veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU)
Klassifikation gemäß AWMF: S2k
Datum der Veröffentlichung: 31.03.2025
Ablaufdatum: 30.03.2030
Quelle/Quelllink: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/187-055
Grundsätzliches
- Definition „Rotatorenmanschettenläsion“: teilweise (partielle) oder komplette Kontinuitätsunterbrechung von Sehnenfasern der Rotatorenmanschette (CAVE: eine oder mehrere Sehnen der Rotatorenmanschette können betroffen sein)
- zur Rotatorenmanschette zählen die Sehnen von M. supraspinatus (SSP), M. subscapularis (SSC), M. infraspinatus (ISP) und M. teres minor
- Unterscheidung in partielle (Teil-) Rupturen und transmurale (Komplett-) Rupturen
- Partialläsion/Partialruptur: lediglich Anteile der Sehnen rupturiert, keine vollschichtige Durchtrennung, kann artikularseitig, bursaseitig oder intratendinös auftreten
- komplette Läsionen/Komplettruptur: vollschichtige Durchtrennung der betroffenen Sehne vor, wodurch Kommunikation zwischen glenohumeralem Gelenk- und Subacromialraum entsteht
- Massenruptur: kompletten Ruptur von mehr als zwei Sehnen der Rotatorenmanschette
- Epidemiologie (Prävalanz von Rotatorenmanschettenläsionen zeigt klare Assoziation mit fortschreitendem Lebensalter)
- Prävalenz der kompletten Rotatorenmanschettenruptur: allgemeine Prävalenz der symptomatischen Rotatorenmanschettenruptur von 20 – 35 % (im 3. Lebensjahrzehnt 2,5 %, im 4. Lebensjahrzehnt 6 %, im 5. Lebensjahrzehnt 13 %, im 6. Lebensjahrzehnt 26 %, im 7. Lebensjahrzehnt 46 %, im 8. Lebensjahrzehnt 50 %)
- Prävalenz der asymptomatischen kompletten Ruptur: allgemeine Prävalenz von 16 – 23 % (im 5. Lebensjahrzehnt 13 %, im 6. Lebensjahrzehnt 20 %, im 7. Lebensjahrzehnt 31 %, im 8. Lebensjahrzehnt 51 %)
Ätiologie/Pathogenese
- extrinsische Tendinopathie (Sehnenverletzung, die durch äußere, mechanische Faktoren verursacht wird)
- intrinsische Tendinopathie (Sehnenverletzung, die durch innere, mechanische Faktoren verursacht wird)
- repetitive Mikrotraumen (strukturelle Schäden an der Rotatorenmanschette, z.B. bei jungen Überkopfsportler*innen)
- Trauma
- unfallbedingte Rupturen durch potenziell geeignete Verletzungsmechanismen (z.B. exzentrische Belastung kontrahierter Anteile der Rotatorenmanschette beim Festhalten im Rahmen eines Sturzes, passive Traktion nach kaudal beim Auffangen eines schweren Gegenstandes, axiale Stauchung nach kranioventral oder ventromedial bei einem Sturz auf den nach hinten gestreckten Arm)
- Schulterluxation (bei traumatischer Schultergelenkluxationen bei älteren Patienten kommt es typischerweise zu Rupturen der Supraspinatus- und/oder Infraspinatus- und/oder Subscapularissehne)
Klassifikationen
- intraoperativ/morphologisch
- Subscapularis: Lafosse et al.
- Supraspinatus: Bateman et al.
- Supraspinatuspartialläsionen: Snyder et al. /Ellman et al.
- Pulley-Läsionen: Habermeyer et al.
- Bildgebung
- MRT SSP: Patte et al.
- MRT FI (fettige Infiltration): Fuchs et al.
- CT SSP: Goutallier et al.
Anamnese
- demographische Daten
- Trauma: Ja / Nein?
- Unfallmechanismus / Stellung des Armes
- Unfallzeitpunkt
- Unfallursache (äußere oder innere Ursache?)
- Voroperation? Vorschäden?
- aktuelle Symptome/Beschwerden
- Schmerzcharakter (Schmerzlokalisation? Schmerzbeginn? Bewegungsabhängige Schmerzen? Ruheschmerz? Nachtschmerz? Nachtschmerz lageabhängig? NRS/VAS?)
- Bewegungseinschränkung: Ja / Nein?
- neurologische Symptome
- Kraftminderung: Ja / Nein?
- Beruf (Überkopftätigkeit?)
- Sport? Kraftsport? Überkopfsport?
klinische Untersuchung
- Inspektion
- Narben?
- Atrophien (Fossa supraspinata? Fossa infraspinata? Ventrale Schulterpartie? Deltamuskel?)
- muskuläre Dysbalancen
- von dorsal: Stellung des Schulterblatts im Seitenvergleich
- Palpation
- Druckschmerz am Tuberculum majus
- Druckschmerz über dem Tuberculum minus
- Druckschmerz über dem Sulcus bicipitalis (als Hinweis auf begleitende Reizung / Verletzung /
Instabilität der langen Bizepssehne) - Druckschmerz über dem AC-Gelenk (als Hinweis auf Reizung / Arthrose des AC-Gelenks)
- Triggerpunkte verschiedener Muskeln (als Hinweis auf muskuläre Verspannungen)
- additiv bei Hinweisen auf Frozen Shoulder: Druckschmerzen über der ventralen oder dorsalen Kapsel
- Bewegungsprüfung
- aktive Beweglichkeit im Seitenvergleich (Anteversion, Abduktion/Elevation, tiefe Außenrotation, Innenrotation als Schürzengriff, kombinierte Abduktion / Außenrotation als Nackengriff)
- passive Beweglichkeit im Seitenvergleich
- Prüfung auf Kapselmuster / Frozen Shoulder
- Qualität des Endgefühls
- hohe Außen- / Innenrotation im Liegen bei 90° abduziertem Arm und fixierter Scapula
- Kraftprüfung
- allgemeine klinische Untersuchung (DMS, bei V.a. entzündliche Genese klinisches Labor, Beurteilung der HWS)
Bildgebung
- als nativradiologische Basisdiagnostik Röntgenaufnahme in 3 Ebenen erwägen (relevante Aufnahmen sind dabei Aufnahme in anteroposteriorer (ap) Projektion, axiale Aufnahme und Outlet-Aufnahme)
- Sonographie ist untersucherabhängige Untersuchungsmethode, die bei entsprechender Kompetenz zur Erstdiagnostik und in der Nachbehandlung konservativer und operativer Maßnahmen angewendet werden kann
- bei fehlender Kontraindikation soll die native MRT-Untersuchung zur weiteren Diagnostik von Rotatorenmanschetten-Läsionen bei akuten Verletzungen, chronischen Läsionen (> 3 – 6 Monate Beschwerden) und bei geplanten Operationen angewendet werden
- Kontrastmittel-Darstellung im MRT oder CT kann in Einzelfällen erwogen werden
- sagittale Ebene des MRTs sollte so weit nach medial abgebildet werden, dass die Muskelatrophie entsprechend beurteilt werden kann
Management
- Therapie nicht operativ
- Einsatz von nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) zur Reduktion von Entzündung und Schmerz, sowohl systemisch als auch lokal
- Physiotherapie stellt die Basis der konservativen Behandlung von Rotatorenmanschetten-Läsionen dar (Ziel: durch gezielte Übungen Mobilität, Kraft und Propriozeption verbessern)
- über die Basistherapie mittels Physiotherapie hinaus eingeleitete Therapie mit lokaler Kortisonapplikation kann zur kurzfristigen Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung beitragen (CAVE: kann jedoch langfristig die Sehnenstruktur schädigen)
- kein klarer Vorteil von Platelet‐Rich Plasma (PRP) ggü. Kortison bei partiellen Rupturen der Rotatorenmanschette (ggf. Tendenz zu besseren Ergebnissen)
- Stammzelltherapie ist als experimentell zu bewerten (keine belastbaren Studien zur Wirksamkeit an der Rotatorenmanschette)
- Therapie operativ
- KEINE operative Therapie bei asymptomatischen Rotatorenmanschettenläsionen
- akute Rupturen, v.a. der Subscapularissehne, und Rupturen ohne Anzeichen von Humeruskopfkranialisierung und fortgeschrittener Atrophie sollen zeitnah versorgt werden


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