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Leitlinie „Acute behavioural disturbance (ABD) in police custody“ der FFLM (Update 2024)

veröffentlichende Fachgesellschaft: Faculty of Forensic & Legal Medicine (FFLM)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 11.08.2024
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://fflm.ac.uk/resources/publications/acute-behavioural-disturbance-abdguidelines-on-management-in-police-custody/

Grundsätzliches

  • akute Verhaltensstörung beschreibt schwere Erregungszustände, Notlagen und Anzeichen einer physiologischen Verschlechterung unbekannter Ursache
  • akute Verhaltensstörung ist keine Diagnose, sondern ein Syndrom
  • ggf. kann auch unerkannte lebensbedrohliche Krankheit vorliegen, die zu der Verhaltensstörung führt
  • uneinheitlicher Konsens über Kriterien (zur Erkennung) der ABD

Symptomatik

CAVE: Symptome müssen plötzlich körperliche auftreten

  • nicht ermüdet/ermüdbar bzw. dauerhafte Aktivität
  • (spürbare) Hyperthermie und/oder starkes Schwitzen 
  • nackt oder unangemessen/unpassend gekleidet
  • Tachypnoe
  • unverhältnismäßige Kraft/Krafteinsatz
  • erhöhte Schmerztoleranz
  • (absichtliches) Zerstören von Gegenständen (engl. Fachbegriff: Glass attraction-destruction)
  • keine Reaktion auf äußere Reize, v.a. auf anwesende Personen 

Diagnostik

  • initiale Suche nach Trias aus taktiler Hyperthermie, ständiger oder nahezu ständiger Aktivität und extremer Unruhe oder Aggression
  • Suche nach Anzeichen für Verschlechterung (physisch & psychisch)
  • Bewertung der Fremd- & Eigengefährdung
  • Monitoring mit Puls, RR, SpO2, EKG, BZ, Temperatur
  • CAVE: einzelne Merkmale sind für Erkennung der ABD nicht ausreichend


Differenzialdiagnosen

  • extrapyraminale Störungen
  • anticholinerges oder Serotonin-Syndrom
  • Kopfverletzung/SHT oder malignes neuroleptisches Syndrom
  • Entzugssymptomatik (C2, Benzos, GHB, Medikamente etc.)
  • Hitzeerschöpfung
  • Hypoglykämie
  • Hypoxie
  • Krampfanfälle
  • Sepsis
  • Intoxikationen
  • thyreotoxische Krise              

Therapie

  • Patient*innen mit V.a. akute Verhaltensstörung, welche eigentlich verhaftet werden sollen, sollen  primär in eine Notaufnahme transportiert werden

Deeskalation

  • Deeskalation ist das primäre Ziel der Behandlung mit dem Anspruch durch verbale/non-verbale Ansätze  Erregung und Stress der Patient*innen abzubauen
  • Prozess der Deeskalation sollte dauerhafte Risikobewertung beinhalten, um kontinuierlich Gefahren abzuschätzen
  • Einfühlungsvermögen, Respekt und Beruhigung stehen im Vordergrund jeder Deeskalation
  • ruhiges, passendes & angemessenes Setting schaffen
  • einige psychiatrische und substanzinduzierte Zustände gehen mit eingeschränkten Fähigkeiten der verbalen/non-verbalen Kommunikation einher, hier sind v.a. wichtig
  • schmerzverursachende Techniken vermeiden, da diese ggf. neue Gefahren hervorrufen und/oder die Patient*innen traumatisieren

medikamentöse Therapie

  • primäres Ziel jeglicher medikamentöser Therapie ist die orale Gabe, um die Eigen- und die Patient*innengefährdung zu minimieren
  • keine Gabe antipsychotischer Medikamente zur Sedierung von Patient*innen in Polizeigewahrsam aufgrund möglicher Kardiotoxizität und unerwünschter Nebenwirkungen
  • jegliche medikamentöse Therapie hat unter kontinuierlichem Monitoring zu erfolgen
  • Pre-Rapid Tranquillisation
    • Ansatz: präventiv durch orale Medikation akute Störung zu minimieren –> Vermeidung von Eskalation/Notwendigkeit von parenteraler Medikation & Fixierung
    • Ziele: Verringerung des psychischen & physischen Leidens, Verringerung des  Risikos der Schädigung anderer & Verringerung jeglicher Gefahr Schäden anzurichten
    • Risiken: Bewusstseinsverlust anstelle Beruhigung, Beeinträchtigung von  Atmung & Atemweg, Wechselwirkungen und/oder paradoxe Reaktionen
  • Rapid Tranquillisation
    • Ansatz: rasche parenterale Medikamentengabe (primär i.m.,  sekundär i.v.), wenn orale Applikation nicht (mehr) möglich ist
    • Applikation nur durch geschultes Personal
    • mögliche Medikamente: Lorazepam oral, Midazolam i.v. und Ketamin i.v.  (Wahl der Medikation ist jeweils eine situationsbedingte Einzelfallentscheidung)
    • nach Medikamentenapplikation ist KH-Einweisung obligat

körperliche Fixierung

  • Fixierung sollte nicht zum „Einsperren“ dienen, sondern das Ziel verfolgen bestimmte Szenarien zu realisieren (z.B. Verlegung in ein KH)
  • eingesetzte Gewalt, um die Fixierung zu realisieren, muss angemessen und verhältnismäßig sowie so kurz wie möglich und so lang wie nötig sein
  • Fixierung und Einsatz von Gewalt muss zum jeweiligen Zeitpunkt die am wenigsten restriktive Option sein

grundsätzliches Therapie-Schema

  • Eskalationsstufe 1
    • Versuch der Deeskalation mit geeigneten Techniken (Abkühlungs-phasen nutzen, um die Ursache der Verhaltensstörung zu ermitteln)
  • Eskalationsstufe 2
    • orale Applikation von Lorazepam (Erwachsene: 1 – 2 mg;  zweimalige Wiederholung nach jeweils 60 min; max. 4 mg;  Applikation nur, wenn geschultes Personal vor Ort ist)
  • Eskalationsstufe 3
    • körperliche Fixierung
Published inLeitlinien kompakt

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