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FOAMio Politix – Alle feiern Jesu Geburt, aber viel zu wenige reden über den neuen Hebammenhilfevertrag!

Was ist der Hebammenhilfevertrag?

Der Hebammenhilfevertrag (gemäß § 134a SGB V) regelt, wie die rund 19.000 freiberuflich tätigen Hebammen für ihre Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden. Der Vertrag wird bundesweit zwischen dem GKV-Spitzenverband (für die Krankenkassen) und den Hebammenverbänden geschlossen und legt u.a. die nachfolgenden Punkte fest:

  • Leistungen, die von den Krankenkassen übernommen werden (u.a. Schwangerschaftsvorsorge, Geburtshilfe, Wochenbettbetreuung etc.)
  • Höhe der Vergütung
  • Abrechungsmodalitäten
  • Qualitäts- und Dokumentationspflichten
  • Haftpflicht- und Versicherungsregelungen

Der neue Hebammenhilfevertrag wurde nach langwierigen Verhandlungen durch eine Schiedsstelle im April 2025 beschlossen und ist seit November 2025 in Kraft. Schon seit dem Beschluss durch die Schieds­stelle wird der neue Hebammenhilfevertrag von vielen Seiten, aber vor allem von Seiten der Hebammenverbände berechtigterweise kritisiert und das Thema hat es sogar schon, dank Joko & Klaas, in die Prime Time bei Pro7 geschafft. Welche Kritik es am neuen Hebammenhilfevertrag gibt, erfahrt Ihr im heutigen Beitrag. Weitere Infos findet Ihr auch im „FAQ zum neuen Hebammenhilfevertrag“ des Bunds freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD):

aktuelle Probleme und Kritikpunkte

Vergütung für Beleghebammen

Ein zentrales Problem betrifft die Beleghebammen, also selbstständige Hebammen, die in Kliniken Geburten begleiten und abrechnen. Beleghebammen stemmen einen großen Teil der Geburten in Deutschland (aktuell mehr als 20 % der Geburten in Deutschland). So wurden im Jahr 2024 rund 26000 Geburten in NRW durch Beleghebammen begleitet worden, bei insgesamt rund 148.750 Geburten in NRW. In Bayern begleiten Beleghebammen sogar etwa 80 % der Geburten.

Durch die neuen Abrechnungsregeln sinkt das Honorar deutlich, wenn mehrere Frauen gleichzeitig betreut werden – etwa auf nur rund 30 % pro Patientin, wie erste Testabrechnungen mit einem Vergleich zur bisherigen Vergütungspraxis zeigen konnten. Dies sorgt für erhebliche Einkommensverluste im Vergleich zu bisherigen Vergütungen, vor allem bedingt durch die problematische Umstellung von 30‑Minuten‑Einheiten auf das 5‑Minuten‑Abrechnungssystem (Vergütungshöhe von 6,19 € pro abgeschlossener 5-Minuten-Einheit), welches frühere „Optimierungsmöglichkeiten“ eliminiert. Der neue Hebammenhilfevertrag sollte eigentlich die 1:1‑Betreuung fördern, führt aber in der Praxis zu massiven Einnahmeverlusten für Hebammen, weil diese bisher mehrere Gebärende gleichzeitig betreuen konnten. Bei der Betreuung mehrerer Gebärender wird jetzt wie folgt gestaffelt bezahlt: i.d.R. 80 % des Stundensatzes für die erste Frau, 30 % des Stundensatzes für die zweite & dritte Frau und gar keine weitere Vergütung für weitere Gebärende.

Versorgungsqualität und ambulante Betreuung

Auch Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) sehen im neuen Vertrag erhebliche Risiken für die Versorgungssicherheit aller Gebärenden in Deutschland, denn mit den neuen Bestimmungen ist es den Hebammen, mit wenigen Ausnahmen, nur noch möglich, stationäre Patientinnen zu betreuen und abzurechnen, weil die Betreuung ambulanter Patientinnen ausgeschlossen wird.

Das könne zu einer schlechteren Versorgung führen, besonders bei Schwangeren mit Risikofaktoren oder unklaren Beschwerden – etwa wenn außerhalb der Klinik eine Hebammenbetreuung fehlt und medizinische Situationen über ärztliche Dienste abgewickelt werden müssen.

berufliche Perspektiven und Attraktivität des Berufs

Die Hebammenverbände warnen zusätzlich, dass der neue Hebammenhilfevertrag die wirtschaftliche Lage vieler Hebammen verschlechtert und so der Beruf weniger attraktiv wird. Eine aktuelle Befragung des Deutschen Hebammenverband (DHV) zur Berufszufriedenheit ergab, dass rund 44 % der Hebammen über einen Berufswechsel nachdenken und 57 % die Zukunft ihrer Berufsgruppe negativ sehen, wobei die geringe Vergütung mit 68 % als der Hauptgrund genannt wurde. Diese Berufsunsicherheit könnte auf lange Sicht zu einem Hebammenmangel führen – was der Vertrag eigentlich verhindern sollte.

Quellen

Published inPolitix by FOAMio

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