veröffentlichende Fachgesellschaft: Irish Association for Emergency Medicine (IAEM)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 01.09.2025
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://iaem.ie/professional/clinical-guidelines/
Anamnese
- Ätiologie lässt sich oft durch gründliche Schmerzanamnese und der damit verbundenen Symptome bestimmen
- bei Anamnese das Alter berücksichtigen, da Jugendliche häufiger muskuloskelettale oder idiopathische Schmerzen haben, während Kleinkinder eine Vielzahl von Symptomen als Schmerzen interpretieren können
- bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren sofortige Untersuchung und Therapie aufgrund der erhöhten Wahrscheinlichkeit potenziell schwerwiegender Ursachen
- schweres Trauma
- Belastungskomponente/Synkope
- Hyperkoagulopathie
- Kokain- oder Stimulanzienkonsum
- Bindegewebserkrankungen in der Vorgeschichte
- Sichelzellenanämie
Diagnostik
- EKG-Diagnostik
- EKG-Diagnostik bei allen Patient*innen mit Brustschmerzen
- abnormale EKG-Befunde bei Patient*innen mit Brustschmerzen
- ST-Streckenhebung oder -senkung –> Myokarditis/Myokardischämie
- sattelartige ST-Streckenhebung –> Perikarditis
- Sinustachykardie –> Lungenembolie. Myoperikarditis
- QRS-Komplex mit Niedervoltage –> Perikarderguss aufgrund von Infektion, Entzündung oder Trauma
- Indikationen für Röntgen-Thorax
- Husten, Fieber mit Anzeichen einer Pneumonie/Pleuraerguss bei Auskultation
- abnorme Herzauskultation, z. B. neues Herzgeräusch, gedämpfte Herztöne
- klinischer Verdacht auf Pneumothorax/Hämothorax
- neu auftretende Atemnot mit pleuritischem Brustschmerz
- neu auftretende Belastungsdyspnoe mit Brustschmerzen
- Vorgeschichte von erhöhtem Speichelfluss oder Fremdkörpers-Ingestion (seitliche Röntgenaufnahme des Halses und ggf. auch des Abdomens)
- Labordiagnostik
- Labordiagnostik i.d.R. nicht hilfreich, um die Ursache für Brustschmerzen bei Kindern zu bestimmen
- unter bestimmten Umständen sinnvoll, wenn Erkrankungen wie Myokardischämie, Lungenembolie, Myokarditis, Perikarditis, Pneumonie oder Pankreatitis vermutet wird
- Nutzen der Labordiagnostik hängt von Anamnese, Untersuchung und ggf. spezifischen Befunden im EKG oder Röntgen-Thorax ab
Differenzialdiagnosen
- muskuloskelettale Beschwerden (24 – 56 %)
- idiopathische Beschwerden (12 – 52 %)
- respiratorische Beschwerden wie Husten, Bronchospasmus, Pneumonie / Pneumothorax / Lungenembolie (7 – 20 %)
- andere Differenzialdiagnosen wie Herpes Zoster, Sicherzellkrise, Tumore (4 – 11 %)
- gastrointestinale Beschwerden wie Sodbrennen, Ösophagitis, Magengeschwür (3 – 6 %)
- nicht-organische Beschwerden wie Angstzustände oder Hyperventilation (1 – 9 %)
- kardiale Beschwerden wie Perikarditis/Myokarditis, Arrhythmien, Myokardischämie (0,6 – 1 %)
Therapie für spezifische Ätiologien
kardiale Pathologien
- Herzerkrankung ist wahrscheinlicher, wenn Brustschmerzen bei Anstrengung auftreten, zu einer Synkope führen oder wiederholt auftreten
- weiteren Maßnahmen richten sich nach endgültiger Diagnose
- meiste pädiatrische Patient*innen mit Brustschmerzen benötigen keine weitere Behandlung, sollten aber die folgenden Risikofaktoren vorliegen, Einweisung oder Überweisung an kardiologische Ambulanz erwägen
- folgenden Erkrankungen erfordern Konsultation der Pädiatrie +/- Kardiologie:
- belastungsbedingte Brustschmerzen
- belastungsinduzierte Synkope oder Präsynkope
- anormales EKG
- potenziell vererbte Herzerkrankung
- anormale kardiovaskuläre Untersuchung
Thorax und Brustwandschmerzen
- muskoloskelletale oder Brustwandschmerzen sind die häufigste Ursache für Brustschmerzen bei Kindern und Jugendlichen (geschätzte Prävalenz zw. 15 – 31 %)
- Behandlung von muskuloskelettalen Schmerzen umfasst Beruhigung, kurze Ruhepause und Analgesie
- Aufklärung der Patient*innen über Gutartigkeit der Erkrankung trägt dazu bei, die Besorgnis über die Brustschmerzen zu verringern
- Verschreibung von NSAR und Empfehlung für warmer Kompressen für den betroffenen Bereich als hilfreiche Behandlungsstrategie
respiratorische Beschwerden
- reversible Atemwegserkrankung kann sich zunächst als Brustschmerzen äußern
- gründliche Anamnese, bei der eine familiäre Vorbelastung mit Atopie, Atemnot bei körperlicher Anstrengung, Belastungshusten oder Episoden von Keuchen festgestellt wird, kann auf Asthma die Ursache für die Brustschmerzen hindeuten
- weitere respiratorische Ursachen für Brustschmerzen, die in Betracht gezogen werden sollten, sind Pneumothorax, Infektionen der unteren Atemwege, Fremdkörper und Lungenembolie
GI-Beschwerden
- in Fällen, in denen die Schmerzen mit dem Essen zusammenhängen oder andere Symptome eines Reflux vorliegen, gastrointestinale Ursache wie GORD, Gastritis oder Ösophagitis in Betracht ziehen sollte bei der klinischen Untersuchung auf das Vorliegen von Reflux- oder Sodbrennen-Symptomen abfragen, da diese für die Diagnose einer GORD recht spezifisch sein können
- bei Druckempfindlichkeit des Abdomens sollte je nach Anamnese eine Pathologie wie Gallenerkrankung oder Pankreatitis in Betracht gezogen werden
nicht-organische Beschwerden
- Brustschmerzen können gelegentlich durch Angstzustände verursacht werden, die durch aktuelle Stressfaktoren im persönlichen oder familiären Leben ausgelöst werden
- gehen oft mit anderen somatischen Beschwerden und Schlafstörungen einher
- unwahrscheinlich, dass eine ernsthafte Erkrankung vorliegt –> keine weiteren Untersuchungen erforderlich
- Beruhigung und Stressabbau fördern
- bei Bedenken hinsichtlich Selbstverletzung oder Suizidabsichten dringende psychiatrische Untersuchung
sonstige Beschwerden
- Herpes-Zoster-Infektion (Gürtelrose)
- thorakale Herpes-Zoster-Infektion kann mit starken Brustschmerzen einhergehen
- Brustschmerz durch Herpes-Zoster-Infektion tritt i.d.R. dermatomal auf und kann dem Hautausschlag um einige Tage vorausgehen
- Schmerzen entsprechend behandeln und weitere Untersuchungen empfehlen, falls in den folgenden Tagen ein Hautausschlag auftritt
- Kompression des Rückenmarks
- Kinder mit Wirbelsäulendeformierung, inkl. Skoliose, sind anfällig für Kompression der Nervenwurzeln oder des Rückenmarks
- ggf. Brustschmerzen als erstes Symptom
- Patient*innen zur weiteren Untersuchung und Behandlung an Orthopädie verweisen
- COVID-19-Impfung und Brustschmerzen
- weltweit wurde eine über die erwartete Bevölkerungsrate hinausgehende Zunahme von Fällen von Myokarditis und Perikarditis bei Personen gemeldet, die mRNA-COVID-19-Impfstoffe (Comirnaty™/BioNTech/Pfizer und Spikevax/Moderna) erhalten haben
- Fälle treten i.d.R. nach der 2. Dosis eines mRNA-COVID-19-Impfstoffs und innerhalb von 0 – 14 d nach Impfung auf
- Myokarditis oder Perikarditis in Betracht ziehen bei jedem Kind, das neu auftretende Atemnot, Herzklopfen und akute Brustschmerzen hat und kürzlich eine Dosis eines mRNA-COVID-19-Impfstoffs erhalten hat, eine Myokarditis oder Perikarditis in Betracht ziehen
- EKG und Troponin-Test
- bei auffälligen Befunden oder bei normalen Befunden mit hohem klinischem Verdacht Fall mit Kardiologie besprechen
- bei geringem Verdacht und normalen Untersuchungsergebnissen Kind an Hausarzt überweisen
Algorithmus



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