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Leitlinie „Therapie angeborener thrombozytärer Erkrankungen“ der GPOH

veröffentlichende Fachgesellschaft: Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie e.V. (GPOH)
Klassifikation gemäß AWMF: S2k
Datum der Veröffentlichung: 21.10.2025
Ablaufdatum: 20.12.2030
Quelle/Quelllink: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/086-004

Abschätzung des Blutungsrisikos

  • strukturierte Erhebung der Blutungsanamnese bildet das Fundament der Risikoeinschätzung
    • Spontanblutungen (z. B. Epistaxis, Hämatome, Menorrhagien)
    • Blutungen nach Traumata, Operationen oder zahnärztlichen Eingriffen
    • familiäre Häufung von Blutungsereignissen
    • Behandlung bei früheren Eingriffen (z. B. Einsatz von Antifibrinolytika oder Transfusionen
  • empfohlene Instrumente zur standardisierten Quantifizierung der Blutungsneigung
    • ISTH-Bleeding Assessment Tool (BAT): international validiert, insb. zur Differenzierung milder Blutungsphänotypen
    • Pediatric Bleeding Questionnaire (PBQ): speziell für Kinder
    • Pictorial Blood Loss Assessment Chart (PBAC): semi-quantitatives Tool zur Erfassung des menstruellen Blutverlusts
  • Therapieentscheidungen nicht allein auf Basis laborchemischer Befunde treffen

allgemeine Maßnahmen zur Blutungsprophylaxe

  • Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) vermeiden
  • Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) nur nach strenger Indikation verabreichen (Ausnahme: Hypermenorrhoe)
  • jede*r Patient*in soll einen Notfallausweis erhalten, der regelmäßig überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden soll

Therapien bei akuten Blutungssituationen

strukturierter Ansatz für initiales Management

  • Einschätzung von Blutungsstärke, Blutverlust und Hämodynamik
  • Beurteilung des Blutbildes (Hämoglobin und Thrombozyten)
  • Beurteilung der plasmatischen Gerinnung/ Ausschluss eines kombinierten Gerinnungsdefekts
  • Differenzierung zwischen traumatisch-, eingriffs- und hämostatisch-bedingter Blutung
  • Prüfung auf begleitende Faktoren (z. B. Medikamente mit Thrombozytenwirkung, Infektionen)

Einschätzung der Blutungsschwere bei kritisch kranken Kindern

  • schwere Blutung gemäß BASIC-Kriterien
    • Organfunktionsstörung
    • hämodynamischer Instabilität
    • Hb-Abfall > 20 % innerhalb von 24 h
    • Blutverlust ≥ 5 ml/kg/h
    • funktionell relevanter Organblutung

lokale Maßnahmen (unabhängig von Grunderkrankung)

  • Kompression, Tamponade, ggf. Tourniquet-Anlage
  • chirurgische Blutstillung
  • topische Applikation von Hämostyptika oder Tranexamsäure
  • bei Bedarf interventionelle Verfahren (z. B. Embolisation bei arteriellen Blutungen, Ablatio uteri

systemische Therapie

  • frühzeitiger Einsatz von Tranexamsäure (TXA), v.a. bei Schleimhautblutungen oder generalisierten Blutungen mit hyperfibrinolytischer Komponente; Kombination mit weiteren Maßnahmen ist möglich und sinnvoll
  • Desmopressin (DDAVP) bei diversen Thrombozytenfunktionsdefekten unter strenger Berücksichtigung der Nebenwirkungen erwägen (CAVE: intranasale Applikation ist in der Akutsituation aufgrund der unsicheren Resorption nicht geeignet)
  • rekombinanter Faktor VIIa (rFVIIa) als Option bei schwerwiegenden Blutungen, v.a. bei nachgewiesener Refraktärität gegenüber Thrombozytentransfusionen oder fehlender Verfügbarkeit von Thrombozytenkonzentraten (CAVE: i.d.R. Off-Label-Use)
  • Thrombozytentransfusionen in akuten Situationen indiziert, wenn alle vorangegangen Maßnahmen/Therapien keine Blutungskontrolle erreicht haben
  • Therapieprinzip angepasst an klinische Situation
Stufeklinische SituationTherapieprinzip
Stufe 0keine verstärkte Blutungsneigung oder minimale Blutung„Watch and wait“, präventive Aufklärung, Blutungsmonitoring (Blutungs-Score)
Stufe 1 (Milde Blutung)Schleimhautblutungen, Menorrhagie, Epistaxis, posttraumatische HämatomeTXA lokal/systemisch, DDAVP (bei bekanntem klinischen Ansprechen), kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK)
Stufe 2 (moderate Blutung)ausgeprägte Menorrhagie, prolongierte Blutung nach EingriffTXA + DDAVP + hormonelle Therapie; rFVIIa bei GT/BSS; TPO-RA bei Thrombozytopenie
Stufe 3 (schwere Blutung)Operation, Trauma, GeburtTXA, TK, rFVIIa
Stufe 4 (lebensbedrohliche Blutung)TXA, TK + rFVIIa, SZT

Monitoring und Nachsorge

  • engmaschige Überwachung nach initialer Stabilisierung, v.a. bei:
    • Patient*innen mit bekannter schwerer Blutungsneigung
    • Patient*innen mit refraktärer Blutung oder Immunisierung
    • Eingriffe in gut durchbluteten Arealen (z. B. Oropharynx, Urogenitaltrakt)
    • Blutung in lebenswichtigen Organen

Handlungsempfehlungen für akute Blutungssituationen

  • neben systemisch wirksamer Therapie lokale Maßnahmen, wie die Kompression, frühzeitig einsetzen
  • Tranexamsäure bei akuten Blutungen frühzeitig einsetzen
  • Behandlung mit rekombinantem Faktor VIIa bei Refraktärität ggü. Thrombozytentransfusionen oder fehlender/rascher Verfügbarkeit von Thrombozytenkonzentraten
  • Gabe von Thrombozytenkonzentrat bei lebensbedrohlichen oder auf andere Therapiemaßnahmen refraktäre, klinisch relevante Blutungen
  • Indikation zur Thrombozytenkonzentrat-Gabe bei akuten Blutungen unter Berücksichtigung der damit verbundenen Risiken grundsätzlich streng stellen
  • Gabe von rekombinantem Faktor VIIa in der akuten Blutungssituation, um unter anderem das Risiko einer Immunisierung durch Blutprodukte zu reduzieren
  • Desmopressin bei akuten Blutungen bei bekanntem klinischem Ansprechen erwägen

Behandlung spezieller Blutungen & Blutungssituationen

Epistaxis, Gingiva und Tonsillenblutung

  • intranasale Gaben von Desmopressin aufgrund des unsicheren Ansprechens bei akuten Blutungen und Epistaxis vermeiden
  • lokale Anwendung von Tranexamsäure bei wiederholt auftretender anteriorer Epistaxis

Menorrhagie

  • Behandlung der Menorrhagie bei angeborenen thrombozytären Erkrankungen
Published inLeitlinien kompakt

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