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GenderEMed – Frauen und die Benachteiligung bei der Verkehrssicherheit

Jedes Jahr am 08. März findet der Internationale Weltfrauentag statt. Zurück geht der International Women’s Day (IWD) auf die Initiative sozialistischer Organisationen noch vor dem 1. Weltkrieg. Am 16. März 1977 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine UN-Resolution, welche den 8. März in allen Mitgliedstaaten zum „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“ ausrief.

In 28 Staaten der Welt ist der Weltfrauentag darüber hinaus sogar ein gesetzlicher Feiertag, hierzu gehört indirekt auch Deutschland, da der Weltfrauentag in Berlin und „Meck-Pomm“ ein gesetzl. Feiertag ist.

Der diesjährige Internationale Frauentag steht unter dem Motto “Gemeinsam vorwärts!“ bzw. „Move Forward for Gender Equality!“ und passend dazu geht es auch bei FOAMio heute in der Rubrik „GenderEMed“ um mehr Gleichberechtigung für Frauen, und zwar im Straßen- bzw. Autoverkehr!

Was ist das Problem?

Ver­let­zungs­ri­siko von Insas­sen bei Pkw-Unfäl­len – wer ist beson­ders gefähr­det?“ – so lautet der Titel einer gemeinsamen Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) aus dem jahr 2024, welche Daten der GIDAS-Unfallforschung (German In-Depth Accident Study) aus den Erhebungsjahren 2000 – 2019 untersucht. Nicht nur diese Arbeit konnte zeigen, dass Frauen bei Autounfällen ein höheres Verletzungsrisiko haben als Männer. Ergebnisse aus den GIDAS-Daten waren u.a.:

  • Frauen häufiger Verletzungen der unteren Extremitäten (Männer mehr Thorax-Trauma; vermutlich bedingt durch die kleinere Körpergröße)
  • Frauen sitzen häufiger auf dem Beifahrer*innensitz und Pkw-Beifahrerinnen haben mehr Thorax- & Abdomenverletzungen sowie Traumata der oberer Extremitäten als Pkw-Beifahrer
  • Beifahrende haben bei einem Frontalanprall ein knapp 50 % höherem Risiko, sich mäßig schwer bis kritisch zu verletzen, als Fahrende
  • Beifahrerinnen haben bei Frontalanprall knapp 90 % höheres Risiko, sich mäßig schwer bis kritisch zu verletzten, als männliche Beifahrer
  • Frauen sind häufiger Insassen in Kleinwagen und seltener in größeren Fahrzeugen als Männer
  • Risiko für i.d.R. geringfügige Verletzungen (HWS-Distorsionen) für Frauen beim Heckanprall doppelt so hoch wie für Männer

In weiteren Untersuchungen aus verschiedenen Ländern wie den USA, aber auch aus Österreich, konnten ebenfalls zeigen das Frauen in Sachen Verkehrssicherheit beim Autounfall benachteiligt sind. Hier sind z.B. die nachfolgenden Ergebnisse zu nennen:

  • Frauen sind oft Opfer männlichen Fehlverhaltens im Straßenverkehr, z.B. als Beifahrerinnen (Quelle: Kuratoriums für Verkehrssicherheit Österreich, KFV)
  • Frauen schätzen Kurven, Dunkelheit und hohe Geschwindigkeit gefährlicher ein und halten sich beim Alkoholkonsum eher zurück
  • Frauen verletzen sich bei Auffahr-Unfällen schwerer und öfter als Männer, z.B. 3x so hohe Gefahr für ein Schleudertrauma als bei Männern (Jonsson 2008)
  • Frauen haben ein bis 71 % höheres Risiko bei Autounfällen Verletzungen zu erleiden als Männer (Bose, Segui-Gomez, und Crandall 2011)
  • Frauen haben ein bis 47 % höheres Risiko bei Autounfällen schwere oder tödliche Verletzungen zu erleiden als Männer (Bose, Segui-Gomez, und Crandall 2011)
  • Mortalitätrisiko für Frauen beim Autounfall in den Modelljahren 1960 bis 2009 18,3 %, in den Modelljahren 2010 bis 2020 6,3 % und in den Modelljahren 2015 bis 2020 2,9 % höher als bei Männern (NHTSA)
  • Frauen haben bis zu 22 % häufiger Kopfverletzungen auf dem Beifahrer*innensitz
  • Männer haben bis zu 70 % weniger häufig ein Schleudertrauma als Frauen

Die Ursachen für diese Benachteiligung sind multifaktoriell und zu den relevantesten Ursachen gehören u.a. die fehlende Abbildung von Frauen bei Crash-Tests mit Dummies, aber auch der einfach und schlichte Fakt, dass Frauen z.B. aufgrund ihrer Körpergröße und ihrem Körperbau anders in Fahrzeugen sitzen als Männer (bspw. näheres Sitzen am Lenkrad, Gewebe von Frauen ist im Nacken weniger belastbar).

Was sind Lösungsansätze?

Die UDV und die MHH kommen in ihrer Arbeit „Ver­let­zungs­ri­siko von Insas­sen bei Pkw-Unfäl­len – wer ist beson­ders gefähr­det?“ zu den folgenden „Empfehlung für mehr Verkehrssicherheit“:

  • Verbesserung von Sensorik und Erkennung bevorstehender Kollisionen, damit Rückhaltesysteme adaptiver („intelligenter“) werden und je nach mutmaßlicher Anprallschwere, Alter und Größe des Insassen unterschiedlich arbeiten, um Crashbelastungen auf den Körper zu minimieren
  • Insassenschutz auf Beifahrersitz (Verletzungsmechanismen besser erforschen, Maßnahmen für Rückhaltesysteme ableiten)
  • „THOR-Dummy“ in Frontalcrashs bei Zulassungs- und Verbrauchertests forciert einsetzen (bessere Nachbildung von Thorax, Extremitäten etc.) & Grenzwerte für Ältere festlegen
  • Ergonomie für kleine Fahrende verbessern, kein Kontakt der Beine mit Instrumententafel (Pedalerie, Lenkrad und Bedienelemente auf Körpergröße individuell einstellbar)
  • existierende „Unisex“-Dummys für Frontal- und Seitenanprall sind geeignet beide Geschlechter abzubilden (mit verschiedenen Größen repräsentieren sie durchschnittlich große, aber auch sehr kleine Menschen; weiterer Dummy mit Maßen einer durchschnittlich großen Frau verspricht keine Verbesserungen)
  • weiterer Dummy mit Maßen einer durchschnittlich großen Frau für Heckanprall sinnvoll, wenn über physikalische Messgrößen und Grenzwerte für HWS-Verletzungen wissenschaftlicher Konsens hergestellt ist

Verbesserte Crash-Test-Dummies als eine mögliche Lösung?

Die sogenannte General Safety Regulation (GSR; „Allgemeine Sicherheitsverordnung“), genauer die UN-Regelung 137 der Europäischen Wirtschaftskommission UNECE, schreibt vor, dass Tests mit dem 50-Perzentil-Mann und der 5-Perzentil-Frau (1,51 m und 49 kg) zu erfolgen haben, jedoch nicht mit einem Crash-Test-Dummy der die Kriterien der 50-Perzentil-Frau erfüllt.

Der 50-Prozent-Mann bzw. 50-Perzentil-Mann als Crash-Test-Dummy ist der weltweit am häufigsten eingesetzte Crash-Test-Dummy und erfüllt die folgenden Maße: 30 Jahre alt, 1,75 Meter groß und 78 kg schwer. Daraus ergibt sich, dass Menschen, welche unter diesen Zahlen liegen, sehr wahrscheinlich nicht so gut geschützt sind, was v.a. Frauen betrifft. Kurz und knapp kann man(n) also sagen, dass Männer als der Maßstab für alle Autofahrer*innen sind.

Quelle: https://www.auto-motor-und-sport.de/verkehr/erster-weiblicher-crashtest-dummy-eva-astrid-linder-vti-schweden/

Seit einigen Jahren tut sich aber einiges auf dem Crash-Test-Dummy-Markt, z.B. durch Projekte wie „EVA“ des Automobilherstellers Volvo gemeinsam mit der Technischen Universität Chalmers in Göteborg und dem schwedischen Straßen- & Verkehrs-Forschungs-Institut VTI. Der Crash-Test-Dummy „EVA“ (EvaRID) wurde federführend von Astrid Linder entwickelt, die sich über die problematischen UNECE-Vorgaben wunderte, und ist 1,62 Meter groß und wiegt 62 kg. Darüber hinaus ist der Körper des Dummies völlig anders geformt im Sinne des weiblichen Körpers (z.B. komplett anderer Schwerpunkt, da u.a. Hüften und Becken unterschiedlich ausgeprägt sind und ein anderer Torso- und Muskelaufbau berücksichtigt sind).

EXKURS – Was sind Perzentile?
Ein Perzentil bezeichnet den sogenannten Prozentrang zur Aufteilung einer Größe in 100 gleiche Teile, also ist z.B. die Türhöhe so gestaltet, dass sie vom 5. Perzentil bis zum 95. Perzentil aller Menschen gut benutzbar ist

Quellen

Published inGenderEMedWelttag...

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