichtinvasive Blutdruck (zusätzlich zur bei bestehenden oder zu erwartenden Störungen der Vitalfunktionen)
Ausstattung zusätzlich zum Monitoring
- Beatmungsbeutel & Maske (für Neu- und Frühgeborene, variabel einstellbare O2-Konz.)
- Inkubator (keine Empfehlung bzgl. Matratze; Lärmschutz beachten; wenn kein Risiko für absehbare Störung der Vitalfunktion und Auskühlung, ggf. Transport in geeignetem Kindersitz; alle Transportsysteme müssen sicher fixiert werden können)
- Absaugsystem (mit regelbarer Saugleistung)
- O2 & Druckluft (Mischgerät mit dem FiO2 zw. 0,21 – 1,0 regelbar ist)
- Beatmung (für Neugeborener geeignetes Beatmungsgerät mit CPAP und mech. Beatmung)
- Atemgaskonditionierung bei Beatmung (Befeuchtung und Wärmung des verabreichten Atemgases bei langer Transportdauer >30 min)
- iNO (laufende Therapie soll während Transport fortgeführt werden können)
- HFO (laufende Therapie soll während Transport fortgeführt werden können)
- Perfusoren (nach Bedarf in ausreichender Anzahl und Eignung)
- Stromversorgung (als Redundanz für Betrieb von Inkubatorheizung, Beatmungsgerät, Monitore & Perfusoren)
- BZ-Messgerät (bei bestehenden/zu erwartenden Störungen der Vitalfunktionen oder entsprechenden Risikofaktoren)
- Notfallrucksack/-koffer (speziell für die Neonatologie ausgerüstet)
Stabilisierung vor Transport
- Stabilisierung der Vitalfunktionen und Versorgung des Neugeborenen vor Transport anstreben (CAVE: während Transport erschwerter Zugang)
- Umfang der zu treffenden Maßnahmen vor Transport liegt in der Verantwortung des den Transport durchführenden Personals, mit Unterstützung der verlegenden Einrichtung
- Versuch, die Stabilisierung durch Optimierung der Abläufe und von organisatorischen Prozessen kurzzuhalten, um Transport nicht unnötig zu verzögern
- ggf. NIV bei respiratorischer Instabilität (CAVE: durch Vorbereitung der Intubation und Kenntnis des Transportweges eine Intubation und invasive Beatmung durch Zwischenstopps sowohl bei Boden- als auch bei Lufttransporten jederzeit möglich sein)
- Verwendung einer Larynxmaske für Transport sollte Ausnahmefällen vorbehalten sein
familienzentrierte Versorgung
- vor Transport, wenn der Zustand des Kindes es zulässt, folgendes Vorgehen anstreben
- Vorstellung des Transportteams bei den Eltern
- Information über Transportindikation, -art, -zeit, -ziel, -risiken
- Aufklärung über weiterführende Therapien
- Einschätzung der aktuellen Situation
- Austausch von Kontaktdaten (z.B. Telefonnummer) mit den Eltern
- Fragen beantworten
- Fotografieren ermöglichen
- Kontakt mit Neugeborenem ermöglichen
- persönliche Gegenstände mitnehmen
- während des Transportes, falls Elternteil/Angehörige*r mitgenommen werden kann
- Situation und Vorgehen erklären
- Fragen beantworten
- nach dem Transport
- Information an die Eltern
- Übernahme der Mutter in Zielklinik organisieren, falls möglich
Identifikation und Dokumentation
- Verantwortung der Dokumentation liegt bei transportierenden Ärzt*innen
- Identifikation – Patient*in sollte zu Beginn des Einsatzes bzw. spätestens bei Transportbeginn eindeutig identifiziert werden (z.B. Namensbändchen)
- Dokumentation – Dokumentation soll unmittelbar Einsatzende vorliegen und min. Folgendes enthalten:
- Identifikationsdaten
- Übernahme von (Person anführen)
- Team namentlich
- Transportart
- Zeitpunkte der Alarmierung, der Abfahrtszeit vom Transportteam zum Neugeborenen, der Ankunftszeit beim Neugeborenen, der Abfahrtszeit nach Übernahme vom Neugeborenen & Ankunftszeit des Neugeborenen in der Zielklinik
- Maßnahmen vor Übernahme/Transportbeginn
- Zustand bei Transportbeginn
- Monitoringdaten, Vorfälle, Maßnahmen während des Transportes
- Zustand bei Transportende
- Übergabe an (Person anführen)
Sondertransporte
- Hypothermiebehandlung bei hypoxisch ischämischer Enzephaolpathie bereits vor dem Transport oder während des Transportes erwägen (Möglichkeit passives/aktives Kühlen)
- Komplikationen wie Unterkühlung sowie Bradykardien oder mangelhafte Kühlung bzw. Hyperthermie unbedingt vermeiden
- servo-kontrollierter aktiver Kühlung im Vergleich zu passiver Kühlung empfohlen
- kontinuierliche (rektale oder ösophageale) Temperaturmessung
- Transporte von Neugeborenen mit speziellen Interventionen/Untersuchungen wie z.B. ECMO vorher mit jeweiligem spezialisierten Zentrum koordinieren und absprechen
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