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Leitlinie „Management of Variceal Upper Gastrointestinal Bleeding in the Emergency Department“ der IAEM

veröffentlichende Fachgesellschaft: Irish Association for Emergency Medicine (IAEM)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 28.02.2025
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://iaem.ie/professional/clinical-guidelines/

Grundsätzliches

  • Varizenblutung = Blutung aus einer Ösophagus- oder Magenvarize oder das Vorhandensein großer Ösophagusvarizen mit Zeichen einer kürzlichen Blutung (z.B. „cherry spots“ und „red whales“), ohne dass eine andere Blutungsursache festgestellt wurde
  • Varizenblutungen sind mit erheblicher Mortalität assoziiert (6-Wochen-Mortalität bei erster Varizenblutung von bis zu 20 %; Mortalität steigt bei dekompensierter Leberzirrhose, die mit Aszites oder hepatischer Enzephalopathie einhergeht)
  • prädisponierende bzw. Risikofaktoren sind noch immer unklar (wichtigste assoziierte Faktoren für Varizenblutung sind erhöhter Druck in der Varize, Varizengröße, Spannung an der Varizenwand und zunehmender Schweregrad der Lebererkrankung)
  • Varizenerkrankung wird durch eine chronische Lebererkrankung und eine erhöhte portale Hypertension verursacht
  • höheres Alter, Komorbiditäten, männliches Geschlecht und verzögerte Endoskopie (> 24 h) sind mit erhöhter Mortalität assoziiert

Symptomatik

  • typischerweise Hämatemesis (entweder frisches Blut oder Kaffeesatz) oder Meläna
  • bei Meläna i.d.R. niedrigere Hämoglobinwerte als bei frischer Hämatemesis durch die verzögerte Präsentation
  • Blutung gilt als hämodynamisch instabil und klinisch signifikant, wenn innerhalb von 24 h nach Eintreffen in der Notaufnahme 2 oder mehr Blutkonserven transfundiert werden müssen und bei Erstvorstellung ein RRsys <100 mmHg oder posturaler Abfall von > 20 mmHg und/oder HF > 100/min vorliegt
  • ggf. Anzeichen einer Leberzirrhose +/- portale Hypertension, wie Gelbsucht, Aszites, Splenomegalie, hervortretende Bauchvenen, Gynäkomastie, Spidernävus und Palmarerythem (CAVE: genaue Anamnese bzgl. Alkohol- und Drogenkonsum)

Therapie

  • Fokus der Therapie liegt eher in der Senkung der portalen Hypertension als in der Korrektur von Gerinnungsanomalien
  • initiales Management gemäß ABCDE-Schema
  • bei Instabilität, v.a. bei Bewusstseinsstörungen, frühzeitige Intubation und Beatmung erwägen
  • Anlage einer Magensonde zur Verringerung des Aspirationsrisikos
  • wenn O2-Gabe notwendig, Nasenbrille bevorzugen
  • bei hämodynamischer Instabilität Transport auf ITS
  • CAVE: Gerinnungsprofile (z.B. PT, INR, aPTT) spiegeln den hämostatischen Status bei schwerer Lebererkrankung nicht genau wider und sollten nicht als Richtschnur für die Behandlung im akuten Stadium der Varizenblutung verwendet werden

Bluttransfusion

  • sofortige Bluttransfusion ist bei allen Patient*innen angezeigt, die aktiv und stark bluten
  • Verhältnis der Blutprodukte sollte dem lokalen Protokoll für Massivtransfusionen entsprechen
  • bei Schockindex >1 Massivtransfusion in Betracht ziehen
  • bei weniger kritischen Fällen sollte die Entscheidung zur Transfusion unter Berücksichtigung des gesamten klinischen Bildes getroffen werden (CAVE: Gefahr der Übertransfusion)
  • bei hämodynamisch stabilen Patient*innen wird restriktive Transfusionspolitik empfohlen, die auf Hämoglobinwert von 7 – 8 g/L und MAP von 60 – 65 mmHg abzielt
  • CAVE: Übertransfusion oder Verabreichung von Flüssigkeit, die das Gefäßvolumen erhöht, kann die Blutung aufgrund des erhöhten Pfortaderdrucks bei Varizenblutungen verschlimmern
  • kontinuierliche Überwachung, da nach Erreichen der Blutstillung Komplikationen wie Lungenödem und Aszites auftreten können
  • keine Thrombozytentransfusion bei Patient*innen, die nicht aktiv bluten und hämodynamisch stabil
  • bei Thrombozytenzahl von < 50 x 9 /L und aktiver Blutung Thrombozytentransfusion
  • Gabe von FFP (Fresh Frozen Plasma) ist umstritten und es gibt immer mehr Belege dafür, dass FFP bei erheblicher Varizenblutungen Schäden anrichten kann (CAVE: zur vorübergehenden Korrektur des INR erforderliche Infusionsmenge kann Pfortaderdruck erhöhen und zur Volumenüberlastung führen)
  • Prothrombinkomplexkonzentrat oder „Octaplex“ ist empfehlenswerte Alternative (schnellere Infusion, geringeres Volumen, leichter verfügbar)
  • bei begleitender Leberfunktionsstörung aufgrund von Leberzirrhose und Gerinnungsstörungen infolge massiver Transfusionen bei Blutungen frühzeitiges hämatologisches Konzil erwägen
  • keine ausreichenden Belege für die routinemäßige Gabe von Tranexamsäure oder rekombinantem Faktor VIIa

medikamentöse Therapie

  • Umkehrung der Gerinnungshemmung
    • Patient*innen, die Warfarin einnehmen und aktiv bluten, sollten Vitamin K und Prothrombinkomplexkonzentrat (PCC) erhalten
    • Patient*innen, die Warfarin einnehmen und deren obere GI-Blutung gestoppt ist, gemäß den lokalen Warfarin-Protokollen behandeln
    • Patient*innen, die DOAKs einnehmen, gemäß lokaler Umkehrungsstrategie behandeln
  • Antibiotika
    • bei Leberzirrhose mit Varizenblutungen sind bakterielle Infektionen wie spontane bakterielle Peritonitis häufig und treten bei 35 – 66 % der Patient*innen mit Leberzirrhose auf
    • Antibiotika-Gabe für alle Patiente*innen mit vermuteter oder bestätigter Varizenblutung
    • prophylaktische Antibiotika-Gabe ist mit erhöhter Überlebensrate verbunden
    • empfohlene Medikation: 1 g Ceftriaxon bei Leberzirrhose-Patient*innen mit Varizenblutung (CAVE: lokale Standards berücksichtigen)
  • Vasokonstriktoren
    • frühzeitige Gabe von Splanchnikuskonstriktoren (Mittel der 1. Wahl: 2 mg Terlipressin i.v. alle 4 h; CAVE bei ischämischen Herzerkrankungen und peripheren Gefäßerkrankung, ggf. Dosisreduktion auf 0,5 – 1 mg)
  • Protonenpumpen-Hemmer
    • keine Empfehlung für die Gabe von Protonenpumpeninhibitoren

unkontrollierbare Blutung

  • Einlage von Sengstaken-Blakemore-Sonde bei nicht stillbarer Blutung bis weitere endoskopische Behandlung möglich ist (CAVE: vorübergehende, aber wirksame Maßnahme, die bei 80 % der Patient*innen die lebensbedrohliche Blutung stoppt) –> hohe Rate an schwerwiegenden Komplikationen wie Atemwegsobstruktion und Ösophagusruptur (14 %)
Published inLeitlinien kompakt

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