Spätestens in den Tagen vor der Wahl sowie am Wahltag selbst fliegen die Begriffe Umfrage, Prognose, Hochrechnung und Ergebnis durch die Gegend. Deswegen ist heute doch der perfekte Zeitpunkt, um hier mal ein bisschen für Klarheit zu sorgen.
Umfragen (Vorwahlbefragung)
Mit dem Begriff „Umfrage“ oder „Vorwahlbefragung“ wird die Wahlverhaltensabsicht zu einem bestimmten Zeitpunkt gemessen. Die meisten werden in diesem Zusammenhang wahrscheinlich sofort an die typischen „Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, wen würden Sie wählen“-Umfragen denken (auch umgangssprachlich „Sonntagsfrage“ genannt). Die Umfragen bieten also nur eine Momentaufnahme, denn in den Wochen vor Wahlen kann noch viel passieren und sich so die Meinung der Befragten noch einmal ändern. Darüber hinaus besteht die Problematik, dass die Zahlen sich im Bereich der Wahrscheinlichkeit bzw. Wahrscheinlichkeitsrechnung befinden, also nie eine 100 %ige Vorhersage ermöglichen, sondern immer eine sogenannte Fehlertoleranz zu berücksichtigen ist. Es sollte aber betont werden, dass die Mehrheit der Wähler*innen sich typischerweise kurzfristig entscheidet, welcher Partei sie ihre Stimme geben.
Von 1250 Befragten stimmen 40 % für eine Partei und die Fehlertoleranz beträgt 3 %, so liegt der Anteil der Partei bei allen Wahlberechtigten zwischen 37 – 43 %.
Für diese, meistens von Medien oder Parteien in Auftrag gegebenen und von Meinungsforschungsinstituten durchgeführten Umfragen werden i.d.R. 1000 – 2000 Personen zufällig ausgewählt und dann entweder telefonisch, schriftlich oder persönlich befragt. Diese Zufallsauswahl macht die Umfragen dann auch repräsentativ, eine kleine Stichprobe ermöglicht also Aussagen über eine wesentlich größere Gruppe. Was bei Umfragen wichtig zu betonen ist, ist, dass diese auch das Risiko haben, Nicht-Wahlberechtigte als Befragte zu berücksichtigen.
Prognose (Nachwahlbefragung)
Von den Umfragen (Vorwahlbefragungen) sind die Prognosen (Nachwahlbefragungen) abzugrenzen. Bei den Wahlprognosen werden die Wähler*innen direkt nach der Wahl, oftmals vor dem Wahllokal, bzgl. der persönlichen Stimmabgabe befragt („Exit Polls“). Die Ergebnisse der Nachwahlbefragungen kennen wir alle dann als Prognose um 18 Uhr im Fernsehen. Bei der Befragung direkt im Nachgang zur Stimmabgabe werden auch noch weitere sozialstatistische Merkmale wie zum Beispiel Bildung, Geschlecht, Alter, Beruf und Konfession erfasst, um eine bestmögliche Repräsentation und Bewertung unter anderen Gesichtspunkten zu ermöglichen. Im Unterschied zu Umfragen werden bei den Nachwahlbefragungen wirklich nur tatsächliche Wähler*innen befragt und zusätzlich besteht bei der Zeitspanne zwischen offizieller Stimmabgabe und Nachwahlbefragung eine hohe Sicherheit, sich noch richtig erinnern zu können, wen man gewählt hat. Zuletzt bilden die Nachwahlbefragungen noch besser das schlussendliche Wahlergebnis ab, da für diese erheblich mehr Menschen befragt werden (z.B. Wahl zur Hamburger Bürgerschaft 2020 Befragung von 15.537 Wähler*innen durch die Forschungsgruppe Wahlen).
Um die Prognosen auch wirklich repräsentativ zu machen, müssen einige Faktoren berücksichtigt werden. Zu den wichtigsten Faktoren gehören z.B.
- Briefwähler*innen
- Unionsanhänger*innen wählen eher morgens (vor dem Kirchgang; eher Konservative)
- Grünen-Wähler*innen wählen eher kurz vor Schließung der Wahllokale
- Auswahl der Befragungsstandorte (also das alle sozialen Gruppen abgebildet sind)
- keine oder falsche Antworten
Hochrechnung
Auch wenn die Zahlen der Prognosen erheblich sicherer sind als die Daten aus Umfragen, sollten die Prognosen trotzdem mit Vorsicht betrachtet werden. Erst mit den ersten Hochrechnungen, die dann auch die bereits ausgezählten Stimmen berücksichtigen, werden die Ergebnisse genauer, v.a. auch weil hier die Briefwahlstimmen ergänzt werden.
Im Unterschied zu den Umfragen und Prognosen bilden die Hochrechnungen das tatsächliche Wahlverhalten ab. Dafür werden einige Stimmbezirke (auch Briefwahlbezirke) vor der Wahl repräsentativ ausgewählt und dann nach der Wahl hochgerechnet. Die Auswahl dieser Stimmbezirke erfolgt so, dass sie in ihrer Gesamtheit das Ergebnis der vorangegangenen Wahl exakt abbilden. Bei sehr knappen Ergebnissen wie z.B. ein Kopf-an-Kopf-Rennen von zwei Parteien oder Kandidat*innen bleibt aber trotzdem nichts anderes übrig, als die vollständige Auszählung abzuwarten. Schlussendlich ist zu sagen, dass die Hochrechnungen von Hochrechnung zu Hochrechnung immer näher an das reale Endergebnis herankommen, da hier die fortlaufend neu bekanntgegebenen Zahlen mit berücksichtigt werden.
Wahlergebnis
Am Ende einer jeden Bundestagswahl steht das Endergebnis bzw. das endgültige Wahlergebnis, welches schlussendlich vom Bundeswahlausschuss auf Grundlage der Niederschriften aller Kreis- und Landeswahlausschüsse festgestellt wird. I.d.R. wird das endgültige Wahlergebnis für das gesamte Wahlgebiet ca. 3 Wochen nach dem Wahltag im Bundesanzeiger vom/von der Bundeswahlleiter*in veröffentlicht wird.
Vom endgültigen Wahlergebnis ist das vorläufige Wahlergebnis zu unterscheiden, welches nicht selten noch in der Wahlnacht vom/von der Bundeswahlleiter*in bekannt gegeben wird. Die Basis für das vorläufige Wahlergebnis bilden die Meldungen der Landeswahlleitungen, welche die Ergebnisse aller Wahlkreise im jeweiligen Wahlgebiet enthalten.
Quellen
- Die Bundeswahlleiterin. „Hintergrundinformation zur Bundestagswahl 2021: Prognose, Hochrechnung, Ergebnis“, 24. September 2021. https://www.bundeswahlleiterin.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2021/45_21_wahlbegriffe.html.
- Hahn, David. „Prognose, Hochrechnung und Ergebnis: Was ist der Unterschied?“ Südwest Presse, 4. Juni 2024. https://www.swp.de/panorama/prognose-hochrechnung-und-ergebnis-was-ist-der-unterschied-77299142.html.
- Heyer, Laura. „Umfragen, Prognosen, Hochrechnungen & Co.“ mitmischen.de – Dein Portal zum Deutschen Bundestag, 10. März 2021. https://www.mitmischen.de/archiv/umfragen-prognosen-hochrechnungen-co.
- Hilt, Sebastian. „FAQ: Wieso ARD und ZDF schon um 18 Uhr wissen, wie die Wahl ausgeht“. mdr.de, 26. August 2024. https://www.mdr.de/medien360g/medienwissen/faq-wahlen-prognose-hochrechnung-100.html.
- KI-Campus. „Was sind Prognosen und was können sie leisten?“ Zugegriffen 14. Januar 2025. https://ki-campus.org/node/382.
- Korte, Karl-Rudolf. „Prognosen, Hochrechnungen, Umfragen“. Bundeszentrale für politische Bildung, 1. Juli 2021. https://www.bpb.de/themen/politisches-system/wahlen-in-deutschland/335663/prognosen-hochrechnungen-umfragen/.
- mdr.de. „Landtagswahlen: So entstehen Prognose, Hochrechnungen und Ergebnis | MDR.DE“, 1. September 2024. https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wahlen/wahl-sachsen-thueringen-hochrechnung-ergebnis-prognose-infratest-100.html.
- Peuckert, Kai. „Prognose und Hochrechnungen – das ist der Unterschied“. NDR, 7. Mai 2022. https://www.ndr.de/ratgeber/medienkompetenz/Prognose-und-Hochrechnungen-das-ist-der-Unterschied,wahlforschung100.html.
- SWR. „Was sind die Unterschiede zwischen Vorwahlumfragen, Prognosen und Hochrechnungen?“, 23. Februar 2021. https://www.swr.de/unternehmen/artikel-wahlberichterstattung-umfragen-prognosen-hochrechnungen-100.html.
- wiwiweb.de. „Stichprobentheorie – Hochrechnung“. Zugegriffen 14. Januar 2025. https://www.wiwiweb.de/stichprobentheorie/hochrechnung.html.
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