Zum Inhalt springen

Leitlinie „Headache – Emergency management in children“ des CHQ (Update 2024)

veröffentlichende Fachgesellschaft: Queensland Hospital and Health Service
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 20.03.2024
Ablaufdatum: 14.03.2028
Quelle/Quelllink: https://www.childrens.health.qld.gov.au/for-health-professionals/queensland-paediatric-emergency-care-qpec/queensland-paediatric-clinical-guidelines/headache

Grundsätzliches

  • Einteilung in primäre (ca. 40 %) und sekundäre Kopfschmerzerkrankungen (ca. 60 %)
  • Kopfschmerzen können auch Ausdruck einer zugrundeliegenden psychischen Erkrankung (z.B. Drogenmissbrauch oder psychosozialen Probleme)
  • Kopfschmerzen machen ca. 1 % aller Aufnahmen in Kindernotaufnahmen aus
  • schwerwiegende Grunderkrankungen in 7 – 15 % der pädiatrischen Kopfschmerzfälle
  • Kopfschmerzen bei Kindern erreichen Höhepunkt im Alter von ca. 11 – 13 Jahren, wobei Migräne und Spannungskopfschmerzen die vorherrschenden Formen sind
  • Kopfschmerz stellt keinen effektiven Schmerz des Gehirns, der Hirnhäute oder des Schädels dar, da diese Strukturen keine Nozizeption besitzen
  • Schmerzwahrnehmung geht von Blutgefäßen (intra-/extrakraniell), Hirn- & Spinalnerven, Gesichts-, Schädel- & Nackenmuskulatur sowie anderen Schädelstrukturen aus (Zähne, Nebenhöhlen und Ohren)

Einteilung

primäre Kopfschmerzerkrankungen

  • Kopfschmerzen vom Spannungstyp
    • typischerweise beidseitig lokalisierte, dumpfe/bandförmige, leicht- bis mittelschwere Kopfschmerzen
    • Episodendauer von 30 min bis 7 d
    • keine Verschlimmerung durch Anstrengung
    • häufigste Kopfschmerzart, die Patient*innen aller Altersgruppen betrifft
  • Migräne mit Aura
    • min. 2 der folgenden Symptome
      • bilaterale oder unilaterale Lokalisation
      • pulsierend
      • mäßige bis starke Schmerzen
      • Verschlimmerung bei Aktivität
    • min. ein Begleitsymptom wie Übelkeit, Erbrechen, Photo- und/oder Phonophobie
    • Episodendauer von 1 – 48 h
    • am häufigsten im Alter von etwa 15 Jahren (Beginn im Alter von 7 Jahren bei Jungen, 11 Jahren bei Mädchen)
    • Prävalenz von 3 % im Alter von 3 – 7 Jahren, 4 – 11 % im Alter von 7 – 11 Jahren und 8 – 23 % über 11 Jahre
    • Besonderheiten der komplizierten Migräne
      • Migräne mit Hirnstammaura: ein- oder beidseitige Aura, gekennzeichnet durch Schwindel, Ataxie, Nystagmus, Dysarthrie, Tinnitus/Hyperakusis, beidseitige Parasthesien, Diplopie oder Sehstörungen (keine motor. Schwäche & begleitender Kopfschmerz häufig okzipital)
      • Migräne mit Konfusion: Migräne, gekennzeichnet durch veränderten Bewusstseinszustand, der häufig mit Aphasie oder Sprachstörungen einhergeht und von Kopfschmerz begleitet wird
      • hemiplegische Migräne: seltene Migräneform, welche Aura mit motorischer Schwäche beinhaltet und durch anhaltende Hemiplegie, visuelle Symptome, Taubheit, Aphasie und Verwirrtheit gekennzeichnet ist
  • Migräne ohne Aura
    • Aura (Wahrnehmungsstörung, die Kopfschmerzen vorausgeht), z.B. Sehstörungen (z.B. Flimmern, Lichtschimmer, verschwommenes Sehen, blinde Flecken), Geruchsstörungen sowie Parästhesien in den Händen/im Gesicht
    • Auren können Sekunden bis zu einer Stunde vor Einsetzen der Kopfschmerzen auftreten
  • Cluster-Kopfschmerzen
    • typischerweise 5 oder mehr Episoden tgl. (Range von einer Episode alle 2 d bis 8 Episoden an einem Tag)
    • starker, stechender Schmerz auf einer Kopfseite
    • zusätzlich autonome Symptome auf Schmerzseite (verstopfte Nase, Rhinorrhoe, Tränenfluss, Bindehautinjektion, Horner-Syndrom)
    • Episodendauer: 15 min bis 3 h
    • selten bei Kindern < 12 Jahre

sekundäre Kopfschmerzerkrankungen

  • erhöhter ICP
    • progressive Kopfschmerzen, oftmals verursacht durch nächtliches Erwachen, welche sich bei Bewegung und Valsalva-Manövern verschlimmern, mit anhaltendem Erbrechen und/oder neurologischen Defiziten (Lethargie & Persönlichkeits-/Verhaltensveränderungen) einhergehen
    • spezifische körperliche Symptome sind Gang-/Koordinationsstörungen, Papillenödem, abnorme externe Augenbewegungen und Pupillenreaktionen (Lähmungen des 3., 4. und 6. Hirnnervs)
    • Cushings-Trias stellt spätes Phänomen dar (RR, Bradykardie und Atemdepression)
  • intrakranielle Infektion
    • Kopfschmerz geht mit Fieber, verändertem Bewusstsein, Nackensteifigkeit, Photophobie, Übelkeit/Erbrechen, Schmerzen bei Augenbewegungen und neurologischen Defiziten einher
    • häufiger bei Kindern, die immunsupprimiert sind oder VP-Shunt haben
  • Hirnblutung
    • „Donnerschlag“-Kopfschmerz als klassisches Merkmal sowie typischerweise zusätzlich neurologische Auffälligkeiten
    • Risikofaktoren sind angeborene Herzerkrankung, AV-Fehlbildungen, Sepsis, Gerinnungsstörung, Hirntumor, Meningitis, Leukämie, Autoimmunerkrankung und Sichelzellenanämie
  • Trauma
    • posttraumatische Kopfschmerzen treten innerhalb einer Woche nach Verletzung auf
    • gehen oft mit weiteren Symptomen wie Schlaf-, Gleichgewichts-, kognitive und Stimmungsschwankungen einher
  • ischämischer Schlaganfall
    • Kopfschmerz in Verbindung mit plötzlichem Auftreten einseitiger neurologischer Symptome, die anhalten und nicht auf die andere Seite ausstrahlen/wandern
  • venöse Thrombose
    • seltene Kopfschmerzursache mit schleichendem Beginn, i.d.R. mit Kopf-/Halsinfektion, schwerer Dehydratation oder prothrombotischen Zuständen sowie Sehstörungen oder fokaler Schwäche
    • Risikofaktoren sind Arteriopathien (z.B. Moya-Moya, Sichelzellenanämie), Herzerkrankungen (PFO, Arrythmie, angeborene/erworbene Herzerkrankungen), chronische Kopf- & Halserkrankungen, inkl. Tumor, Sepsis, genetische & metabolische Erkrankungen (z.B. Trisomie 21, mitochondriale Erkrankungen)
  • sonstige sekundäre Kopfschmerzerkrankungen/-ursachen
    • Erkrankungen des Gesichts & der Augen (inkl. Glaukom, Sehnervenentzündung, Kiefergelenksdysfunktion, Karies/Abszess und Sinusitis) sowie Bluthochdruck

Anamnese

  • Schmerzanamnese (inkl. Art, Intensität, Dauer & Auswirkungen auf normale Aktivitäten, sowie verschlimmernde/lindernde Faktoren)
  • neurologische & systemische Symptome
  • medizinische Vorgeschichte (inkl. Immunschwäche, Kopfverletzungen, Tumorerkrankungen)
  • chirurgische Vorgeschichte (inkl. VP-Shunt)
  • Familienanamnese (v.a. Migräneanamnese)
  • Medikamente (inkl. Art, Dosis und Häufigkeit der Kopfschmerzmedikamente)
  • Impfungen

Diagnostik

  • gründliche neurologische & körperliche Untersuchung (inkl. Gangbild, Koordination, äußere Augenbewegungen, Gesichtsfeld sowie Fundoskopie)
  • Erhebung Vitalparameter, v.a. RR
  • Beurteilung der Entwicklungsfortschritte und des Wachstums

Red Flags

  • sich verschlimmernde Kopfschmerzen mit Fieber
  • plötzlich einsetzender Kopfschmerz, der innerhalb von 5 min max. Intensität erreicht
  • neu aufgetretene neurologische Defizite (vorübergehend oder anhaltend)
  • neu aufgetretene kognitive Störungen oder Persönlichkeitsveränderungen
  • Bewusstseinsstörungen
  • Kopftrauma in den letzten 3 Monaten
  • Kopfschmerz ausgelöst durch Husten oder Niesen (Valsalva)
  • Kopfschmerz, der nächtliches Erwachen verursacht
  • Kopfschmerz am frühen Morgen mit/ohne Erbrechen
  • Kopfschmerz ausgelöst durch Bewegung
  • Kopfschmerz, der sich mit Körperhaltung ändert
  • klinische Anzeichen eines Glaukoms
  • signifikante Veränderung der Kopfschmerzcharakteristika
  • atypische Aura
  • Immunschwäche (z.B. HIV, Immunsuppressiva-Einnahme)
  • Vorgeschichte bzgl. Krebserkrankungen
  • Erbrechen ohne andere offensichtliche Ursache

Therapie

primäre Kopfschmerzerkrankungen

  • keine Opiate bei akuten primären Kopfschmerzen
  • einfache Analgesie als empfohlene First-Line-Therapie für alle primären Kopfschmerzen
    • 15 mg/kg Paracetamol oral bis max. 1 g alle 4 h (max. 4 Dosen in 24 h)
    • 10 mg/kg Ibuprofen oral bis max. 400 mg alle 6 – 8 h (max. 3 Dosen innerhalb von 24 h)
  • 0,15 mg/kg Ondansetron oral bei Kindern mit Erbrechen erwägen (max. 8 mg; CAVE: verlängerte QTc)

Migräne

  • Kinder < 6 Jahre: einfache Analgesie sowie 0,15 mg Prochlorperazin langsam i.v. über 2 – 5 min (max. 12,5 mg), gefolgt von 20 mL/kg NaCl 0,9 % bis max. 1 L/h, ODER 0,25 mg/kg Chlorpromazin in 10 – 20 mL NaCl 0,9 % bis max. 1 L über 30 min ODER 0,1 – 0,15 mg/kg Metoclopramid über 3 min (max. 10 mg)
  • Kinder > 6 Jahre: einfache Analgesie sowie 10 – 20 mg Sumatriptan i.n. in ein Nasenloch (ggf. Wdh. nach 2 h)
  • 0,02 mg/kg BenzAtropine i.m./i.v. bei akuter Dystonie, ggf. Wdh. nach 15 min (max. 1 mg)
  • 0,04 – 0,2 mg/kg Diazepam alle 8 -12 h bei akuter Akathisie (max. 2 – 10 mg)
Published inLeitlinien kompakt

Sei der Erste der einen Kommentar abgibt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert