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Leitlinie „Gastrointestinale Blutung“ der DGVS (Update 2025)

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
Klassifikation gemäß AWMF: S2k
Datum der Veröffentlichung: 16.12.2025
Ablaufdatum: 15.12.2030
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-028.html

präendoskopisches Management

  • Risikostratifizierung
    • zur ersten Risikoeinschätzung bei vermuteter gastrointestinaler Blutung (Fremd-)Anamnese, körperlichen Untersuchungsbefund und Erhebung der Vitalparameter heranziehen
    • bei Patient*innen mit vermuteter gastrointestinaler Blutung Hämoglobinwert bestimmen
    • Laktatbestimmung zur Risikostratifizierung bei akuter gastrointestinaler Blutung
    • präendoskopisch kann bei oberer GI-Blutung nicht zwischen varikösen und nicht-varikösen Blutungsquellen unterschieden werden (Risikofaktoren wie Leberzirrhose, splanchnische Thrombosen, Thrombozytopenie und/oder erhöhte Leber-/MilzGewebesteifigkeit können Hinweis auf variköse Blutungsursache im oberen GI-Trakt sein)
    • zur präendoskopischen Stratifizierung eines niedrigen Risikos (modifizierten) Glasgow-Blatchford-Score (0 – 1) für obere und der Oakland-Score (≤ 8) für untere gastrointestinale Blutungen heranziehen
    • keine Verwendung des Rockall-Scores für präendoskopische Risikobewertung
    • für wichtige Aspekte der Anamnese zur Risikoabschätzung bei vermuteter GI-Blutung siehe Tabelle
BereichDetails
Blutungsmanifestation– Erbrechen von Kaffeesatz
– Hämatemesis
– Teerstuhl
– Hämatochezie
– peranaler Abgang von Blutkoageln
Begleitsymptome– orthostatische Dysregulation
– Synkope
– Vigilanzminderung
– stattgehabte Aspiration
– Agitation
Medikation– Thrombozytenaggregationshemmung
– Duale Thrombozytenaggregationshemmung
– Vitamin-K-Antagonisten
– „Triple-Therapie“
– Direkte orale Antikoagulanzien
– unfraktioniertes bzw. Niedrig-molekulares Heparin
– Nicht-steroidale Antirheumatika
Vorerkrankungen– Leberzirrhose, splanchnische Thrombosen
– Ulkusleiden
– stattgehabte variköse oder nicht-variköse gastrointestinale
Blutungen
– Malignome des Gastrointestinaltrakts
– hämatologische Neoplasien
– kürzlich stattgehabte PT(C)A
– kürzlich stattgehabte Polypektomie oder andere Eingriffe im GI
Trakt
  • Zeitpunkt der Endoskopie und Überwachung bis zur Endoskopie
    • Patient*innen mit vermuteter variköser oberer GI-Blutung unter stationären Bedingungen evaluieren
    • Notfall-ÖGD unter intensivmedizinischer Versorgung bei Patient*innen mit vermuteter nicht-variköser oder variköser oberer GI-Blutung im therapierefraktären hämorrhagischen Schock
    • Patient*innen mit vermuteter nicht-variköser oberer GI-Blutung und gleichzeitigem Vorhandensein von Risikofaktoren (z.B. Glasgow-Blatchford-Score ≥ 12) sollen innerhalb der ersten 6 – 24 h nach Krankenhausaufnahme ÖGD erhalten
    • hämodynamisch stabile Patient*innen unter Terlipressin i.v. mit vermuteter variköser oberer GI-Blutung sollten innerhalb der ersten 12 h nach Krankenhausaufnahme ÖGD erhalten
    • hämodynamisch stabile Patient*innen mit vermuteter unterer GI-Blutung sollen innerhalb der ersten 24 – 72 h nach Krankenhausaufnahme nach entsprechender Vorbereitung eine Koloskopie erhalten
    • hämodynamisch instabile Patient*innen mit ausgeprägter Hämatochezie sollten zunächst ÖGD erhalten
    • CT-Angiografie und/oder innerhalb von 24 h Koloskopie bei hämodynamische instabile Patient*innen mit ausgeprägter Hämatochezie zum Ausschluss einer oberen GI-Blutung nach klinischer Einschätzung
    • für die Versorgung von Patient*innen mit GI-Blutung sollen auch außerhalb der Kernarbeitszeiten ein*e in der Notfallendoskopie erfahrene*r Ärztin/Arzt und in der Notfallendoskopie geschultes Assistenzpersonal in Rufbereitschaft sein
  • Strukturelle Anforderungen
    • Einhaltung der strukturellen Empfehlungen der S3-Leitlinie „Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie“ bei Notfallendoskopien
    • bei unstillbarer bzw. rezidivierender variköser GI-Blutung unmittelbare Verlegung in ein Zentrum mit der Möglichkeit der Durchführung eines Rescue-transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunt (TIPS) bzw. frühelektiven TIPS
  • initiale Stabilisierung, Volumenmanagement, Tranfusionsstrategie
    • bei hämodynamischer Instabilität unverzüglicher Volumenersatz mittels kristalloider Lösungen
    • bei unzureichendem Ansprechen auf Volumentherapie können im hämorrhagischen Schock passager Katecholamine zur Kreislaufstabilisierung eingesetzt werden
    • Gabe von Erythrozytenkonzentrat bei Patient*innen mit akuter GI-Blutung bei Hämoglobin-Wert < 7 g/dL
    • keine Erythrozytenkonzentrat-Transfusion bei Hämoglobin-Wert > 10 g/dL und fehlenden klinischen Zeichen einer anämischen Hypoxie
    • bei massiver GI-Blutung und hämorrhagischem Schock Entscheidung zur Transfusion nach klinischer Einschätzung unabhängig vom Hämoglobin-Wert
  • medikamentöse Therapie
    • Protonenpumpenhemmer i.v. (z.B. Pantoprazol 80 mg i.v.) bei vermuteter oberer GI-Blutung
    • bei vermuteter oberer GI-Blutung Gabe von Protonenpumpenhemmer i.v., entweder als wiederholte Bolusgaben oder als kontinuierliche Applikation, bis zur Endoskopie fortsetzen
    • bei V.a. akute Varizenblutung intravenöse Therapie mit Vasokonstriktor (Terlipressin, Somatostatin oder Octreotid) noch vor Endoskopie beginnen
    • bei V.a. akute Varizenblutung intravenöse Antibiotika-Therapie noch vor Endoskopie beginnen
    • bei vermuteter schwerer oberer GI-Blutung Erythromycin oder Metoclopramid i.v. einmalig als Kurzinfusion 30 – 120 min vor Indexendoskopie geben, um Beurteilbarkeit des oberen GI-Trakts zu verbessern
  • Atemwegsmanagement
    • endotracheale Intubation vor Endoskopie bei klinisch deutlich erhöhtem Aspirationsrisiko (schwere und anhaltende Hämatemesis, hepatische Enzephalopathie Westhaven III oder IV)
  • Aufklärung und Einwilligung
    • vor Durchführung intensivmedizinischer oder endoskopischer Maßnahmen klären, welches Therapieziel erreicht werden kann und welchem die Patient*innen zustimmen
    • Patient*in über Diagnose, Prognose, geplante Maßnahmen und Behandlungsalternativen einschließlich der jeweils zu erwartenden Folgen verständlich und rechtzeitig aufklären
    • bei begründeten Zweifeln an Einwilligungsfähigkeit der Patient*innen dessen rechtliche Vertreter*innen hinzuziehen, um Patient*innen im Prozess der Entscheidungsfindung zu unterstützen (Patient*in trotz Unterstützung nicht in der Lage in die medizinisch indizierten Maßnahmen einzuwilligen –> Einwilligung der rechtlichen Vertreter*innen einholen)
    • kann im Rahmen einer Notfallversorgung weder die Einwilligung der Patient*innen noch der rechtlichen Vertreter*innen eingeholt werden, medizinisch erforderliche Notfallversorgung durchführen, sofern kein entgegenstehender Patient*innenwille bekannt ist

Algorithmus – prä-endoskopisches Management

Gerinnungsstatus/Antikoagulanzien

  • Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmer erhöht das Risiko für GI-Blutung
  • Risiko für GI-Blutungen ist unter dualer Thrombozytenaggregationshemmung höher als bei Monotherapie
  • Risiko für eine gastrointestinale Blutung unter Antikoagulation ist erhöht (Risiko unterscheidet sich zwischen Vitamin K-Antagonisten und DOAK nicht relevant)
  • Risiko erhöht sich bei Kombination der Antikoagulation mit Thrombozytenaggregtionshemmer oder bei Kombination mit dualer antithrombozytärer Therapie erheblich
  • INR spiegelt nicht das Ausmaß der plasmatischen Gerinnungsstörung bei Leberzirrhose wider
  • keine generelle präendoskopische Gabe von rekombinantem Faktor VIIa oder Tranexamsäure bei GI-Blutung
  • Patient*innen mit bekannter Blutgerinnungsstörung im Rahmen einer akuten Blutung entsprechend Tabelle auf Seite 48 (Mögliche Antagonisierung von Antikoagulanzien) therapieren
  • Notfallendoskopie zur Blutstillung ist auch unter Thrombozytenaggregationshemmung oder Antikoagulation möglich und sinnvoll
  • Medikation bei einer akuten gastrointestinalen Blutung bei Patient*innen, die Thrombozytenaggregationshemmer nur zur Primärprophylaxe erhalten, periinterventionell pausieren
  • Medikation mit Thrombozytenaggregationshemmern in Abhängigkeit vom Schweregrad der Blutung bei Patient*innen mit mittlerem bis hohem Risiko für arterielle Thrombosen fortsetzen
  • bei chronischem Blutverlust und klinisch stabiler Situation antithrombotische Therapie bis zur Endoskopie fortführen
  • bei akuter Blutung oder klinisch instabiler Situation Antikoagulation bis zur Notfall-Endoskopie aussetzen
  • bei vital bedrohlicher GI-Blutung Antikoagulation (direkte orale Antikoagulanzien, Vitamin K-Antagonist) ggf. vor endoskopischer Blutstillung antagonisieren
  • bei der Indikationsstellung zur Antagonisierung individuelles Thrombembolierisiko berücksichtigen
  • DOAKs bei vital bedrohlicher Blutung mit PPSB, aPPSB, Andexanet alfa (bei DOAKs vom Anti-Xa-Typ) bzw. Idarucizumab (beim direkten Thrombininhibitor Dabigatran) antagonisieren
  • ggf. Antagonisierung der Antikoagulation bei Frührezidiv der GI-Blutung

Diagnostik

  • bei Kreislaufinsuffizienz endoskopische Diagnostik bzw. Therapie unter intensivmedizinischen Bedingungen nach bzw. unter Stabilisierung der Patient*innen
  • Endoskopie bei V.a. akute GI-Blutung unter Sedierung oder Narkose (zur Sedierung Propofol i.d.R. als Monotherapie verwenden)
  • CT-Angiografie so früh wie möglich nach Blutungsbeginn bzw. Endoskopie ohne Blutungsquellennachweis
  • keine selektive Angiografie, wenn CT-Angiografie keine Blutungsquelle zeigt
  • chronische Blutung des Gastrointestinaltrakts = persistierender oder rezidivierender Abfall des Hämoglobinspiegels, der nicht zur Kreislaufinstabilität führt und mit nicht alternativ erklärbarem Eisenmangel einhergeht
  • chronische gastrointestinale Blutung unter Beachtung der Komorbiditäten elektiv abklären
  • keine Kapselendoskopie bei bekannter hochgradiger Stenose des Gastrointestinaltrakts (bei klinischem Verdacht auf intestinale Stenose Kapselendoskopie erst nach Beweis der Durchgängigkeit mittels vorheriger Patency-Kapseluntersuchung)
Published inLeitlinien kompakt

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