veröffentlichende Fachgesellschaft: New Zealand’s National Children’s Hospital (Starship)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 12.02.2025
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://starship.org.nz/guidelines/limb-threatening-injuries
initiales Management
- Vorgehen gemäß ABCDE-Schema im Sinne des Primary Survey
- c – critical Bleeding: kritische äußere Blutungen stoppen/kontrollieren
- A – Airway: Atemwegssicherung & HWS-Immobilisation
- B – Breathing: Sauerstoffzufuhr & Ventilation aufrechterhalten
- C – Circulation: Detektion & Stoppen von Blutungen sowie Wiederherstellung bzw. Aufrechterhalten der Perfusion/des Kreislauf
- D – Disability: Erkennen neurologischer Störungen & Verhinderung sekundärer neurologischer Schäden
- E – Exposure: Erkennen anderer Verletzungen, Vermeidung von Hypothermie, Aufrechterhalten der Euglykämie
- Vorgehen im Sinne des Secondary Survey
- Inspektion: Suche nach Hämatomen, Deformierungen, Schwellungen und Wunden
- Palpation: Beurteilung von Temperatur, Puls, Rekap, Sensibilität sowie Abtasten bzgl. Krepitation
- Bewegung: aktives Bewegen, sofern Kind compliant bzw. passives Bewegen, wenn keine offensichtliche Fraktur/Luxation der Extremitäten vorliegt
spezifische Therapie
Kontrolle von (kritischen) Blutungen
- kritische Blutungen vorrangig therapien
- direkte manuelle Kompression von Wunden –> falls Kompression nicht ausreichend, Anlage von Tourniquet (2 cm proximal der Wunde, ggf. zweites Tourniquet weiter proximal bei bei anhaltender Blutung; Zeitpunkt der Anwendung notieren)
- ggf. Woundpacking oder Tamponieren (z.B. mit Foley-Katheter) zur Kontrolle starker Blutungen
Amputation
- Blutung stillen mit direkter Kompression mittels in NaCl 0,9 % getränkter Kompresse
- Stumpf hochlagern und mit trockenem Verband abdecken
- wenn Blutung nicht stillbar, manuelle Kompression auf entsprechende zuführende Arterien
- Amputatversorgung
- Amputat mit NaCl 0,9 % spülen –> Amputat in NaCl 0,9 % getränkten Verband wickeln –> Amputat in wasserdichten Plastikbeutel legen –> Amputatbeutel in Beutel mit Eis packen –> Beschriftung des Beutels mit Patient*innendaten (CAVE: kein direkter Kontakt des Amputat mit Eis)
- keine Débridement
- Antibiotika-Gabe und Tetanus-Auffrischung
Gefäßverletzungen
- Suche nach Red Flags & Amber Flags für Gefäßverletzungen
| Red Flags | Amber Flags |
|---|---|
| – äußere pulsatile Blutung – großes exapandierendes pulsatiles Hämatom – tastbarer Kribbel oder hörbarer Bruit – fehlende distale Pulse – Anzeichen einer distalen Ischämie (Schmerzen, Blässe, Lähmung, Parästhesie, Poikilothermie/Kälteerschöpfung) | – anamnestisch bekannte arterielle Blutung am Unfallort, aber keine anhaltende Blutung – kleines, sich nicht ausdehnendes, nicht pulsierendes Hämatom – Schock ohne andere offensichtliche Verletzungen – verminderter distaler Puls – Verletzung anatomisch verbundener Nerven – Nähe der Wunde zum Gefäß – Knöchel-Brachial-Index (ABI) < 0,9 |
- neurovaskuläre Befunde (z.B. pDMS) vor und nach jeder Maßnahmen dokumentieren
- sofortige Reposition bei Ischämie
- bei Amber Flags CT-Angiogramm zur Detektion von Gefäßverletzungen
- bei normalen neurovaskulären Befund und Knöchel-Arm-Index (engl. ankle-brachial-index, kurz ABI) > 0,9 ist eine arterielle Gefäßverletzung äußerst unwahrscheinlich
Crush Injury
- systemische Manifestation einer Muskelzellschädigung, die durch anhaltenden Druck oder Quetschung entsteht
- Schweregrad hängt vom Ausmaß und Dauer (i.d.R. > 1 Stunde) der Quetschung und der Masse des betroffenen Muskels ab
- durch Quetschung kommt es zur Freisetzung bzw. Überflutung des Kreislaufs mit…
- … Laktat, Kalium und vasoaktiven freien Sauerstoffradikalen –> Herzrhythmusstörungen und hypovolämischer Schock
- … von Myoglobin –> akute Nierenschädigung
- Therapie
- venöse BGA, Blutwerte sowie Myoglobin im Urin prüfen
- pVK-Anlage & Flüssigkeitstherapie mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der Urinausscheidung von 2 – 3 mL/kg/h
- Hyperkaliämie gemäß der lokaler Standards behandeln
- betroffene Extremität hochlagern
- Röntgen der betroffenen Gliedmaße zum Frakturausschluss –> bestätigte Frakturen sofort reponieren, um das Risiko der Entwicklung eines Kompartmentsyndroms zu verringern
- Überwachung bzgl. der Entwicklung eines Kompartment-Syndroms
Kompartment-Syndrom
- tritt auf, wenn Verletzungen zum Anstieg des interstitiellen Drucks innerhalb eines geschlossenen (oder nur teilweise geöffneten) osseofaszialen Kompartiments führen –> Beeinträchtigung der Gewebedurchblutung
- Ursachen
- Frakturen (z.B. Tibiaschaftfrakturen)
- Quetschungen
- penetrierende Traumata
- akutes stumpfes Trauma mit ausgeprägtem Hämatom
- länger anhaltende Immobilität mit verändertem Bewusstsein
- Verbrennungen
- leichte Verletzungen bei Patient*innen mit Blutungsneigung oder Einnahme von Antikoagulantien
- Symptomatik (5 „P’s“
- P – Pain: stärkste Schmerzen (in keinem Verhältnis zur offensichtlichen Verletzung; nicht mit Standard-Analgesie kontrollierbar; mit passiver Dehnung der Muskeln im Kompartment)
- P – Parästhesien (als Spätzeichen)
- P – Pallor: Blässe (als Spätzeichen)
- P – Pulslosigkeit/verminderte Pulse (als Spätzeichen; distale Pulse verschwinden erst, wenn bereits irreversible Muskelschäden eingetreten sind)
- P – Poikilothermie/Kälteerschöpfung (als Spätzeichen)
- P – Paralysis: Lähmungen (als Spätzeichen)
- Therapie
- venöse BGA, Blutwerte sowie Myoglobin im Urin prüfen
- bei bestätigter Fraktur sofort reponieren
- betroffene Extremität hochlagern
- einschnürende Verband lösen
- Analgesie
- Fasziotomie stellt Ultima ratio dar
offene Frakturen
- CAVE: hohes Infektionsrisiko
- Blutungskontrolle
- regelmäßige pDMS-Bewertung
- Wunde mit NaCl 0,9% spülen, um grobe Verschmutzungen zu entfernen
- Schienung der betroffenen Extremität
- Fotos von Verletzungen vor Verbinden/Schienung der Verletzung machen
- mit NaCl 0,9% getränkten Verband auf die Wunde legen
- Antibiotika-Gabe und Tetanus-Auffrischung
Décollement (Abschürfungen/Ablederungen)
- Trennung der Haut vom Unterhautfettgewebe und/oder den Muskelfaszien durch äußere Gewalteinwirkung mit Freilegung der darunter liegenden Strukturen
- auch geschlossenes Décollement möglich, also bei noch intakter darüber liegende Haut (v.a. Symptome wie Schwellungen und Druckempfindlichkeit auf, oft auch kleine Blutergüsse)
- Therapie
- Röntgenaufnahme der betroffenen Gliedmaße
- Wunden mit NaCl 0,9% spülen und mit NaCl 0,9% getränkter Kompresse abdecken
- abgelöste Haut mit NaCl 0,9% spülen und in mit NaCl 0,9% getränkte Mullbinde wickeln
- Antibiotika-Gabe und Tetanus-Auffrischung
Verstümmelungen
- ausreichend schwere Verletzung mit einer Kombination von Gefäß-, Knochen-, Weichteil- und/oder Nervenschäden, die die Lebensfähigkeit der Gliedmaße gefährdet
- Therapie
- Röntgenaufnahme der betroffenen Gliedmaße zum Frakturausschluss
- Blutwerte sowie Myoglobin im Urin prüfen
- Analgesie
- Antibiotika-Gabe und Tetanus-Auffrischung


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