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Leitlinie „Diagnosis of Thoracic Aortic Dissection in the Emergency Department“ des RCEM

veröffentlichende Fachgesellschaft: Royal College of Emergency Medicine (RCEM)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 26.03.2025
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://rcem.ac.uk/clinical-guidelines/

Grundsätzliches

  • Schätzungen zur Inzidenz der thorakalen Aortendissektion (TAD) liegen bei 4,5 – 7 pro 100.000
  • TAD ist eine relativ seltene Ursache für Brustschmerzen (ACS ist 100 – 200 Mal häufiger)
  • TAD hat eine Sterblichkeitsrate von 27 % im Krankenhaus
  • Schwierigkeit, eine TAD zu diagnostizieren, wird durch relativ hohe Anzahl atypischer Erscheinungsformen noch verstärkt –> von den Patient*innen, die sich mit Symptomen vorstellen, die auf eine Aortendissektion hindeuten könnten, erhalten nur 0,3 % tatsächlich die Diagnose
  • typische Symptomatik
    • klassische Beschreibung der TAD-Schmerzsymptomatik: reißender Schmerz im Bereich zwischen den Schulterblättern, welcher plötzlich auftritt und initial am stärksten ist
    • Brustschmerz allein oder in Kombination mit Rückenschmerzen, Synkopen oder neu auftretenden neurologischen Defiziten möglich
    • weitere Symptome sind u.a. Pulsdefizite, Aortenregurgitation, Blutdruckdifferenzen an beiden Armen, unerklärliche Hypotonie oder häufig keine spezifischen klinischen Anzeichen

Empfehlungen

  • medizinisches Personal in der Notaufnahme sollen bzgl. der Schwierigkeiten beim Ausschluss der Diagnose einer thorakalen Aortendissektion (TAD) sowie den regionalen/örtlichen Behandlungsstandards geschult werden (CAVE: Aufklärung über die Fallstricke bei der Präsentation und Diagnose ist der Schlüssel zur Sensibilisierung)
  • Vereinbarung mit der Radiologie treffen bzgl. Protokollen für die Anforderung von CT-Aortogrammen bei Verdacht auf eine thorakale Aortendissektion
  • thorakale Aortendissektion ist ein zeitkritischer Notfall, und die Notaufnahme muss in der Lage sein, 24/7 schnell ein CT-Angiographie (CT-A) als Diagnostik der 1. Wahl zu realisieren
  • alle Notaufnahmen sollten über ein lokales Protokoll bzw. eine lokale SOP verfügen, in dem alle relevanten Maßnahmen abgebildet sind, v.a. Blutdrucktherapie und Überweisungsablauf an geeignete Klinik
  • direktes CT-A bei Patient*innen mit „klassischer“ Aortendissektion-Anamnese mit plötzlich auftretenden starken „reißenden“ Schmerzen, v.a. in Verbindung mit Zeichen einer kardiovaskulären Beeinträchtigung (CAVE: D-Dimer-Ergebnisse nicht abwarten)
  • bei Patient*innen, die sich mit Brustschmerz vorstellen, CT-A durchführen, wenn eines der unten aufgeführten Hochrisikomerkmale vorliegt, v.a. in Ermangelung einer alternativen Diagnose (z. B. akuter Myokardinfarkt, Pneumothorax, Lungenembolie)
  • bei mehr als einem Hochrisikomerkmal ODER einer schon bekannten Aortenerkrankung CT-A der gesamten Aorta durchführen

Risikofaktoren

  • Hypertonie
  • Kollagenosen
  • Marfan-Syndrom, Ehler-Danlos
  • entzündliche Vaskulitis
  • Riesenzellarteriitis, Takayasu-Arteriitis, rheumatoide Arthritis
  • strukturelle Anomalien der Aorta oder Aorten-OP in der Vorgeschichte
  • Herzkatheteruntersuchung, Klappenersatz, Aortenisthmusstenose
  • Schwangerschaft
  • männliches Geschlecht
  • fortgeschrittenes Alter

Komplikationen

  • Myokardischämie
  • Hämatoperikard
  • Nierenversagen
  • Aortenruptur
  • Schlaganfall
  • Herzinsuffizienz
  • Hämotothorax
  • Mesenterialinfarkt
  • Extremitätenischämie
  • Querschnittslähmung

Diagnostik

  • bei ADD-RS ≥ 1 UND D-Dimer > 500 ng/mL EKG-gesteuerte CT-A veranlassen

Auffälligkeiten beim Thorax-Röntgen, die auf TAD hindeuten

  • verbreitertes Mediastinum > 8 cm auf PA-Aufnahme (posterior-anterior)
  • verdeckter Aortenknorpel
  • „Ring-Sign/Ringzeichen“ (Verschiebung der Aorta um mehr als 5 mm über die verkalkte Aortenintima hinaus)
  • Pleuraerguss
  • Pleurakuppenschwiele (Flüssigkeit im Scheitelpunkt des Hemi-Thorax)
  • Verlegung der Luftröhre und des linken Hauptbronchus

Aortic Dissection Detection Risk Score (ADD-RS)

pro Kategorie wird max. 1 Punkt –> bei ADD-RS ≤1 besteht niedriges bis mittleres Risiko ODER bei ADD-RS >1 besteht ein hohes Risiko

  • anamnestische Hochrisikofaktoren
    • Marfan-Syndrom bzw. andere Bindegewebserkrankungen
    • positive Familienanamnese bzgl. Aortenerkrankung
    • bekannte Aortenklappenerkrankung
    • bekanntes thorakales Aortenaneurysma
    • vorangegangene Intervention/Operation im Bereich der Aorta /des Herzens
  • Hochrisikosymptome
    • Schmerzen im Bereich der Brust, des Rückens und/oder des Abdomens PLUS eines oder mehrere der folgenden Charakteristika
      • abrupter Beginn der Schmerzen
      • hohe Schmerzintensität
      • als „zerreißend“ empfundene Schmerzen
  • Hochrisikobefunde
    • Nachweis eines Perfusionsdefizits: Pulsdefizit, Seitendifferenz bzw. Differenz der oberen und unteren Körperhälfte beim RRsys (>20mmHg) oder fokal neurologisches Defizit im Zusammenhang mit typischem Schmerz
    • neu aufgetretenes Aortenregurgitationsgeräusch mit p.m. über dem Erb-Punkt: Hypotonie bzw. Schock

(CAVE: ADD-RS sollte NICHT bei allen Patient*innen mit Brustschmerzen anwenden, sondern nur bei solchen, bei denen eine TAD als mögliche Diagnose in Frage kommt

Published inLeitlinien kompakt

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