Der International Paramedics Day
Seit 2022 findet jährlich am 08. Juli der International Paramedics Day (IPD) statt. Die Auswahl des 08.07. als International Paramedics Day fand nicht ohne Grund statt, denn der 08. Juli ist auch der Geburtstag von Dominique-Jean Larrey, welcher auch als “Vater des modernen Rettungsdienstes” oder “Vater der Triage” gilt.
Ins Leben gerufen wurde der IPD vom College of Paramedics, welches auch die vier Ziele des International Paramedics Day definierte:
- Notfall-/Rettungssanitäter*innen und Ersthelfende auf der ganzen Welt und die wichtige Rolle, die sie spielen, zu würdigen
- Anerkennung der Bedeutung, die Sanitäter*innen für das Leben der Menschen in fast jeder erdenklichen Situation haben
- Sensibilisierung für alle Bereiche, in denen Notfall-/Rettungssanitäter*innen tätig sind (inkl. Primär- & Sekundärversorgung, Arztpraxen, Militär, Offshore, Lufrettung, Bildung, Forschung und Telefontriage-Systeme)
- Werbung für den Beruf bei angehenden Sanitäter*innen und Studenten
Der diesjährige Motto des International Paramedics Day ist „Der Unterschied, den wir machen“ und so soll der Blick auf die elementar wichtige und tiefgreifende Arbeit bzw. Wirkung der Sanitäter*innen weltweit gerichtet werden.
Wer war Dominique-Jean Larrey?
Dominique-Jean Larrey war leitender Chirurg der französischen Armee in der Napoleon Bonapartes und Leibarzt Napoleons I.. Während seiner Zeit als Feldarzt in den Feldzügen verfasste er Memoiren, welche bis ins 20. Jahrhundert als Standardwerk der modernen Kriegschirurgie galten. Aus diesem gilt er auch noch heute als Vater der modernen Kriegschirurgie und auch als Vater der urologischen Traumatologie, welche eines seiner Spezialgebiete darstellte.
Um kurz aufzuzeigen welchen Stellenwert die Errungenschaften Larreys haben sei schon initial auf das nachfolgende Zitat von Napoleon verwiesen:
„Dem Oberwundarzt Larrey, welcher der redlichste und tugendhaftigste Mann ist vermache ich 100000 Francs. […] Wenn die Armee je der Dankbarkeit ein Denkmal setzen will, so muss sie es Larrey weihen“
Napoleon Bonaparte in seinem am 15.04.1921 verfassten Testament
Das Leben von Dominique-Jean Larrey
Larrey, die Triage und die Kriegsmedizin
Wie schon erwähnt begann Larrey 1793 mit der Etablierung der „Ambulances Volantes“, also der sogenannten fliegenden Lazarette (initiale Versorgung plus leichte Karren und Kutschen zum Abtransport nicht gehfähiger Patienten kurz nach dem Verletzungszeitpunkt noch während laufender Kämpfe; siehe nachfolgende Grafik). Mit den „Ambulances Volantes“ konnten die Soldaten wie gesagt erstversorgt werden. Von diesem Ansatz hatten nicht nur die französischen Soldaten einen Nutzen, sondern auch gegnerische Truppenteile. Mit den fliegenden Lazaretten konnte Larrey wahrscheinlich mehreren 10.000 Soldaten auf beiden Seiten das Leben retten.
Neben den „Ambulances Volantes“ prägte Larrey auch den Bereich der Triage (abgeleitet vom franz. „trier“ für Sortierungs-/Einteilungsprozess), also der Einstufung Verletzter in unterschiedliche Gruppen bzgl. der Behandlungspriorität noch vor dem Abtransport. Larrey bemerkte, dass die Kombination aus einer raschen Erstversorgung abhängig von der Verletzungsschwere sowie der rasche Abtransport von entscheidender Bedeutung für das Überleben der Soldaten war, da die hohe Mortalität für ihn in einem direkten Zusammenhang mit dem langen Zeitraum bis zur Versorgung stand, und legte deshalb einheitliche Regeln für die Militärärzte fest wie die Betroffenen zu triagieren sind (z.B. Leichtverletzte mussten länger warten und groß Aufmerksamkeit kommt erst den Schwerverwundeten zu, unabhängig von Rang und Namen, aber abhängig von der medzinischen Prognose; Ziel einer med. Erstversorgung innerhalb von 15 Minuten). Ergebnis des von Larrey geprägten med. Militärarztsystem unter Napoleon war z.B. ein Rückgang der Amputationsquote von über 50 % auf weniger als 10 %.
Neben der allgemeinen Kriegschirurgie war v.a. die Uro-Traumatologie eines der Spezialgebiete von Dominique-Jean Larrey (z.B. Behandlung von Schuss- oder Stichverletzungen der Blase). In diesem Bereich unterschied er die Verletzungen schon früh hinsichtlich der Anatomie explizit in die intra- und extraperitoneale Verletzung der Blase mit und ohne Beteiligung des Darmes. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen entwickelte er klare Behandlungslogarithmen, abhängig von der Verletzungsschwere (initiales konservatives Vorgehen mit Wundsäuberung, Ruhe und körperlicher Stärkung; Blasenkatheterisierung bei stärkeren Blutungen; Wundensondierung bei intraperitonealen Verletzungen oder einer Mitbeteiligung des Darmes, ggf. mit großer offener Laparotomie).
Weitere Errungenschaften, die durch Dominique-Jean Larrey mitgeprägt wurden oder auf seinen Ideen basierten, sind z.B.
- einheitliche Ausbildungsrichtlinien für Ärzte und medizinisches Hilfspersonal
- Hygienerichtlinien für Ärzte und medizinisches Hilfspersonal (u.a. Standards für Sauberkeit sowie trockene und warme Verhältnisse innerhalb von 24 h pro jeden Verletzten sowie OPs innerhalb weniger Stunden zur Verhinderung von Wundbrand)
- Gründung des Roten Kreuzes durch Henri Dunant nach der Schlacht von Solferino (1859)
- urologische Behandlungsansätze z.B. bei Geschlechtserkrankungen mit sekundären Urethra-Komplikationen oder Hoden-Karzinom
- Larrey war einer der ersten Ärzte, der die lokalanästhetische Wirkung von Kälte beobachtete. Nach der bei grimmiger Kälte ausgefochtenen Schlacht von Preußisch Eylau am 7. und 8. Februar 1807 nahm er (bei minus 19° Kälte[16]) Amputationen vor, ohne dass einige der Verletzten Schmerzenslaute von sich gaben.
- Zudem nähte er weder Schusswunden noch Amputationswunden, sondern erweiterte und behandelte diese offen. Er schilderte eindrucksvoll, wie nach der Schlacht von Smolensk am 17. August 1812 zwei französische Offiziere eines polnischen Korps unter dem Fürsten Józef Antoni Poniatowski, die, von polnischen Ärzten mit Amputation behandelt, infolge der Naht ihrer Wunden an Gasphlegmone starben.
- Nach Larrey wurde die „Larrey-Hernie“ (Krankheit) benannt. Des Weiteren hat er die Bezeichnung Schock für die Symptome, die ein hoher Blutverlust mit sich führt, zum ersten Mal verwendet. Er hatte beobachtet, dass Soldaten, die einen Schlag (französisch choc) in den Bauch bekommen hatten, ganz ohne äußere Verletzungen blass und kaltschweißig wurden und schließlich starben. Er fand heraus, dass sie an inneren Blutungen gestorben waren, und stellte damit den Zusammenhang her, dass Soldaten mit großen äußeren Verletzungen nicht an den Verletzungen selbst, sondern am damit verbundenen Blutverlust starben. Er nannte das symptome de choque, Schocksymptomatik, wie man noch heute sagt.
In engem zeitlichem Zusammenhang kopierten die preußischen Truppen unter Generalarzt Johann Goercke das System Larreys, aber auch Jahrzehnte später wurden die Konzepte Larrey nocht kopiert, so z.B. von den US-Amerikanern mit ihrem Mobile Army Surgical Hospital (M.A.S.H).
Quellen
- Deutsche Gesellschaft für Rettungswissenschaften e.V. „International Paramedics Day – Deutsche Gesellschaft Für Rettungswissenschaften e.V.“ Zugegriffen 23. Juni 2024. https://www.dgre.org/partner/international-paramedics-day/.
- Dittrich, Monika. „Vor 180 Jahren gestorben – Dominique Jean Larrey – Begründer der hochmobilen medizinischen Versorgung“. Deutschlandfunk, 25. Juli 2022. https://www.deutschlandfunk.de/dominique-jean-larrey-102.html.
- „Dominique Jean Larrey“. In Wikipedia, 15. Juni 2024. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Dominique_Jean_Larrey&oldid=245932242.
- Hatzinger, M., C. Ameijenda, V. Lent, und M. Sohn. „Baron Dominique-Jean Larrey: Der Begründer der urologischen Traumatologie“. Aktuelle Urologie 43, Nr. 06 (19. Dezember 2012): 389–91. https://doi.org/10.1055/s-0032-1332783.
- International Paramedics Day. „Dominique-Jean Larrey Biography“, 24. Januar 2022. https://www.internationalparamedicsday.com/dominique-jean-larrey-biography.
- International Paramedics Day. „Startseite International Paramedics Day“. Zugegriffen 23. Juni 2024. https://www.internationalparamedicsday.com.
- Kaschwich, Mark, und Andreas Seekamp. „Triage in der Notaufnahme“. Notfallmedizin up2date 6, Nr. 03 (September 2011): 189–202. https://doi.org/10.1055/s-0031-1280045.
- Scholz, Jens, Peter Sefrin, Bernd W. Böttiger, Volker Dörges, und Volker Wenzel, Hrsg. Notfallmedizin. 3. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme Verlag, 2013. https://doi.org/10.1055/b-001-2161.
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