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Never Events als Indikator für die Patient*innensicherheit

Unter dem Begriff „Never Events“ wird eine spezifische Gruppe bzw. Art von Fehlern verstanden, die im medizinischen Bereich niemals passieren sollten. Um diese Fehlerart im deutschen Gesundheitssystem stärker zu vermeiden wurde Ende letzten Jahres die Schaffung eines „Never Event“-Register durch einen Änderungsantrag im Zuge der Krankenhausreform vorgesehen. Weltweit kursieren einige offiziellere Definitionen, wobei im europäischen Raum vor allem die Definition der Stiftung Patientensicherheit Schweiz Verwendung findet:

„identifizierbare schwerwiegende Ereignisse im Zusammenhang mit der klinischen Behandlung, die zu Patientenschädigungen geführt haben und durch Systemdesign und/oder gezielte Präventionsmaßnahmen vermeidbar sind“

Wie schon erwähnt ist im europäischen Raum die Schweiz, federführend durch die Stiftung Patientensicherheit Schweiz, prägend, was die „Never Events“ angeht. In der Schweiz wurde durch die Stiftung Patientensicherheit Schweiz die nachfolgende „Never Event“-Liste etabliert:

  • Interventionen – Eingriffsverwechslung
  • Interventionen – Implantationen eines falschen Medizinproduktes
  • Transfusion/Transplantation – AB0- oder HLA-inkompatible Transfusion und Transplantation
  • Interventionen – unbeabsichtigtes Belassen von Fremdkörpern
  • Medikation – Fehldosierung Hochrisiko-Medikament
  • Medikation – falscher Verabreichungsweg Arzneimittel
  • Medikation – zu schnelle Verabreichung Hochrisiko-Medikament
  • Interventionen – metallische Objekte im MRI-Magnetfeld
  • allg. Patient*innenversorgung – Verbrennungen und Verbrühungen
  • Interventionen – Verlust von biologischem Material
  • allg. Patient*innenversorgung – Schädigung durch Patient*innenfixierung
  • Interventionen – Beschickung einer Magensonde, deren Fehllage nicht ausgeschlossen wurde

Wie notwendig eine „Never Event“-Liste bzw. -Register ist, zeigen die nachfolgenden Zahlen: Vermeidbare unerwünschte Ereignisse (VUE), i.d.R. Fehler im Behandlungsprozess, treten jährlich bei zw. 340.000 – 680.000 Krankenhauspatient*innen auf und es muss dabei von 17.000 vermeidbaren Todesfällen pro Jahr durch VUE in deutschen Krankenhäusern ausgegangen werden. Auch wenn „Never Events“ selten sind, haben sie aber eine relevante Rolle bei der Verbesserung der Patient*innensicherheit, denn sie gelten als starker Indikator dafür, dass im Versorgungsprozess Risiken vorhanden sind und in der jeweiligen Organisationseinheit, in der diese Ereignisse aufgetreten sind, die Sicherheitsvorkehrungen unzureichend sind.

Ziel eines „Never Event“-Registers ist es „Fehlerquellen systematisch aufzuspüren, geeignete Präventionsmaßnahmen zu ergreifen und deren Wirksamkeit zu überprüfen“ (Medizinischer Dienst Bund). Und auch die WHO sieht die zentrale Rolle von „Never Event“-Listen für Erkennen, Umsetzen und Bewerten von Sicherheitsmaßnahmen und sieht deswegen in ihrem „Globalen Aktionsplan für Patientensicherheit 2021 – 2030“ vor, dass bis spätestens 2030 90 % der Mitgliedsstaaten über ein „Never Event“-Meldesystem verfügen sollen.

Wichtig bei der Etablierung von Never Events-Listen ist es zu betonen, dass diese keine Beurteilung von Einzelpersonen vorsehen oder dazu dienen sollen etwaige Rankings zu erstellen, sondern sie sollen Lerninstrument zur Erfassung und Analyse von Daten über Art, Umfang und Begleitumstände solch schwerwiegender Ereignisse auf lokalem oder nationalem Niveau sein.

Exkurs – NCC MERP Index for Categorizing Medication Errors

Gemäß dem „Index for Categorizing Medication Errors“ des National Coordinating Council for Medication Error Reporting and Prevention (NCC MERP) werden Ereignisse im Rahmen der klinischen Behandlung wie folgt kategorisiert:

  • A – Situationen, die ein unerwünschtes Ereignis verursachen können
  • B – Ereignis, das Patient*innen nicht erreicht/betroffen hat
  • C – Ereignis, das Patient*innen erreichte, aber keinen Schaden verursachte (Schaden = „jede Verletzung oder Gesundheitsschädigung einer Person, die zusätzliche medizinische Versorgung benötigt, einschließlich vorübergehender und dauerhafter Verletzungen“)
  • D – Ereignis, das Kontrollen und/oder Interventionen erforderte, um Schaden auszuschließen (Kontrolle = „Beobachtung oder Aufzeichnung physiologischer oder psychologischer Zeichen“; Intervention = „Änderung der Therapie oder aktive medizinische/chirurgische Behandlung“)
  • E – Ereignis, das zu einer vorübergehenden Schädigung geführt hat oder beigetragen haben kann, bei dem jedoch keine wesentliche Intervention erforderlich war (wesentliche intervention = „Intervention zur Linderung von Symptomen, die lebensbedrohlich sein können, wenn sie nicht behandelt werden“)
  • F – Ereignis, das zu einer vorübergehenden Schädigung geführt hat oder beigetragen haben kann und eine wesentliche Intervention notwendig gemacht hat
  • G – Ereignis, das zu einer dauerhaften Schädigung geführt hat oder beigetragen haben kann (permanenter Schaden = „Schaden, der länger als 6 Monate andauert oder bei dem das endgültige Outcome noch nicht bekannt ist (follow up)“)
  • H – Ereignis, das lebensrettendes Eingreifen erforderte (Eingriffe, die zur Erhaltung des Lebens erforderlich sind, umfassen kardiovaskuläre und/ oder respiratorische Unterstützung, z.B. Defibrillation, Intubation)
  • I – Ereignis, das zum Tod von Patient*innen geführt hat oder beigetragen haben kann

Quellen

Published inSafety First – Fehlerkultur in der Notfallmedizin

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