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Safety First – Decision Fatigue

Decision Fatigue ist ein Begriff aus der Psychologie und beschreibt das Phänomen bzw. Konzept, dass die Fähigkeit, fundierte und rationale Entscheidungen zu treffen, mit der Anzahl und Komplexität der Entscheidungen, die im Laufe eines Arbeitstages getroffen werden, abnimmt, da das Treffen von Entscheidungen geistig anstrengend und daher erschöpfend ist. Vor allem in der Notfallmedizin ist es wichtig sich diesen Phänomens bewusst zu sein, denn hier sind es nicht nur zahlreiche Entscheidungen in kurzer Zeit und Abfolge, sondern auch lebenswichtige und oft mit hohem Risiko verbundene Entscheidungen.

Wie zeigt sich die Decision Fatigue?

  • reduzierte oder verlangsamte Entscheidungsfindung: Zögern bedingt durch die Konfrontation mit einer Vielzahl von gleichzeitigen Entscheidungen, verbunden mit Zweifel an der eigenen Intuition und Erfahrung
  • Fehleranfälligkeit: mit steigender Erschöpfung steigt die Wahrscheinlichkeit von Fehlern (z.B. schlechtere Anamnese, Medikationsfehler oder ungenaue Dokumentation)
  • Über- oder Unterdiagnostik: spätere Entscheidungen führen ggf. zu schnellerem „Abhaken“ oder zu defensiver Medizin (mehr Diagnostik & mehr stationäre Aufnahmen)
  • verringerte Aufmerksamkeit und Konzentration: zunehmende Schwierigkeiten, sich auf wichtige Details zu konzentrieren
  • verminderte Fähigkeit zur Priorisierung: je mehr Patient*innen es gibt, bzgl. derer Entscheidungen zu treffen sind, desto schwierige fällt es die dringlichsten Fälle zuerst zu erkennen oder zu behandeln
  • Kommunikation und Teamarbeit: Erschöpfung führt zu weniger klarer Kommunikation und beeinträchtigt interdisziplinäre Abstimmungen
  • Entscheidungsvermeidung: gänzliche Vermeidung Entscheidungen zu treffen

verstärkende Faktoren

  • lange Arbeitszeiten und Schichtarbeit: viele Stunden ohne ausreichend Erholungsphasen führen kumuliert zu geistiger Erschöpfung, v.a. am Ende der Schicht, in Nachtschichten und bei längeren Schichten
  • hohe Patient*innenzahl und hohe Arbeitslast: hohes Patientenaufkommen, kombiniert mit einem komplexen Krankheitsbild, sind eine enorme Herausforderung und Überlastung für das Team dar
  • emotionale Belastung: Notfallmedizin ist nicht nur physisch anspruchsvoll, sondern auch emotional belastend, z.B. bedingt durch den Umgang mit schwerkranken oder sterbenden Patient*innen
  • mangelnde Ressourcen: mangelnde Infrastruktur und Ausstattung können die Erfüllung von Aufgaben erschweren, die Qualität der Versorgung beeinträchtigen und so zu Erschöpfung führen
  • Multitasking: Behandlung mehrerer Patient*innen gleichzeitig sorgt für vermehrten Stress und sorgt so z.B. für Verschreibungsfehler

Strategien zur Minderung von Decision Fatigue

  • Teamarbeit und Delegation
    • enge Zusammenarbeit im Team zur Verteilung der Last der Entscheidungsfindung
    • Delegation von Aufgaben sowie das Einholen von Konzilen verringern die Belastung und sorgen so für eine verbesserte Entscheidungsqualität
    • Reduktion der Anzahl freier, kognitiv belastender Entscheidungen durch strukturierte Übergaben
    • Fälle/Patient*innen mit Kolleg*innen besprechen
  • strukturierte Entscheidungsfindung
    • Nutzung standardisierter Protokolle und Entscheidungspfade (SOPs, standardisierte Protokolle, Checklisten o.Ä.)
  • Pausen und Selbstfürsorge
    • regelmäßige Pausen, genügend Schlaf und andere Formen der Erholung sind entscheidend für den Erhalt der kognitiven Leistungsfähigkeit
  • Bewusstsein und Selbstreflexion
    • eigene Müdigkeit rasch selbst erkennen und nochmalige Überprüfung risikoreicher Entscheidungen
    • Kultur fördern, in der das Einholen einer zweiten Meinung als Stärke und nicht als Schwäche angesehen wird
  • Simulationstraining
    • Treffen von Entscheidungen unter Druck in Notfallsituationen trainieren, um sich so auf den Umgang mit stressigen Szenarien vorzubereiten und die Reaktionsfähigkeit zu verbessern

Fazit

Decision Fatigue ist eine echte Herausforderung in der Notfallmedizin, die die Qualität der Patientenversorgung erheblich beeinträchtigen kann. Rettungsdienst- und Pflegepersonal sowie Ärzt*innen müssen ständig schnelle und präzise Entscheidungen treffen, was zu einer hohen kognitiven Belastung führt. Es ist daher entscheidend, sowohl auf individueller als auch auf struktureller Ebene Maßnahmen zu ergreifen, um die Auswirkungen von Decision Fatigue zu reduzieren. Durch Teamarbeit, strukturierte Entscheidungsprozesse und die Förderung von Erholung kann medizinisches Personal unterstützt werden, die eigene Leistungsfähigkeit zu erhalten und dadurch die Sicherheit der Patient*innen zu gewährleisten.

https://doi.org/10.7759/cureus.51267

Quellen

Published inSafety First – Fehlerkultur in der Notfallmedizin

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