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FOAMio Politix – DKG-Konzept für eine Reform der ambulanten Notfallversorgung

Grundsätzliches

  • 2023 nahmen 1145 Krankenhausstandorte am gestuften System der stationären Notfallversorgung teil
  • Krankenhäuser sind in der Regel die einzigen Institutionen im Gesundheitswesen, die eine 24/7-Versorgung auch für ambulante Notfälle gewährleisten und eine verlässliche Anlaufstelle mit einem interdisziplinären Angebot bieten
  • jährlich mehr als 10 Millionen ambulante Notfälle in dt. Notaufnahmen (2023: 11.050.000)
  • 94 % der befragten Krankenhäuser in einer DKI-Umfrage gaben an, dass die Vermittlung über 116117 keine Wirkung auf die Abläufe in der Notaufnahme entfaltet
  • Spektrum der ambulanten Notfallversorgung an Krankenhäusern reicht derzeit von der „allgemeinen Notfallbehandlung“ mit hausärztlichen Fragestellungen über die „fachspezifische Notfallbehandlung“ bis hin zur „krankenhausspezifischen Notfallbehandlung“
  • übergeordnete Aspekte zur Sicherung des Erfolgs einer ambulanten Notfallreform
    • Sicherstellung von vertragsärztlichen Versorgungsangeboten
    • Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung

ambulante Notfallbehandlung an Integrierten Notfallzentren (INZ)

  • Integrierte Notfallzentren (INZ) übernehmen die Versorgung von Patient*innen, die nach einer telefonischen Ersteinschätzung durch eine zentrale Leitstelle an INZ weitergeleitet werden, weil sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die apparativen und strukturellen Diagnose- und Behandlungskapazitäten eines Krankenhauses benötigen
  • INZ nutzen die Räumlichkeiten sowie die infrastrukturellen und medizintechnischen Gegebenheiten der Krankenhäuser zur Diagnostik und Behandlung der ambulanten Notfallpatient*innen
  • KVen und Krankenhäuser halten grundsätzlich gemeinsam die ambulante Notfallversorgung aufrecht –> einzelnes Krankenhaus und KV sind frei in der Gestaltung ihrer Kooperation
  • keine Ersteinschätzung zur Festlegung der Versorgungsebene am INZ, da vorher telefonisch erfolgt
  • nach Eintreffen der Patient*innen erfolgt am INZ – wie bisher auch in Notaufnahmen – eine Ersteinschätzung zum Zwecke einer Behandlungspriorisierung (z.B. über Instrumente wie MTS ESI)
  • Umgang mit Hilfesuchenden ohne vorangehenden Kontakt zur zentralen telefonischen Leitstelle muss geregelt werden –> mind. Ersteinschätzung zum Zwecke einer Behandlungspriorisierung erhält, um nicht akut behandlungsbedürftige oder gar lebensgefährdete Patient*innen zu übersehen (vergütete Ersteinschätzung) –> keine unmittelbare Behandlungsbedürftigkeit = Verweis auf Kontaktaufnahme mit zentraler Leitstelle

zuverlässige Patient*innensteuerung durch zentrale Leitstelle

  • für den Erstkontakt im Notfall muss zukünftig rund um die Uhr unter einer Servicenummer eine zuverlässig erreichbare zentrale Leitstelle zur Verfügung stehen
  • idealerweise Vernetzung von Notrufnummer 112 mit der Servicenummer 116 117
  • insgesamt Ausbau des telemedizinischen Angebots durch KVen
  • telefonisches Ersteinschätzungsverfahren durch die KVen
    • Patient*innen in unmittelbarer Lebensgefahr oder mit stärksten Schmerzen –> Rettungsdienst
    • Patient*innen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die apparativen und strukturellen Diagnose- und Behandlungskapazitäten benötigen –> INZ
    • Patient*innen, die unmittelbar behandlungsbedürftig sind und die Strukturen eines Krankenhauses nicht benötigen sowie den entsprechenden Indikationskatalog der KVen erfüllen (z. B. immobile Patient*innen) –> aufsuchender Dienst der KVen
    • allen anderen Patient*innen –> verschiedene Versorgungspfade in der vertragsärztlichen Versorgung, deren Angebot aber sukzessive ausgebaut werden muss (v.a. Gewährleistung der vertragsärztlichen notdienstlichen Versorgung 24/7 auch außerhalb von INZ) sowie zeitnahe Terminvermittlung bei einem geeigneten Haus- oder Facharzt durch Servicenummer

Festlegung von INZ-Standorten

  • erforderliche Planungskriterien werden mit Empfehlungscharakter vom G-BA erarbeitet und müssen v.a. die Erreichbarkeit von INZ-Standorten und den Umfang der von einem Standort zu versorgenden regionalen Bevölkerung berücksichtigen
  • aus Sicht der DKG keine Einbindung von erweiterten Landesausschüssen (eLA) in die Planung, da diese nicht als zielführend angesehen wird, da eLA lediglich Erfahrungen mit Anzeigen für Teilnahmen an der Ambulanten Spezialärztlichen Versorgung (ASV), aber keine krankenhausplanerische Expertise vorweisen können
  • Empfehlungen des G-BA bilden dann die Grundlage für Bund-Länder-Rechtsverordnung (CAVE: Rechtsverordnung muss den Ländern angepasste Spielräume und eine nötige Flexibilität für Lösungen vor Ort ermöglichen)
  • bei der Festlegung von INZ ist vorhandenen, funktionierenden ambulanten Notfallstrukturen Vorrang zu gewähren (bereits etablierte Bereitschaftsdienst-, Notdienst- und Portalpraxen vorrangig in neue INZ-Struktur überführen)

ambulante Notfallbehandlung an Krankenhäusern ohne INZ-Status

  • weiterhin nicht vermeidbar, dass sich trotz verbesserter Patient*innensteuerung fußläufige Hilfesuchende an Krankenhäuser wenden werden, die im Rahmen der Standortplanung und -festlegung nicht den Status eines INZ erlangen
  • Krankenhäuser werden nicht von der ambulanten Notfallversorgung ausgeschlossen, sondern können auf Wunsch teilnehmen, da sich auch dort Patient*innen mit unmittelbarer Behandlungsbedürftigkeit vorstellen
  • viele dieser Krankenhäuser müssen ihre Notfallstrukturen – ganz unabhängig von INZ-Zuweisung – aufrechterhalten, da sie weiterhin für die stationäre Notfallversorgung zuständig & notwendig sind und werden schon daher weiterhin am gestuften G-BA-System teilnehmen müssen
  • Krankenhäuser müssen sowohl für unmittelbar stationär behandlungsbedürftige Fälle (z. B. schwere Unfälle) für den Rettungsdienst zur Verfügung stehen als auch bei Überlastung von nahe gelegenen INZ
  • all diese Fälle sind angemessen zu vergüten

Finanzierung von INZ-Standorten

  • Etablierung eines neuen, auskömmlichen und vor allem zielgerichteten Finanzierungsmodell für INZ und ihre Betreiber
  • Finanzierung des INZ erfolgt künftig im Rahmen eines auskömmlich kalkulierten, vom stationären Budget abzugrenzenden INZ-Budgets
  • INZ-Budgetkalkulation umfasst alle zu erwartenden Sach- und Personalkosten für die ambulante Versorgung von (Notfall-)Patient*innen sowie eine kostendeckende Finanzierung der für die ambulante Versorgung von Notfällen notwendigen Vorhaltungen im Rahmen des INZ (Grundlage sind die Festlegungen zur Ausstattung der INZ)
  • Finanzierung von INZ muss neben Betriebskosten zwingend auch Investitionskosten berücksichtigen (CAVE: Finanzierung von erforderlichen Investitionen für Etablierung und Ausbau von INZ über gesondert, außerhalb des zu kalkulierenden Budgets
  • ergänzend Fördermittel für den vertragsärztlichen Notdienst auch in den strukturellen Ausbau der INZ investieren

digitale Infrastruktur

  • Schaffung einer verlässlichen digitalen Infrastruktur, damit INZ die Empfehlung des Gesundheitsleitsystems und die zugehörigen Patient*innen- und Krankheitsdaten ohne Informationsverlust empfangen und übernehmen können
  • ggf. erforderliche digitale Fallübergabe innerhalb des INZ muss einheitliches Vorgehen gewährleisten (Vereinbarung über Schnittstelle zur digitalen Fallübergabe zw. DKG und KV)
  • Einbindung des Kompetenzzentrums für Interoperabilität im Gesundheitswesen (KIG) für die Spezifikationen für eine derart strukturierte, einheitliche und digitale Dokumentation und Kommunikation
  • Ermöglichung des Nachweises für die telefonische Kontaktaufnahme zur Leitstelle z. B. mittels eines Codes, der per SMS übermittelt wird, oder als Passphrase, die der Patient niederschreiben kann, für ambulante Notfallpatient*innen, die keine Digitaltechnik verwenden können oder wollen
  • bundesweit einheitliche Digitaltechnik in der Hand der Patient*innen bietet zusätzlich Chancen, Gesundheitssystemkompetenz mit erweiterter Sprachunterstützung zu verbreiten und dabei z.B. Informationen zum erwartbaren Behandlungsverlauf einschließlich Wartezeiten zu vermitteln

weitere wichtige Elemente

  • Notfallbehandlung von Patient*innen mit keinem oder ungeklärtem Versichertenstatus
    • umfassende Notfallreform muss auch die prekäre Vergütungssituation der Krankenhäuser bei der Notfallbehandlung Nichtversicherter einschließen
    • Änderung des § 25 SGB X: beim Erbringen von Leistungen im Eilfall, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, sind die angemessenen Aufwendungen, die während des gesamten Behandlungszeitraumes entstehen, zu erstatten, wenn sie nicht auf Grund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen sind
    • Änderung des § 6a AsylbLG: beim Erbringen von Leistungen im Eilfall, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 AsylbLG nicht zu erbringen gewesen wären, sind die angemessenen Aufwendungen, die während des gesamten Behandlungszeitraumes entstehen, zu erstatten, wenn sie nicht auf Grund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen sind
    • Ausnahme von dem in § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII geregelten Abtretungsverbot sollte gesetzlich erwogen werden (Abtretung des Sozialhilfeanspruchs des Patienten an das Krankenhaus zur Sicherung der entstehenden bzw. entstandenen Behandlungskosten ist aufgrund des in § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII geregelten Übertragungsverbots von der Rechtsprechung bislang abgelehnt worden)
  • Arzneimittelversorgung und Verordnungsrecht für Krankenhäuser
    • für die vertragsärztliche Arzneimittelversorgung von Patient*innen im Notfall steht das Notdienstnetz der öffentlichen Apotheken zur Verfügung (Pflicht, Patient*innen außerhalb der regulären Öffnungszeiten mit Medikamenten und apothekenpflichtigen Medizinprodukten zu versorgen)
    • neue Formen von öffentlichen Apotheken (z. B. sog. notdienstpraxisversorgende Apotheken am Standort des Krankenhauses) sind aus Sicht der Krankenhäuser nicht notwendig
    • Ergänzung der Versorgung mit Arzneimitteln, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln von Patient*innen in der ambulanten Notfallversorgung durch Krankenhäuser durch ein Verordnungsrecht von Krankenhausärzt*innen dringend notwendig
Published inPolitix by FOAMio

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