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Leitlinie „Schizophrenie“ der DGPPN (Update 2025)

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN)
Klassifikation gemäß AWMF: S3
Datum der Veröffentlichung: 30.06.2025
Ablaufdatum: 29.06.2026
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-009.html

Grundsätzliches

  • Schizophrenie ist durch charakteristisches psychopathologisches Muster der Störung in Bereichen wie Wahrnehmung, Denken, Ich-Funktionen, Affektivität, Antrieb und Psychomotorik sowie zeitlich definierte Verlaufsmerkmale gekennzeichnet
  • einerseits episodisch auftretende, akute psychotische Zustände (gekennzeichnet durch psychopathologische Befunde wie Wahn, Halluzinationen sowie Denk- und Ich-Störungen) und andererseits Beeinträchtigungen mit individuell und interindividuell im Zeitverlauf variablen, remittierenden oder langfristig persistierenden, chronischen psychotischen Phänomenen, kognitiven Störungen oder Störungen von Antrieb, Affektivität und Psychomotorik
  • Epidemiologie
    • Punktprävalenz: in internationalen Studien im Median mit 4,6 pro 1000 Einwohner angegeben
    • Lebenszeitprävalenz: in internationalen Studien im Median bei 4,8 – 7,2 pro 1000 Einwohner
    • Inzidenz: Jahresinzidenz liegt in internationalen Studien im Median bei 15 Fällen pro 100.000 Einwohner (städtisch 19 Fälle pro 100.000 Einwohner, städtisch-ländlich 13,3 Fälle pro 100.000 Einwohner)
    • Altersverteilung: Erkrankung tritt bevorzugt erstmals zwischen dem 15. und dem 35. Lebensjahr, bei ca. 65% der Betroffenen bereits vor dem 30. Lebensjahr auf; Erkrankungsbeginn vor dem 13. oder nach dem 40. Lebensjahr ist selten
    • Geschlechterverteilung: Lebenszeitrisiko der Geschlechter ist annähernd gleich, wobei die Studienlage uneinheitlich ist; Männer werden etwa 3-4 Jahre früher als Frauen diagnostiziert
    • Sozioökonomischer Status: gehäuft unter Personen mit niedrigem Bildungsabschluss und niedrigem sozioökonomischem Status
    • Komorbidität: häufigste Komorbidität ist Substanzmissbrauch, von dem 50 – 80 % der Erkrankten betroffen sind
    • Mortalität: 2,6-fach erhöhte altersstandardisierte Mortalitätsrate; Lebenserwartung ist um ca. 15 Jahre verringert

ICD-11-Diagnosekriterien für Schizophrenie

  • Kernsymptome – Für die Diagnose müssen mindestens zwei Symptome aus einer Liste von 7 Symptomkategorien vorliegen. Mindestens eines dieser Symptome muss aus den sogenannten „Kernsymptomen“ stammen (a–d):
    • a) Wahn (persistierende Wahnideen, z.B. Verfolgungswahn, Größenwahn, Beziehungswahn)
    • b) Halluzinationen (persistierende Halluzinationen; am häufigsten sind auditive Halluzinationen, aber sie können in jeder Sinnesmodalität auftreten)
    • c) desorganisiertes Denken (manifestiert sich typischerweise als formale Denkstörung, z. B. durch lose Assoziationen, Neologismen, Zerfahrenheit oder inkohärente Sprache bis hin zu „Wortsalat“)
    • d) Erfahrungen von Einflussnahme, Passivität oder Kontrolle (Erleben, dass Gefühle, Impulse, Gedanken, Körperfunktionen oder Verhalten von einer externen Kraft kontrolliert werden, z.B. Gedankeneingebung, Gedankenentzug, Gedankenausbreitung)
  • weitere Symptome
    • e) negative Symptome (z. B. Affektverflachung, Sprachverarmung, Antriebsmangel)
    • f) desorganisiertes Verhalten (z.B. bizarres oder zweckloses Verhalten, unvorhersehbare oder unangemessene emotionale Reaktionen)
    • g) psychomotorische Störungen (inkl. katatoner Symptome wie katatoner Erregungssturm; CAVE: Katatonie wird in ICD-11 als eigenständiges Krankheitsbild aufgeführt, nicht mehr als Subtyp der Schizophrenie)

diagnostische Unterformen

  • paranoide Schizophrenie
    • Wahnvorstellungen verschiedenster Art und vorwiegend akustische Halluzinationen (Phoneme, Akoasmen)
    • Störungen des formalen Denkens, der Stimmung, des Antriebs, der Sprache sowie katatone Phänomene nicht im Vordergrund stehend
    • langfristiger Verlauf kann vielfältig sein: entweder einmalig episodisch oder rezidivierend mit jeweiliger Rückkehr zur völligen Gesundung oder aber chronifizierend mit überdauernden Defiziten
  • hebephrene Schizophrenie
    • Affekt-, Antriebs- und formale Denkstörungen im Vordergrund stehend
    • Krankheitsbeginn liegt überwiegend zw. dem 15. und 25. Lebensjahr
    • Verlaufsprognose ist eher ungünstig
    • Verlaufsform wird in der ICD-11 nicht mehr berücksichtigt
  • katatone Schizophrenie
    • psychomotorische Störungen, die zwischen Erregung und Stupor wechseln können
    • Diagnose ist nur zu stellen, wenn die allgemeinen diagnostischen Kriterien der Schizophrenie erfüllt und entsprechende katatone Symptome nachweisbar sind
    • perniziöse Form der Katatonie liegt vor, wenn extremer Stupor mit Hyperthermie und vegetativer Dysregulation einhergeht
    • differentialdiagnostisch v.a. bei allen katatonen Formen primäre Gehirnerkrankungen (siehe auch Autoimmunencephalitiden im weiteren Textverlauf), Stoffwechselstörungen oder Intoxikationen sowie ein Malignes Neuroleptisches Syndrom bedenken
    • Verlaufsprognose ist eher günstig
  • Schizophrenia simplex
    • blander Verlauf mit progredienter Negativsymptomatik (ohne eine Episode mit produktiver/positiver Symptomatik), zunehmenden Verhaltensauffälligkeiten und sozialer Desintegration bis hin zur Nichtsesshaftigkeit
    • Diagnose ist schwer zu stellen, weil spezifische Symptome fehlen
    • Verlaufsform ist umstritten; kommt z.B. in DSM-5 gar nicht vor und wird in der ICD-11 nicht mehr berücksichtigt
  • undifferenzierte (atypische) Form der Schizophrenie
    • keine der vorgeschriebenen Unterformen zutreffend oder Merkmale verschiedener Unterformen vorliegend
    • Verlaufsform wird in der ICD-11 nicht mehr berücksichtigt
  • postschizophrene Depression
    • depressive Episode im Anschluss an eine akute Schizophrenie, in der die Positivsymptome zwar zurücktreten, aber noch vorhanden sind
    • zur Entstehung dieser postremissiven „Erschöpfungsdepression“ können viele Faktoren beitragen (pharmakogene sowie psychosoziale)
    • Abgrenzung von depressiver Symptomatik, schizophrener Negativsymptomatik und medikamentös induzierter Hypokinese ist für Optimierung der Therapie wünschenswert, aber oft schwierig zu leisten
    • v.a. bei postpsychotischer Depression muss mit erhöhtem Suizidrisiko gerechnet werden
    • für diese Verlaufsform wird es in der ICD-11 einen sogenannten Specifier geben
    • schizophrenes Residuum wird diagnostiziert, wenn sich nach mindestens einer früheren akuten Episode ein chronisches Bild mit ausgeprägter Negativsymptomatik entwickelt

Elemente zur deskriptiven Erfassung des psychopathologischen Befundes

  • Erscheinungsbild und Art der Kontaktaufnahme
  • Psychomotorik
  • Bewusstsein und Orientierung
  • Aufmerksamkeit und Gedächtnis
  • Denken und Sprechen
  • Befürchtungen und Zwänge
  • Wahn
  • Sinnestäuschungen
  • Ich-Störungen
  • Affektivität
  • Antrieb, Intentionalität, Wille
  • Persönlichkeitsmerkmale
  • Weitere Symptome und Symptombereiche (z.B. Suizidalität, Krankheitsgefühl und Einsicht, soziale Umtriebigkeit und Aggressivität, vegetative Symptome)

Differentialdiagnosen

  • alkoholtoxische Enzephalopathien und andere Alkoholfolgeerkrankungen
  • Epilepsien, v.a. komplexpartielle Formen
  • entzündliche Prozesse
    • immunvermittelte Enzephalitiden
    • Multiple Sklerose
    • Herdenzephalitis (viral oder bakteriell)
    • Toxoplasmose
    • Lues zerebrospinalis
    • progressive Paralyse
    • Neuroborreliose
    • HIV-Enzephalopathie
    • Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung
  • Chorea Huntington
  • Schädel-Hirn-Trauma
  • zerebrale Raumforderungen
    • Hirntumore
    • andere Raumforderungen
  • zerebrale Gefäßerkrankung
    • zerebrale Ischämie
    • Hirnvenenthrombose
    • Vaskulitiden
      • Lupus Erythematodes mit ZNS-Beteiligung
      • Zentrales Sjögren-Syndrom
  • demenzielle Erkrankungen
    • Lewy-Body-Demenz
    • Demenz vom Alzheimer Typ
    • vaskuläre Demenzen
    • gemischte Demenzen
  • Narkolepsie
  • Morbus Parkinson
  • Morbus Fahr (symmetrische Stammganglienverkalkung)
  • Elektrolytverschiebungen
    • Hypokaliämie, Hyponatriämie
    • Hyperkaliämie, Hypernatriämie
  • Schilddrüsenstoffwechselstörungen
    • Hypothyreose
    • Hyperthyreose
  • Glukosestoffwechselstörungen
    • Hypoglykämie
    • Hyperglykämie
  • Kortisolstoffwechselstörungen
    • Cushing-Syndrom
  • adrenogenitales Syndrom
    • Morbus Addison
  • andere Stoffwechselstörungen
  • Homozystinurien
  • Phenylketonurie
  • hepatische Enzephalopathie
  • Vitaminmangelerkrankungen
    • Vitamin-B12-Mangel (perniziöse Anämie)
    • andere Vitamin B-Mangel Zustände (z.B. Pellagra)
  • Speichererkrankungen/angeborene Stoffwechselstörungen
    • Morbus Niemann-Pick (Sphingomyelinose, late onset, Typ C)
    • Morbus Gaucher (Zerebrosidose)
    • Morbus Tay-Sachs (Gangliosidose)
    • Morbus Wilson (hepatolentikuläre Degeneration)
    • Harnstoffzykluserkrankung
    • Homocysteinämie
    • zerebrale Xanthomatose
    • Porphyrien
  • Morbus Whipple

Medikamente als Ursache für psychotische Symptome

  • ZNS-wirksame Medikamente
    • L-Dopa und andere dopaminerge Medikamente, Anticholinergika, Triptane
  • kardiovaskuläre Medikamente
    • Digoxin, Clonidin, Methyldopa, Betablocker, ACE-Inhibitoren, AngiotensinII-blockierende Medikamente, Kalziumkanalblocker, Diuretika, Statine
  • gastroenterologische Medikamente
    • Metoclopramid, H2-Blocker, Pantoprazol
  • Hormonpräparate
    • L-Thyroxin, orale Kontrazeptiva, Steroide
  • Analgetika
    • Nichtsteroidale Antiphlogistika, Opioide
  • Antiinfektiva
    • Sulfonamide, Chinolone, Clarithromycin, Amoxicillin, Cephaloxine, Metronidazol, Chloroquin, Isoniazid, Zovirax
  • Immunsuppressiva und Immunmodulatoren
    • Kortikosteroide, Methotrexat, Vincristin, Ifosfamid, Cyclosporine, 4-Fluorouracil, Cisplatin, Doxorubicin, Cyclophosphamid

Diagnostik

Faktoren, die klinische Hinweise für organische Genese der psychotischen Symptomatik geben können

  • früher und akuter Beginn
  • fokalneurologische Symptome, Bewusstseinsstörung, Orientierungsstörung , Krampfanfälle
  • ausgeprägte kognitive Defizite*, subakute (innerhalb von 3 Monaten) Merkfähigkeitsstörungen als führendes Symptom, die nicht mit den für die Schizophrenie bekannten Symptomen vereinbar sind.
  • Verwirrtheit
  • optische Halluzinationen
  • Psychomotorische Symptome (inkl. Katatonie)
  • fluktuierender Verlauf der Erkrankung
  • frühe Therapieresistenz
  • fluktuierende Psychopathologie
  • komorbide Entwicklungsverzögerung/-störung
  • Fieber, Exsikkose

Untersuchungen bei Erstmanifestation der Schizophrenie

  • obligat
    • komplette körperliche und neurologische Untersuchung (inkl. Gewicht und Körpergröße, Temperatur, Blutdruck/Puls)
    • Blutuntersuchungen
    • Differentialblutbild
    • Nüchternblutzucker und ggf. HbA1c
    • GPT, Gamma-GT, Kreatinin/eGFR
    • Natrium, Kalium, Calcium
    • BSG/CRP
    • Schilddrüsenparameter (initial TSH)
    • Drogenscreening im Urin
    • strukturelle Bildgebung des Gehirns mit kraniellem MRT (mit T1, T2, FLAIR Sequenzen, bei Auffälligkeiten weiterführende Diagnostik mit Kontrastmittel-MRT)
  • fakultativ
    • Liquorpunktion anbieten, falls aus klinischer, laborchemischer oder apparativer Diagnostik Hinweise auf sekundäre somatische Genese der Symptomatik vorliegen
    • testpsychologische Untersuchung in den Bereichen Aufmerksamkeit, Lernen und Gedächtnis, Exekutivfunktionen und soziale Kognition sowohl zum Erhalt von Informationen für differentialdiagnostische Entscheidungen, als auch zur Vorbereitung von Entscheidungen über weitere neuropsychologische und psychosoziale Behandlungs- und Rehabilitationsangebote anbieten
    • EEG anbieten, falls klinische Hinweise für mögliches epileptisches Geschehen oder andere spezifische neurologische Erkrankungen vorliegen
    • im höheren Lebensalter und bei klinischem Verdacht Abklärung einer dementiellen Erkrankung gemäß der AWMF-Leitlinie „Demenzen“ anbieten

Therapie bei Unruhe, Erregungszuständen und in Notfallsituationen

  • Applikationsformen verschiedener in psychiatrischen Notfallsituationen eingesetzter Substanzen
  • Stufentherapie der medikamentösen Behandlung akut agitierten Verhaltens (CAVE: Fixierung bei akuter nicht anders abzuwehrender Eigen-oder Fremdgefährdung gemäß jeweils gültiger Rechtsnormen)
    • Stufe 1: Lorazepam oral als Monotherapie, Beginn mit 1 – 2,5 mg, ggf. Wiederholung, oder sekundär: geeignetes Antipsychotikum oral (bei psychotischem Erregungszustand Kombination beider Substanzen; ggf. Wiederholung unter Berücksichtigung der Tageshöchstdosierungen)
    • Stufe 2: Stufe 2: Lorazepam i.v./i.m. (1 – 2 mg), oder sekundär: Antipsychotikum i.m., ggf. Kombination (Kombination von Olanzapin/Clozapin und Benzodiazepinen parenteral ist zu vermeiden; CAVE: i.v.-Gabe nur unter entsprechender Monitorüberwachung)
    • Stufe 3: Stufe 2 wiederholen unter Berücksichtigung der Tageshöchstdosierungen
  • Präventionsmaßnahmen gegen aggressives Verhalten und nachfolgende Zwangsmaßnahmen mittels Behandlungsinstitutionen (z. B. durch ruhige und gastfreundliche Umgebung mit Möglichkeiten des Rückzugs, bedürfnisorientierten Strukturen der Behandlungssettings (siehe Modul 5), Deeskalationsmaßnahmen, offene Tür/Zugang nach Außen) und mittels Behandlungsteams (z. B. durch gelassene Umgangsformen, empathische Gesprächsführung, individuelle Risikoeinschätzung, Mitarbeiterschulungen, Deeskalationsmaßnahmen) implementieren
  • Menschen mit Schizophrenie die Erstellung von Krisenplänen und Behandlungsvereinbarungen zur Vermeidung von Zwangseinweisungen angebieten
  • Krisenpässe, Informationen über den bisherigen Erkrankungs- und Therapieverlauf und andere Maßnahmen der Vorsorgeplanung wie beispielsweise Behandlungsvereinbarungen sollen in der Akutsituation berücksichtigt werden.
  • Ziel der Intervention im akuten Erregungszustand ist es, dem Patienten die Partizipation am weiteren Behandlungsprozess zu ermöglichen (CAVE: Maßnahmen zur Gefahrenabwehr wie Isolierung, Fixierung oder medikamentöse Sedierung gegen den Willen des Patienten sollen unter Wahrung aller rechtlichen Vorgaben und enger Überwachung erst dann erfolgen, wenn alle Deeskalationsmaßnahmen nicht erfolgreich waren)
  • Nachbesprechung von aggressiven Vorfällen und Zwangsmaßnahmen in Abhängigkeit vom Befinden der Patient*innen zeitnah möglichst gemeinsam mit den pflegerischen Bezugspersonen, anderen involvierten Akteur*innen und den zuständigen Therapeut*innen anbieten (Gesprächsinhalte und getroffenen Absprachen sollten in der Patientenakte dokumentieren und in der Behandlungsplanung, auch bei Wiederaufnahmen, berücksichtigen)
  • bei Erregungszuständen nach Scheitern aller nicht-pharmakologischen Behandlungsoptionen zunächst die orale Gabe von Medikamenten anbieten (CAVE: parenterale Gabe erst, wenn orale Gabe nicht mehr mgl. ist; geringste wirksame Dosis anbieten und ggf. schrittweise höher dosieren)
  • bei vergleichbarer Wirksamkeit von Lorazepam und Antipsychotika in der Akutbehandlung von Aggression und psychomotorischer Erregung sollte aufgrund des günstigeren Nebenwirkungsprofils Lorazepam angeboten werden

Therapie bei Katatonie (prädominant katatone Symptome)

  • bei katatoner Symptomatik oder katatoner Schizophrenie zeitlich begrenzt Lorazepam (in Kombination mit Antipsychotika, die sich durch ein geringes Risiko für die Entwicklung eines malignen neuroleptischen Syndroms auszeichnen), anbieten
  • bei perniziöser Katatonie nach erfolgloser Therapie mit Antipsychotikum und Lorazepam zeitnah EKT anbieten

Therapie bei Suizidalität

  • demographische und klinische Faktoren, die sich als relevante Prädiktoren suizidalen Verhaltens bei Menschen mit einer Schizophrenie erwiesen haben, und die in der Einschätzung der Suizidalität berücksichtigt werden sollten, sind:
    • depressive Symptome und vorherige Suizidversuche
    • Schwere der Erkrankung, v.a. Halluzinationen und Denkstörung
    • unbehandelte Erkrankung
    • Panikattacken, Agitiertheit, Schlafstörungen und Angstsymptomatik
    • inadäquate antipsychotische Medikation
    • Vorhandensein medikamenteninduzierter Akathisie
    • geringe Adhärenz
    • wiederholte kurze Krankenhausaufenthalte
    • hohe prämorbide Intelligenz und größere Einsicht in die Natur der Erkrankung und ihre Konsequenzen
    • Substanzmissbrauch/Substanzabhängigkeit
    • frühe Erkrankungsstadien (v.a. Ersterkrankung)
    • belastende Lebensereignisse
    • geringe soziale Unterstützung, fehlende Partnerschaft, soziale Isolation
    • Entlassung aus der stationären Behandlung
    • erlebte Stigmatisierung
  • kontinuierliche Einschätzung suizidaler Gedanken, Pläne und suizidalen Verhaltens CAVE: v.a. bzgl. imperativen Stimmen, Verfolgungsängsten, Fremdbeeinflussungserleben, depressiven Symptomen und Angstzuständen prüfen
  • Vermeidung von Akathisie und anderen belastenden medikamentösen Nebenwirkungen sowie die Reduktion eines komorbiden Substanzkonsums anstreben
  • Suizidalität offen und emphatisch ansprechen und in diesem Rahmen das Suizidrisiko einschätzen –> entsprechende Maßnahmen anbieten und einleiten
  • medikamentöse Behandlungsoptionen
    • keine relevanten Unterschiede bzgl. Verhinderung suizidalen Verhaltens zwischen den
      einzelnen antipsychotischen Substanzen
    • Ausnahme: Clozapin (siehe auch Empfehlung 97)
  • bei stark und kontinuierlich erhöhter Suizidalität Behandlung mit Clozapin nach Risiko-Nutzen-Evaluation anbieten
Published inLeitlinien kompakt

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