Der Welt-Duchenne-Tag
Seit 2013/2014 findet jedes Jahr am 07. September der World Duchenne Awareness Day (WDAD) bzw. Welt-Duchenne-Tag (World Duchenne Day) statt. Der „07.09.“ spielt dabei auf die 79 Exons des Duchenne-Gens, also die kodierenden Abschnitte des Gens, an. Das Ziel, weltweit für die Duchenne-Muskeldystrophie zu sensibilisieren, um so für einen gleichberechtigten Zugang zu Therapien sowie beschleunigte Forschung sorgen, wird dadurch unterstrichen, dass die Vereinten Nationen im Jahr 2023 den 07. September offiziell zum World Duchenne Awareness Day erklärt haben (UN-Resolution A/RES/78/12).
Der diesjährige Welt-Duchenne-Tag steht unter dem Motto „bezahlbare Heilmittel für Duchenne“ und spiegelt den dringenden Wunsch aller Duchenne-Betroffenen nach einem Zugang zu wirksamen und erschwinglichen Heilmitteln für die Duchenne-Muskeldystrophie wider.

Was ist die Muskeldystrophie Typ Duchenne?
Die Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) ist eine X-chromosomal rezessiv vererbte Muskelerkrankung, welche durch eine Mutation im Dystrophin-Gen verursacht wird, dass das Protein Dystrophin kodiert (bei ca. 60 – 70 % Deletion, bei 35 % Punktmutation und bei ca. 5 % um Duplikation). Bei Betroffenen fehlt das Protein Dystrophin, wodurch die Muskelfunktion stark beeinträchtigt ist. Die Erkrankung manifestiert sich in der frühen Kindheit (i.d.R. zwischen dem 1. & 6. Lebensjahr) und zeigt sich rasch durch eine Muskelschwäche und Atrophie der Muskulatur.
Bei den Betroffenen handelt es sich aufgrund des X-chromosomal rezessiven Erbganges i.d.R. um Männer, da diese nur eine Kopie des X-Chromosoms von ihrer Mutter und eine Kopie des Y-Chromosoms von ihrem Vater haben. Frauen können auch betroffen sein, wenn der Gendefekt auf dem einen X-Chromosom nicht durch das zweite X-Chromosom ausgeglichen wird (i.d.R. eher kardiale Symptome).
Schätzungen gehen davon aus das 1 von 3500 – 5000 neugeborenen Jungen eine Duchenne-Muskeldystrophie hat, was weltweit rund 250.000 betroffene Jungen und Männer bedeuten würde. Damit ist die DMD die häufigste muskuläre Erbkrankheit im Kindesalter.
Dank der heutigen Therapiestandards können Menschen mit einer DMD bis zum 30. Lebensjahr und darüber hinaus leben, wenn sie Zugang zur Beatmung haben. Ein gewisser Prozentsatz der Betroffenen stirbt aber immer noch im späten Teenageralter, vor allem aufgrund von kardialen Komplikationen.
Geschichte der Duchenne-Muskeldystrophie
- 1860er Jahre: Dr. Duchenne de Boulogne berichtet erstmals ausführlich über die Erkrankung (fortschreitende Muskelschwäche, Muskelhypertrophie und bereits 1868 erster Bericht über die Beeinträchtigung der Intelligenz)
- 1987: Dr. Eric Hoffman und Dr. Louis Kunkel entdeckten, dass die DMD durch einen Mangel an dem Protein Dystrophin verursacht wird, der auf Mutationen im DMD-Gen zurückzuführen ist
- Anfang der 1990er: Beginn der Behandlung mit Kortikosteroiden (Prednison und Deflazacort) in einigen spezialisierten Zentren, welche 10 Jahre später Teil der Standardbehandlung ist
- seit 2007: präventive Behandlung der Patient*innen mit ACE-Hemmern
Symptome der Duchenne-Muskeldystrophie
- Verlauf unterschiedlich stark ausgeprägt, aber frühkindliche Entwicklung ist initial i.d.R. normal
- rasch progredienter Verlauf
- Muskelschwäche bzw. Verlust der motorischen Funktion
- erste leichte Muskelschwäche der Beine ab dem 3. bis 5. Lebensjahr (häufiges Stolpern und Fallen)
- im Verlauf Treppensteigen nur noch mit Zuhilfenahme eines Geländers möglich
- Muskelschwäche der Becken- und Oberschenkelmuskulatur kann zu einem Watschelgang (Trendelenburgzeichen) führen
- Kinder stützen sich auf ihre Oberschenkel auf beim Aufrichten (Gowers-Manöver) oder nutzen Wände und Möbel zum Abstützen
- zw. 7. und 12. Lebensjahr ist Anheben der Arme in die Waagerechte kaum mehr möglich
- Verlust der Gehfähigkeit bzw. Rollstuhlpflichtigkeit mit etwa 10 Jahren
- ab dem 18. Lebensjahr i.d.R. vollständige Pflegebedürftigkeit
- im fortgeschrittenen Stadium: Areflexie, Faszikulationen, unwillkürliche Muskelzuckungen (Fibrillationen) sowie Sensibilitätsstörungen
- schmerzhafte Fehlstellungen von Gelenken und Knochenverformungen durch Muskelschwund
- Abbau Schultergürtelmuskulatur –> hervorstehende Schulterblätter („Scapulae alatae“, auch Engelsflügel)
- Fetteinlagerungen in der bindegewebig umgebauten Unterschenkel-Muskulatur –> sog. „Gnomen-“ oder „Kugelwaden“
- seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule in 50 – 95 % der Fälle (Beeinträchtigung der Lungenfunktion und der forcierten Vitalkapazität)
- Schwäche der Atemmuskulatur durch Muskelschwund –> respiratorische Insuffizienz
- Herzmuskel zwar meist betroffen, doch führen Tachykardie und sonstige Rhythmusveränderungen oder auch Beeinträchtigung der Herzkraft selten zu subjektiven Beschwerden
- Intelligenzminderung bei 1 von 3 Patient*innen
Therapie der Duchenne-Muskeldystrophie
- Heilung ist bisher nicht möglich
- seit 2024 ist der Wirkstoff Givinostat (Histon-Deacetylase(HDAC)-Hemmer) in den USA zugelassen, welcher den Krankheitsverlauf durch Reduktion von Entzündungsvorgängen verzögern kann
- Therapie erfolgt i.d.R. symptomatisch im multidisziplinären Austausch zwischen Ärzt*innen, Physiotherapie, PflegeErgotherapie und Orthopädietechnik mit dem Ziel die Folgen der Muskeldystrophie abzumildern, ein Voranschreiten aufzuhalten und Komplikationen zu behandeln
Notfalltherapie
Zu den typischen Notfallsituationen bei DMD-Patient*innen gehören u.a.
- Herzinsuffizienz (kongestive Kardiomyopathie), aufgrund des Befalls der peripheren Motorik jedoch kaum Beschwerden
- akute respiratorische Insuffizienz, die durch erschwertes Abhusten begünstigt wird
- hyponatriämische Dehydratation, besonders bei Belastung oder starker Hitze
- schwierige Intubationverhältnisse bedingt durch orthopädische Deformationen (Skoliose u.a.), Makroglossie & kleine Mundöffnung
Zur typischen Notfalldiagnostik gehören v.a.
- Beurteilung des Schweregrades der Atembeeinträchtigung (Dyspnoe, Orthopnoe, Flankenatmung, paradoxe Atmung, Bronchialobstruktion, Notwendigkeit von Sauerstofftherapie, Erhöhung der Beatmungszeit)
- Beurteilung des Schweregrades der hämodynamische Beeinträchtigung (Hypotonie und/oder niedriges Herzvolumen, ggf. mit Stauungsleber)
- arterielle BGA zur Feststellung einer alveolären Hypoventilation (mit oder ohne respiratorische Azidose; PaCO2 > 45 mmHg)
- Thorax-Röntgen zur Suche nach parenchymatösenUrsachen (Lungenerkrankung, Atelektase, Lungenödem u.a.) oder pleuralen Ursachen (Pneumothorax, Pleuraerguss u.a.)
- typische EKG-Auffälligkeiten wie z.B. verkürztes PR-Intervall, häufige Rhythmus- und Leitungsstörung (absolute Arrhythmie mit Vorhofflimmern, hochgradiger AV-Block), Repolarisationsstörungen mit dauerhafter ST-Hebung, QRS-Verbreitung
Zu den wichtigsten therapeutischen Notfallmaßnahmen gehören bspw.:
- Sauerstofftherapie bei Hypoxämie
- Diuretika-Gabe bei Lungenödem
- NIV bei klinischen oder per BGA ermittelten Zeichen einer respiratorischen Insuffizienz
- Beseitigung der Bronchialobstruktion manuell (Bewegungstherapie) oder mit instrumenteller Unterstützung (Cough assist)
- ETI und invasive Beatmung bei Bewusstseinsstörungen, Schock, Atem- oder Herzstillstand
- Wechsel der Tracheostomiekanüle bei Obstruktion
- schnelle HNO- oder pneumologische Konsultation bei trachealer Blutung
Dont’s im Rahmen der Notfalltherapie sind:
- Expektorantien (Hustenlöser) bei Obstruktion strikt kontraindiziert
- Sedativa vermeiden aufgrund des respiratorischen Risikos
- Opioide mit Vorsicht anwenden aufgrund des respiratorischen Risikos und der Gefahr eines Darmverschlusses
- bei Anticholinergika besteht das Risiko eines Harnverhalt
- keine depolarisierenden Muskelrelaxantien wegen der Gefahr einer Hyperkaliämie
Quellen
- „A Brief History of Duchenne“. World Duchenne Awareness Day, o. J. Zugegriffen 1. September 2025. https://www.worldduchenneday.org/history-of-duchenne/.
- „About Duchenne & Becker“. World Duchenne Awareness Day, o. J. Zugegriffen 1. September 2025. https://www.worldduchenneday.org/about-duchenne-and-becker/.
- Duchenne Awareness Day. „Duchenne – Information“. Zugegriffen 1. September 2025. https://duchenne.info.
- „Emergency Guidelines“. CureDuchenne, o. J. Zugegriffen 1. September 2025. https://cureduchenne.org/care/emergency-guidelines/.
- GIP Gesellschaft für medizinische Intensivpflege. „Welt-Duchenne-Tag“. 7. September 2018. https://www.gip-intensivpflege.de/news/detail/welt-duchenne-tag/.
- Orlikowski, David, und Gilles Bagou. „Duchenne-Muskeldystrophie“. Orphanet Deutschland, 3. Juli 2009. https://www.orpha.net/pdfs/data/patho/Emg/de/Emergency_Duchenne-Muskeldystrophie-dePro13913.pdf.
- Vogt, Michael, Frank Antwerpes, Fabienne Reh, u. a. „Muskeldystrophie Typ Duchenne“. DocCheck Flexikon, 31. August 2025. https://flexikon.doccheck.com/de/Muskeldystrophie_Typ_Duchenne.
- „Welt-Duchenne-Tag 2025“. Leitartikel. DMD Warrior, 30. August 2025. https://dmdwarrior.com/de/world-duchenne-awareness-day-2025/.
- Wikipedia. „Muskeldystrophie Duchenne“. 23. August 2025. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Muskeldystrophie_Duchenne&oldid=259105517.


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