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Leitlinie „Evaluation and clinical management of Nephrolithiasis“ der SBN

veröffentlichende Fachgesellschaft: Brazilian Society of Nephrology (SBN)
Klassifikation gemäß AWMF: S3
Datum der Veröffentlichung: 10.03.2025
Ablaufdatum: 30.06.2029
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.1590/2175-8239-JBN-2024-0189en

Grundsätzliches

  • eine der häufigsten klinischen Erkrankungen, die sich durch das Auftreten fester kristalliner Strukturen im Harnsystem zeigt
  • Prävalenz von Nierensteinen nimmt weltweit geschlechtsunabhängig zu, v.a. in den letzten Jahren
  • ca. 10 – 15 % der Bevölkerung haben Nierensteine, wobei Männer häufiger betroffen sind als Frauen (Verhältnis: 2–3:1)
  • höchste Inzidenz zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr
  • unbehandelt beträgt die Rückfallrate innerhalb von 10 Jahren bis zu 50 %
  • Prävalenz von 11 % und 12-Monats-Inzidenz von 2,1 %
  • Nephrolithiasis ist mit anderen systemischen Erkrankungen vergesellschaftet, v.a. mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus und Adipositias
  • Nephrolithiasis kann auch in eine chronische Nierenerkrankung übergehen, v.a. bei Frauen und übergewichtigen Patient*innen

Anamnese & Symptomatik akute Nephrolithiasis

  • Nephrolithiasis kann völlig asymptomatisch verlaufen und zufällig durch bildgebende Verfahren diagnostiziert werden oder sie zeigt sich lediglich durch unspezifische Flankenschmerzen
  • klassisches Krankheitsbild zeigt jedoch durch akute Harnleiterkolik, die meist mit plötzlichen, starken & einseitigen Schmerzen beginnt
  • Schmerzen nehmen in ihrer Intensität zu & ab und entwickeln sich in Wellen oder Paroxysmen, die typischerweise 20 – 60 min andauern
  • Stärke der Schmerzen hängt eher von der Geschwindigkeit ab, mit der sich die Obstruktion entwickelt, als von ihrer Intensität
  • Schmerzen treten häufig in der Lendengegend, der Flanke oder der Nierenbecken auf
  • Schmerzen lassen weder bei Ruhe oder durch Lagewechsel aus und können in die Harnleiter, die Blasengegend und die äußeren Genitalien ausstrahlen
  • erhöhte Peristaltik und erhöhter Druck proximal des Steins führen zur Schmerzverstärkung
  • weitere Symptome können Dysurie und Makrohämaturie sowie gastrointestinale Symptome können wie Übelkeit (44 %), Erbrechen (51 %), Appetitlosigkeit (54 %), Verstopfung oder Durchfall (10 %) sein
  • zusätzlich mikro- oder makroskopische, nicht-glomeruläre (isomorphe) Hämaturie (CAVE: bei 10 – 30 % kein Hämaturienachweis
  • Kombination aus Kreuzschmerzen, Fieber, Schüttelfrost und Sepsis kann bei kalkhaltiger obstruktiver Pyelonephritis auftreten (CAVE: Erkrankung mit hoher Morbidität & Mortalität)
  • Tachykardie, Blässe, Schwitzen & Druckdolenz im Bereich des Kostovertebralwinkels (Giordano-Zeichen mit Sensitivität von 15 %, Spezifität von 99 % und Likelihood-Ratio von +30)
  • auch leichter Meteorismus beobachtbar, jedoch ohne Anzeichen einer Peritonealreizung
  • Kombination aus kürzlich aufgetretenen Bauchschmerzen (bis zu 12 h), Druck-/Klopfschmerz im unteren Rücken oder der Harnleiterregion und Hämaturie weist auf eine akute Nierenkolik hin
  • STONE-Score hilft bei der Identifizierung von Patient*innen mit einer unkomplizierten Nephrolithiasis
  • detaillierte Anamnese und gründliche körperliche Untersuchung von größter Bedeutung

Diagnostik

  • bei Patient*innen mit Fieber, Einzelniere und bei unsicherer Diagnose ist sofortige bildgebende Untersuchung indiziert (CAVE: Analgesie und andere Notfallmaßnahmen nicht wegen Diagnostik aufschieben)
  • CT als Goldstandard (Sensitivität von 93,1 %)
  • Abdomen-Röntgen (ca. 90 % der Nierensteine ​​haben röntgendichte Dichte) nur begrenzt sensitiv für Detektion von Harnleitersteinen (Sensitivität < 50 %)
  • Sonographie kann alle Arten von Nierensteinen unabhängig von der Röntgendichte detektieren und zusätzlich das Vorhandensein & Grad einer möglichen Hydronephrose beurteilen (Ultraschall hat Sensitivität von 45 % und Spezifität von 94 %)
  • Blutbild i.d.R. unverändert oder zeigt in der akuten Phase leichte Leukozytose ohne signifikante Linksverschiebung (bei älteren Patient*innen mit deutlichem CRP-Anstieg assoziierte Infektion erwägen –> ggf. Antibiotika-Gabe)
Quelle: https://www.scielo.br/j/jbn/a/JCpb8h7v3FrNXFHbKBTjmbs/?lang=en

Therapie

  • wichtigste Medikamentenklassen zur Schmerzlinderung bei Nierenkoliken sind nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und Opioide
  • NSAR sind bei der Therapie von Nierenkoliken wirksam und Opioiden überlegen (CAVE: Einsatz von Opioiden minimieren; nach 30 min waren NSAR im Vergleich zu Morphin 50 % wirksamer, ohne das Auftreten von Nebenwirkungen)
  • CAVE: NSAR bei Nierenversagen, schweren Magengeschwüren und Schwangerschaft absolut oder relativ kontraindiziert –> dann Opioid-Gabe
  • Nephrolithiasis kann sich auch als spontaner, schmerzloser Abgang von Steinen oder als wiederkehrende Harnwegsinfekte äußern (bei 80 % der Steine, die kleiner als 5 mm sind, kommt es zum spontanen Abgang; bei Steinen, die größer als 7 mm sind, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer: etwa 25 % im proximalen Harnleiter, 45 % im mittleren Harnleiter und 70 % im distalen Harnleiter)
  • Gabe von Alpha-1-Rezeptorblocker (z.B. Tamsulosin), um den spontanen Abgang von Harnleitersteinen zu erleichtern, v.a. bei Steinen im distalen Harnleiter, die kleiner als 1 cm sind
  • Flüssigkeitstherapie i.v. mit dem alleinigen Ziel, den Steinabgang zu fördern, vermeiden
  • Beitrag der medikamentösen Expulsionstherapie (MET) zur Förderung des spontanen Abgangs von Nierensteinen ist umstritten, daher Vor- und Nachteile der MET im gemeinsamen Entscheidungsprozess besprechen
Quelle: https://www.scielo.br/j/jbn/a/JCpb8h7v3FrNXFHbKBTjmbs/?lang=en

medikamentöse Therapie

  • Paracetamol
    • 500 – 750 mg oral bis zu 4 – 6x/d (max. 4000 mg/d)
  • Metamizol
    • 500 – 1000 mg oral bis zu 4x/d
    • 1000 – 2000 mg i.v. bis zu 4x/d
  • Scopolamin
    • 1 – 2 Tabletten mit 10 mg bis zu 4x/d (max. 60 mg/d)
    • 30 – 60 mg i.v./i.m./s.c. bis zu 4 – 6/d (max. 100 mg/d)
  • Ketorolac
    • initial 20 mg s.l., dann 10 mg oral bis zu 4 – 6x/d (max. 40 mg/d)
    • 30 mg i.v. oder 360 mg i.m. (max. 120 mg/d i.v.)
  • Ketoprofen
    • 50 mg oral alle 6 h oder 100 mg oral alle 12 h
    • 100 mg i.v. (verdünnt in 100 mL NaCl/G5) als Infusion über 20 min
  • Tramadol
    • 50 – 100 mg oral
    • 50 – 100 mg i.v./i.m. alle 6 h (max. 400 mg/d; verdünnt in 1 mg/mL NaCl/G5 als langsame Infusion über 30 – 60 min)
  • Meperidin
    • 1 mg/kg i.m. alle 4 h (max. 500 mg/d) ODER initial 25 – 50 mg i.v. (verdünnt in 10 mL NaCl/G5 langsam; alternativ ggf. s.c.)
  • Morphin
    • 5 – 30 mg oral alle 4 h
    • 1 mg/kg i.v./i.m. alle 4 h
  • Tamsulosin
    • 0,4 mg p.o. 1x/d
Published inLeitlinien kompakt

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