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10.10. – Welttag für psychische Gesundheit

Seit 1992 findet jährlich der „World Mental Health Day“ am 10. Oktober statt (auch Welttag für psychische Gesundheit, Welttag der seelischen Gesundheit oder Welttag der geistigen Gesundheit). Er wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie dem Weltverband für psychische Gesundheit („World Federation for Mental Health“) initiiert. Seit dem Jahr 2010 veranstaltet das „Aktionsbündnis Seelische Gesundheit“ rund um den „World Mental Health Day“ die bundesweite „Woche der Seelischen Gesundheit“. Ziel des Aktionstages bzw. -woche Verständnis für die Situation von Menschen mit einer psychischen Erkrankung zu schaffen und u.a. über den Einfluss und die Folgen psychischer Erkrankungen aufzuklären. Vorher hat der Landesverbandes Gemeindepsychiatrie Baden-Württemberg seit 1994 den Welttag für seelische Gesundheit begangen und somit die Weichen für einen bundesweiten Aktionstag gelegt.

2024 – „Hand in Hand für seelische Gesundheit am Arbeitsplatz“

Das Motto des diesjährigen Welttages für psychische Gesundheit ist „Hand in Hand für seelische Gesundheit am Arbeitsplatz“ und genau um dieses Thema dreht sich auch alles im heutigen Beitrag dazu. Unter diesem Motto soll der diesjährige Welttag für psychische Gesundheit Betriebe und Beschäftigte stärker für psychische Belastungen im Job sensibilisieren.

Was sagen die Zahlen?

  • Belastung durch bzw. auf die Arbeit
    • Anteil psychisch Erkrankter im erwerbsfähigen Alter von 18 – 65 Jahren in Deutschland: ca. 30 %
    • 4 von 10 Beschäftigen gelingt es laut einer Studie oft nicht, in ihrer Freizeit von der Arbeit abzuschalten
    • rund 1/3 aller Beschäftigten in Deutschland klagt über körperliche & geistige Erschöpfung
    • laut WHO-Schätzung hat jede*r zweite Mensch im Laufe des Lebens eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung
    • 75 % der Menschen geben an, dass ihre Arbeit ihre psychische Gesundheit beeinflusst
    • 47 % sagten in der TK-Stressstudie, dass Beruf, Studium oder Schule die Hauptauslöser für Stress seien
    • 15 % der Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter weltweit hatten im Jahr 2019 eine psychische Störung
  • Fehltage
    • Mitarbeitende, die sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen, fehlen durchschnittlich 9,4 Tage pro Jahr und Mitarbeitende, die sich nicht an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen, rund 19,6 Tage pro Jahr
    • rund 15 Prozent aller Fehltage/Arbeitsunfähigkeiten gehen auf Erkrankungen der Psyche zurück (zweithäufigste Ursache nach Muskel-Skelett-Problemen mit 24,6 %)
    • Krankheitsdauer bei psychischen Erkrankungen mit ca. 36 Tagen dreimal so hoch wie bei anderen Erkrankungen (12 Tage)
    • Fehlzeiten aufgrund von psychischen Erkrankungen sind seit 2000 um 146 % gestiegen.
    • 23 % aller Deutschen haben sich schon wegen mentaler Herausforderungen krankgemeldet
    • 2021 rund 123,3 Millionen AU-Tage aufgrund von psychischen Belastungen (2003 noch etwa 45,4 Millionen AU-Tage)
    • 12.000.000.000 Arbeitstage weltweit gehen jedes Jahr aufgrund von Depressionen und Angstzuständen verloren
  • Rente & Frühberentungen
    • fast 50 % der Frühberentungen im Jahr 2019 bedingt durch psychische Erkrankungen (2004: 52.000; 2021: 70.000)
  • Kosten
    • pro Jahr ca. 44.000.000.000 € an Krankheitskosten für psychische Erkrankungen (2021 rund 15.800.000.000 € an Produktionsausfallkosten durch psychische Erkrankungen; Anstieg um rund 70 % in den zwischen 2011 und 2021)
    • 50 % der gesamten gesellschaftlichen Kosten für psychische Erkrankungen werden durch indirekte Kosten wie Produktivitätseinbußen verursacht
    • 1.000.000.000.000 US-Dollar an Kosten für die Weltwirtschaft aufgrund von Depressionen und Angstzuständen, vor allem durch Produktivitätsverluste
  • Sonstiges
    • 38,5 Prozent der befragten Geschäftsführenden, Gesundheitsverantwortlichen und Personalerinnen und Personaler geben an, dass psychische Belastungen am Arbeitsplatz wie Burnout, Überforderung und Depressionen bereits jetzt eine eher große beziehungsweise große Bedeutung in ihren Unternehmen haben
    • ca. 40 % der Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden bereits Angebote zur Stressreduktion und Ressourcenstärkung an

seelische Gesundheit am Arbeitsplatz

Initial sollte betont werden, dass Arbeit grundsätzlich einen positiven Einfluss auf die Gesundheit und die Entwicklung, denn gut gestaltete Arbeit stabilisiert die psychische und physische Gesundheit. Aber Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf psychische Belastungen und fühlen sich unterschiedlich stark beansprucht. Um was es sich genau bei einer psychische Belastung handelt wird in der DIN EN ISO 10075-1 wie folgt definiert: „Psychische Belastung ist die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.“. Von der „psychischen Belastung“ abzugrenzen ist die „psychische Beanspruchung“, welche die individuelle und unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung auf den Menschen beschreibt. Die typischen arbeitsbedingten psychischen Belastungen lassen sich in die folgenden Kategorien einteilen:

  • Arbeitsumgebung (Gestaltung der Arbeitsplätze & -mittel, Raumklima, Lärmbelästigung, Lichtverhältnisse)
  • Arbeitsorganisation & -ablauf (Handlungsspielraum der Beschäftigten, Zeitvorgaben für Aufgaben, Gestaltung von Dienstplänen und Pausen, Teamzusammensetzung usw.)
  • Arbeitsinhalte & -aufgaben (eintönige/monotone Aufgaben, große Verantwortung, Überforderung oder Unterforderung, Konfrontation mit Gewalt und Aggression im Arbeitsumfeld)
  • soziale Faktoren (Kommunikation im Betrieb, Konflikte bis Mobbing, Verhalten von Führungskräften, Kolleginnen und Kollegen)
  • Arbeitsformen (befristete Arbeitsverträge, ständige Erreichbarkeit auch in der Freizeit)

Spezifische berufliche Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit sind u.a.:

  • Handlungs- und Entscheidungsspielraum
  • Arbeitsintensität
  • Arbeitszeitgestaltung
  • Gestaltung der Arbeitsumgebung
  • Regulieren der eigenen Gefühlsäußerungen (Emotionsarbeit)
  • Gemeinschaftsgefühl und Kollegialität
  • Betriebsklima und Führung
  • Arbeitsplatz(un)sicherheit
  • Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (Work-Life-Balance)

Betrachtet man den Bereich der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz, so schockiert es schon ein wenig, dass diese erst seit der Novellierung des Arbeitsschutzgesetzes im Juni 2013 Teil des Arbeitsschutzes ist. Seitdem heißt es in § 4 (Allgemeine Grundsätze): „Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen: Die Arbeit ist so zu gestalten, daß eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird“. Darüber hinaus finden sich auch in den folgenden Gesetzen Ausführungen zur psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz:

  • Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
  • Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)
  • Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
  • Maschinenverordnung (2006/42/EG)

Wie schon in den o.g. Zahlen ist zu sehen, dass nicht nur die Versorgungskosten für die Therapie der Erkrankungen hoch sind, sondern auch der betriebs- und volkswirtschaftliche Schaden. Und so sollte es im Interesse aller liegen, egal ob Arbeitnehmer*innen, Arbeitgeber*innen sowie Politik und Staat, dass die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz gefördert wird.

Anzeichen für eine psychische Gesundheitsbeeinträchtigung bei Beschäftigten

  • Veränderungen in der Arbeitsdisziplin
    • Unpünktlichkeit
    • häufige Verspätung ohne erkennbare Gründe
    • Arbeitsunterbrechungen, Pausen, Verlassen des Arbeitsplatzes
    • unentschuldigtes Fehlen
    • verspätete Abgabe von Krankmeldungen
    • Nichteinhalten von Terminen
    • Arbeit bleibt liegen und/oder zieht sich unverhältnismäßig lange hin
  • Veränderungen im Leistungsverhalten
    • auffällige qualitative und/oder quantitative Leistungsminderungen
    • starke Leistungsschwankungen
    • hohe Fehlerquote und häufige Flüchtigkeitsfehler
    • häufiges Nachfragen trotz langjähriger Arbeitserfahrung
    • ständiges eigenes Kontrollieren der ausgeführten Aufgaben, auch bei Routinearbeiten (Kontrollzwang)
    • Vermeiden von bestimmten Tätigkeiten, zum Beispiel von Telefonaten und/oder persönlichen Gesprächen mit Kundinnen oder Kunden
  • Veränderungen im Sozialverhalten
    • Vermeidung von Kontakten zu Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzten (zum Beispiel in Teambesprechungen, Pausen oder bei betrieblichen Feierlichkeiten)
    • unangemessenes Verhalten ggü. Führungskräften und Kolleg*innen sowie Kund*innen (z.B. Distanzlosigkeit, Gereiztheit und Aggressivität)
    • übersteigerte Reaktionen gegenüber Kritik (zum Beispiel weinen, laut werden)
    • auffallende Unzuverlässigkeit
  • weitere Verhaltensauffälligkeiten
    • außergewöhnliche Unruhe, extreme Angespanntheit
    • andauernde Traurigkeit und/oder Niedergeschlagenheit, vor sich hinstarrend
    • Führen von Selbstgesprächen
    • häufige Kurzerkrankungen
    • verändertes Essverhalten
    • ungepflegte Kleidung
    • Vernachlässigung der Körperpflege
    • zunehmender Suchtmittelgebrauch (z.B. Zigaretten, Alkohol & Medikamente)

Psychische Erkrankung = Berufskrankheit?

Das Bundessozialgericht hat am 22. Juni 2023 im Verfahren eines Rettungssanitäters geurteilt (B 2 U 11/20 R), dass eine Posttraumatische Belastungsstörung bei Rettungssanitäter*innen als eine Wie-Berufskrankheit gewertet werden kann. Entscheidend ist hierbei ein Kausalzusammenhang zwischen der Entstehung der Erkrankung und der spezifischen beruflichen Tätigkeit, welche an sich ein erhöhtes Gefahrenpotential birgt.

Dem Kläger wurde im Jahr 2016 nach einigen traumatischen Einsätzen eine PTBS attestiert und wollte diese anschließend als „Wie-Berufskrankheit“ (Wie-BK) anerkennen lassen. Die beklagte „Unfallversicherung Bund und Bahn“ beschied dies jedoch anders, da eine PTBS nicht in der Liste der Berufskrankheiten geführt ist und auch nicht als Wie-BK im Sinne des § 9 Absatz 2 SGB VII zu werten sei.

Das Bundessozialgericht sah dies jedoch anders, da Rettungskräfte im Sinne des § 9 Absatz 1 Satz 2 SGB VII eine bestimmte Personengruppe darstellen, die aufgrund ihrer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Maße besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die „abstrakt-generell“ nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft ursächlich für eine Erkrankung sein können. Das Gericht betonte hierbei vor allem, dass es uninteressant ist wie häufig eine Erkrankung innerhalb einer bestimmten Personengruppe auftritt, sondern der erhöhter Einwirkungsgrad der Erkrankung selbst sowie das generelle Gefährdungspotential der versicherten Tätigkeit.

Das Verfahren des Rettungssanitäter ist damit der erste Fall, indem die PTBS in die »Quasi-Liste« der Berufskrankheiten aufgenommen worden ist. Dies ist nicht damit gleichzusetzen, dass eine PTBS damit generell eine Berufskrankheit darstellt, hier ist immer noch der individuelle Fall zu prüfen. Eine Übersicht aller offiziell durch den Staat (Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats) anerkannten Berufskrankheiten findet Ihr in der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Grundsätzlich gilt für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls bzw. einer Berufskrankheit, dass die nachfolgenden Bestimmungen erfüllt sein müssen:

  • Arbeitsunfall: Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte. (§ 8 SGB VII)
  • Berufskrankheit: Berufskrankheiten sind Krankheiten, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 SGB VII)

Quellen

2024 – „Hand in Hand für seelische Gesundheit am Arbeitsplatz“

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