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Leitlinie „Diagnostik und Therapie bei Schwindel“

veröffentlichende Fachgesellschaft:
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 16.04.2025
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.1007/s00106-025-01598-0

Anamnese

  • Fokus auf Dauer und Häufigkeit der Symptome (akut und prolongiert vs. episodisch vs. chronisch) sowie auf Vorliegen von Triggern („Timing-and-Triggers-Herangehensweise“)
  • bei akutem prolongiertem Schwindel (akutes vestibuläres Syndrom, AVS) ist Abgrenzung zwischen gefährlichen zentralen (z. B. Schlaganfall) und peripheren (z. B. akute unilaterale Vestibulopathie, AUVP) Ursachen essenziell
  • Unterscheidung zwischen Provokationsfaktoren (lösen Symptomatik aus) und exazerbierenden Faktoren (verstärken vorbestehende Symptomatik)
  • Begleitsymptome, Vorerkrankungen und die aktuelle Medikation erfragen
Quelle: https://link.springer.com/article/10.1007/s00106-025-01598-0/figures/1 (BPLS: benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel; CPV: zentraler Lageschwindel; PLF: Perilymphfistel; SSCDS: Syndrom der superioren Bogengangdehiszenz; TIA: transient-ischämische Attacke; VP: vestibuläre Paroxysmie)
  • „Red flags“ bei Patient:innen mit akutem Schwindel und/oder Gangunsicherheit – Anamnese
„Red flag“ – Schwindel/
Gangunsicherheit plus
Differenzialdiagnoseempfohlene Maßnahme(n)
akute Hörminderung ohne Hinweise für eine Ohrerkrankung inkl. M. Menièrezentrale Ursache (meist Hirnstamminfarkt im AICA-Stromgebiet)Zuweisung auf Stroke Unit zur weiteren Diagnostik/Therapie einschließlich MRT des Neurokraniums
multiple vaskuläre Risikofaktoren
(ABCD2-Score ≥ 4)
zentrale, meist ischämische UrsacheZuweisung auf Stroke Unit zur weiteren Diagnostik/Therapie einschließlich MRT des Neurokraniums
perakuter Beginn ohne Triggerzentrale, meist ischämische UrsacheZuweisung auf Stroke Unit zur weiteren Diagnostik/Therapie einschließlich MRT des Neurokraniums
neuartiger Kopf- oder Nackenschmerz ± neuartige einseitige Hörminderungerhöhter intrakranieller Druck (z. B. durch eine Raumforderung in der hinteren Schädelgrube oder eine Sinusvenenthrombose), Dissektion A. vertebralisZuweisung in Notfallabteilung zur zerebralen Bildgebung (CT inkl. i.v. Kontrastmittel und Darstellung der Sinusvenen sowie der arteriellen hirnversorgenden Gefäße)
Bewusstseinsverlustepileptischer Anfall, erhöhter intrakranieller Druck mit drohender Herniation, Subarachnoidalblutung, Medikamentenintoxikation (z. B. Neuroleptika, Antiepileptika), kardiale Arrhythmie, BasilaristhromboseZuweisung in Notfallabteilung zur zerebralen Bildgebung (CT inkl. CT-Angiographie ausreichend in den meisten Fällen), EEG, EKG, Medikamentenspiegelbestimmung
anhaltendes Erbrechen, verminderte Nahrungsaufnahme oder Malabsorptionakuter ThiaminmangelThiaminspiegelbestimmung im Blut, umgehende hochdosierte Thiaminsupplementation (3 × 200–500 mg pro Tag als Kurzinfusion über 5 Tage)
FieberMeningitis, MeningoenzephalitisZuweisung in Notfallabteilung zur zerebralen Bildgebung (CT i. d. R. ausreichend) sowie zur Lumbalpunktion
Diplopie, Dysphagie, Dysarthrie, Dysästhesie, Dysmetrie („deadly Ds“)zentrale Ursache im Hirnstamm/Kleinhirn (Schlaganfall, Blutung, Tumor, demyelinisierende Läsion), MedikamentenintoxikationZuweisung auf Stroke Unit zur weiteren Diagnostik/Therapie einschließlich MRT des Neurokraniums

Diagnostik

  • differenzialdiagnostische Vorgehen bei AVS und EVS gemäß „TiTrATE“ („Timing, Triggers And Targeted Examinations“)
Quelle: https://link.springer.com/article/10.1007/s00106-025-01598-0/figures/2 (Orange: „Red Flags“ für zentral-vestibuläre Störung; AIS: akutes Imbalance-Syndrom; AVS: akutes vestibuläres Syndrom; BPLS: benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel; BRN: Blickrichtungsnystagmus; EVS: episodisches vestibuläres Syndrom; HINTS: „head impulse, nystagmus, test of skew“; MM: M. Menière; SN: Spontannystagmus; TIA: transient-ischämische Attacke; VM: vestibuläre Migräne; a: anterior; h: horizontal; p: posterior, s spontan; t: getriggert)
  • „Red flags“ bei Patient:innen mit akutem Schwindel und/oder Gangunsicherheit – klinische Befunde am Patientenbett
„Red flag“ – Schwindel/
Gangunsicherheit plus
Differenzialdiagnoseempfohlene Maßnahme(n)
normaler Kopfimpulstest (trotz Vorliegen eines Spontannystagmus oder Blickrichtungsnystagmus)zentrale Ursache im Hirnstamm/Kleinhirn (Schlaganfall, Blutung, demyelinisierende Läsion), Medikamentenintoxikation, Erstmanifestation einer vestibulären MigräneZuweisung auf die Stroke Unit zur weiteren Diagnostik/Therapie einschließlich MRT des Neurokraniums
rein vertikaler, rein torsioneller oder torsionell-vertikaler Spontannystagmuszentrale Ursache im Hirnstamm/Kleinhirn (Schlaganfall, Blutung, demyelinisierende Läsion), Medikamentenintoxikation, akuter Thiaminmangel, Erstmanifestation einer vestibulären MigräneZuweisung auf die Stroke Unit zur weiteren Diagnostik/Therapie einschließlich MRT des Neurokraniums
horizontaler, nicht erschöpflicher Blickrichtungsnystagmus bei exzentrischer Blickwendungzentrale Ursache im Hirnstamm oder Kleinhirn (Schlaganfall, Blutung, demyelinisierende Läsion, Tumor), Erstmanifestation einer vestibulären Migräne, Medikamentenintoxikation, ThiaminmangelZuweisung auf die Stroke Unit zur weiteren Diagnostik/Therapie einschließlich MRT des Neurokraniums
klinisch manifeste vertikale Divergenz („skew deviation“) im alternierenden Abdecktestzentrale Ursache im Hirnstamm oder Kleinhirn (Schlaganfall, Blutung, demyelinisierende Läsion)Zuweisung auf die Stroke Unit zur weiteren Diagnostik/Therapie einschließlich MRT des Neurokraniums
(neuartige) Okulomotorikstörung (sakkadierte Blickfolge, dysmetrische Sakkaden, Reboundnystagmus, vertikaler Nystagmus nach Kopfschütteln in der horizontalen Ebene)zentrale Ursache im Hirnstamm oder Kleinhirn (Schlaganfall, Blutung, demyelinisierende Läsion, neurodegenerativ, Tumor)bei akuter Symptomatik Vorstellung in der Notfallabteilung (inkl. zerebraler Bildgebung), bei subakuter/chronischer Symptomatik Zuweisung zur fachärztlich neurologischen Abklärung
akuter einseitiger Hörverlust ohne Hinweise für eine Ohrerkrankung inkl. M. Menièrezentrale Ursache (meist Hirnstamminfarkt im AICA-Stromgebiet)Zuweisung auf Stroke Unit zur weiteren Diagnostik/Therapie einschließlich MRT des Neurokraniums
schwere Rumpfataxie (Unfähigkeit, ohne Hilfe/ohne Abstützen zu sitzen/stehen)vertebrobasiläre Ischämie, Hirnstamm‑/Kleinhirnblutung, demyelinisierende LäsionZuweisung auf Stroke Unit zur weiteren Diagnostik/Therapie einschließlich MRT des Neurokraniums
positionsabhängiger Nystagmus ohne Besserung nach wiederholten Repositionsmanövern und/oder atypischer Präsentation (Schlagrichtung nicht passend zu einem Bogengang)zentrale Ursache im Hirnstamm oder Kleinhirn (Schlaganfall, Blutung, demyelinisierende Läsion, Tumor), Erstmanifestation einer vestibulären MigräneZuweisung auf Stroke Unit zur weiteren Diagnostik/Therapie einschließlich MRT des Neurokraniums
auffällige Vitalzeichen (Hypotonie, Tachykardie, Arrhythmie)internistisch-kardiologische Ursachendringliche kardiologische/internistische Abklärung
  • essenzielle klinisch-neurologische Untersuchungen bei Schwindel
    • Suche nach fokal-neurologischen Defiziten bei allen Patient*innen → Vorliegen fokal-neurologischer Defizite → starker Hinweis für eine zentrale Ursache
    • Suche nach Spontannystagmus mit/ohne Fixation (Frenzel-Brille) bei allen Patient*innen →
      • sofern horizontal, mit Torsion und/oder Abnahme bei Fixation → eher peripher
      • sofern rein vertikal, rein torsionell oder vertikal-torsionell und ohne Abnahme bei Fixation → eher zentral
    • Suche nach subtilen okulomotorischen (und audiologischen) Zeichen (HINTS plus) bei akutem prolongiertem Schwindel (AVS) →
      • Kopfimpulstest → Einstellsakkade meist hinweisend auf periphere Ursache (Cave: „falsch“ abnorm bei 20 % der Patient:innen mit zentralem AVS), intakter Kopfimpulstest im Kontext eines AVS → suggestiv für zentrale Ursache
      • exzentrische Blickhaltefunktion → Blickrichtungsnystagmus (d. h. Drift der Augen in die Primärposition und Korrektursakkade nach außen) suggestiv für zentrale Ursache
      • alternierender Abdecktest → klare vertikale Einstellbewegung („skew deviation“) suggestiv für zentrale Ursache
      • neuartiger einseitiger Hörverlust (Prüfung mittels Flüsterzahlen oder Fingerreiben) ohne Hinweis für Ohrerkrankung → suggestiv für zentrale Ursache („Plus-Kriterium“)
    • Suche nach einer Rumpfataxie bei allen Patient*innen →
      • freies Sitzen oder Stehen ohne Abstützen nicht möglich → zentral
      • freies Stehen (im Tandemstand) und freies Gehen möglich → peripher oder zentral-vestibulär
    • Provokationsmanöver für die posterioren und lateralen Bogengänge bei typischen Provokationsfaktoren →
      • Hallpike-Dix-Manöver: torsionell-geotroper Nystagmus → BPLS des posterioren Bogengangs
      • Supine-Roll-Manöver: geotroper oder apogeotroper rein horizontaler Nystagmus → BPLS des lateralen Bogengangs
  • Empfehlungen
    • Priorität auf Suche nach gefährlichen akuten Schwindelursachen und dabei auf neurologische (z. B. Doppelbilder, [Hemi-]ataxie, Paresen, Dysarthrie), otologische (Ohrenschmerzen, Hörminderung) und kardiovaskuläre Begleitsymptome (Palpitationen, Arrhythmien, retrosternaler Druck) achten
    • bei Anamneseerhebung immer nach „Timing“ (Häufigkeit, Akuität, Dauer einzelner Episoden), Triggern (Provokations‑/Exazerbationsfaktoren), Begleitsymptomen sowie aktueller Medikation fragen
    • Qualität der Schwindelbeschwerden darf nicht zum Ausschluss einzelner Differenzialdiagnosen führen
  • Prüfung von HINTS (zuverlässige Durchführung mit Dauer von 2 – 3 min und Interpretation der HINTS-Untersuchung ist bereits nach wenigen Stunden Training möglich und erlaubt die Identifikation zentraler Ursachen mit hoher Genauigkeit mit Sensitivität von 95,3 %; CAVE: Unterscheidung in „peripheren HINTS“ und „zentralen HINTS“)
    • horizontale Kopfimpulstest („head impulse“, KIT) dient der Prüfung des vestibulookulären Reflexes (VOR) der horizontalen Bogengänge
      • rasche, kleinamplitudige (5–15° Auslenkung) Kopfrotationen in nicht vorhersehbarer Richtung und Amplitude, während die Patient*innen die Nasenspitze des Untersuchenden fixieren → Vorliegen von Korrektursakkaden spricht für eine VOR-Unterfunktion auf derjenigen Seite, zu welcher die rasche Kopfdrehung erfolgt
    • Prüfung okulomotorischer Zeichen wie exzentrische Blickhaltefunktion („nystagmus“: Prüfung bei 30° Lateralblick, Dauer ≥ 10 s)
    • Prüfung okulomotorischer Zeichen wie alternierende Abdecktest („test of skew“: abwechselndes Abdecken eines Auges, Frequenz = 0,5 Hz)
    • Als „zentral“ gelten die HINTS-Befunde, sofern eines/mehrere der 3 Zeichen auf eine zentrale Ursache hinweisen (Tab. 2, Tab S1). Sind die HINTS-Befunde „peripher“, so sollte zusätzlich nach einer neu aufgetretenen einseitigen Hörminderung gesucht werden, was als „HINTS plus“ bezeichnet wird ([12]; Tab. 2; Tab. S1; Abb. 2). Liegt eine solche vor, spricht dies bis zum Beweis des Gegenteils (Innenohrerkrankung wie z. B. Erstmanifestation eines M. Menière) für eine zentrale Ursache. Bei Patient:innen mit AVS sollte daher immer auch eine Otoskopie durchgeführt werden (s. unten).
  • Empfehlung
    • HINTS(plus)-Tests unterscheiden nur bei Patient*innen mit AVS (d. h. mit Spontan- oder Blickrichtungsnystagmus und persistierender Schwindelsymptomatik) diagnostisch trennscharf zwischen peripheren und zentralen Ursachen –> liegt kein Nystagmus vor (AIS), primär graduierte Prüfung der Stand‑/Gangfunktion

Lagerungsmanöver

  • besteht episodischer getriggerter Schwindel, HINTS(plus)-Tests nicht primär durchführen, sondern Suche nach benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPLS) mittels Lagerungsmanövern priorisieren
    • Hallpike-Dix-Manöver (a) zur Prüfung der posterioren Bogengänge (BG)
      • Nachweis eines Crescendo-decrescendo-Nystagmus mit torsionell-geotroper Schlagrichtung (d. h. rotatorisch sowie zur Erde schlagend) sowie Angabe von transientem Schwindel in Hallpike-Dix-Position sprechen für BPLS des posterioren BG; charakteristisch sind Latenz von wenigen Sekunden und Nystagmus- und Symptomdauer von 10 – 20 sec („Canalolithiasis“)
    • Supine-Roll-Manöver (b) zum Nachweis eines BPLS des lateralen BG
      • horizontaler geotroper (zur Erde schlagender) oder apogeotroper (von der Erde weg schlagender) Nystagmus begleitet von Schwindel im Supine-Roll-Manöver spricht für BPLS des lateralen BG
      • bei geotroper Variante ist die betroffene Seite diejenige mit mehr Nystagmus, bei der apogeotropen Variante ist es diejenige Seite mit weniger Nystagmus
      • Vorliegen eines geotropen (oder apogeotropen) Nystagmus sowohl bei Kopfdrehung nach links wie auch nach rechts erforderlich
    • Reposition eines BPLS des rechten posterioren Bogengangs mittels Epley-Manöver erfolgt schrittweise wie abgebildet und mit ausreichenden Pausen (30–60 s) pro Position (c)
    • bei Nachweis eines BPLS des lateralen Bogengangs ist für die Reposition mittels Gufoni-Manöver die Unterscheidung zwischen geotroper Variante (3a, hier für den linken lateralen Bogengang –> es erfolgt eine Kopfrotation „nose down“) und apogeotroper Variante (3b, hier für rechten lateralen Bogengang –> es erfolgt Kopfrotation „nose up“) entscheidend
Quelle: https://link.springer.com/article/10.1007/s00106-025-01598-0/figures/3
  • Empfehlung
    • Lagerungsmanöver sind insbesondere, aber nicht ausschließlich bei Patient*innen mit intermittierendem, positionsabhängigem Schwindel zu empfehlen (CAVE: Prüfung der posterioren und lateralen Bogengänge)

Ohruntersuchung

  • neurologische Untersuchung sowie Otoskopie und orientierende Prüfung des Gehörs bei allen Patient*innen mit Schwindel obligat
  • Fokus auf Suche nach Entzündungszeichen (z. B. Otorrhö, Rötung/Vorwölbung des Trommelfells, Bläschen/Krusten), Traumata (z. B. Stufenbildung/Blutung im Gehörgang, Trommelfellperforation) und Raumforderungen (z. B. Hornschuppen/epitympanale Retraktion des Trommelfells bei Cholesteatom)

Therapie

  • Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPLS)
    • medikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: ggf. Antiemetika oder Anxiolytika als Prämedikation vor Repositionsmanöver
      • Prophylaxe: Vitamin-D3-Supplementation empfohlen (bei Rezidiv)
    • nichtmedikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: Repositionsmanöver (Praxis/Notfall, zuhause), Physiotherapie (inkl. Heimübungen)
      • Prophylaxe/weitere therapeutische Maßnahmen: Anleitung zur selbstständigen Durchführung von Repositionsmanövern mit Hand-outs, Videos (z. B. https://novel.utah.edu), Smartphone-Apps
      • Follow-up: Nach 3–7 Tagen (telefonisch, remote per Video, in der Praxis)
      • Empfehlung für weitere Diagnostik/Therapie: Fachärztlich-neurologische und HNO-ärztliche spezialisierte vestibuläre Diagnostik/cMRT bei therapierefraktärer Symptomatik
  • Akute unilaterale Vestibulopathie (AUVP)
    • medikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: Steroide unter Berücksichtigung von Begleiterkrankungen erwägen gemäß S2k-Leitlinie „Vestibuläre Funktionsstörungen“ (DGHNO-KHC/DGN); ggf. Antiemetika (Domperidon, Metoclopramid, Ondansetron) und/oder Antivertiginosa (Cinnarizin ± Dimenhydrinat) für max. 2–3 Tage, ggf. raffinierter Trockenextrakt aus Ginkgo-biloba-Blättern (EGb 716) zur Förderung der zentralen Adaptation
      • Prophylaxe: keine
    • nichtmedikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: Physiotherapie (vestibuläre Rehabilitationstherapie, VRT)
      • Prophylaxe/weitere therapeutische Maßnahmen: Anleitung zur selbständigen Durchführung von VRT mit Hand-outs, Videos, Smartphone Apps
      • Follow-up: Verlaufskontrolle nach 2–4 Wochen empfohlen
      • Empfehlung für weitere Diagnostik/Therapie: dringliche Zuweisung in die Notfallabteilung, zum HNO-Arzt oder zum Neurologen bei ausgeprägter Klinik oder Verdacht auf zentrale Ursache sowie zur erweiterten qualitativen/quantitativen Vestibularisdiagnostik (siehe „Red Flags“)
  • Ischämischer/hämorrhagischer Schlaganfall („Stroke“)
    • medikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: ggf. Antiemetika (Domperidon, Metoclopramid, Ondansetron) zum Transfer
      • Prophylaxe: Sekundärprophylaxe gemäß Leitlinien (DGN, AHA/ASA)
    • nichtmedikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: Neurorehabilitation (ambulant, stationär)
      • Prophylaxe/weitere therapeutische Maßnahmen: Lifestyle-Modifikationen (gemäß Leitlinien zur Sekundärprophylaxe); weitere Maßnahmen siehe S2k-Leitlinie (DGN), Leitlinie AHA/ASA
      • Follow-up: regelmäßige Nachkontrollen gemäß Spezialist:in
      • Empfehlung für weitere Diagnostik/Therapie: umgehende Zuweisung zur nächstgelegenen Stroke Unit mittels Notarzt
  • Vestibuläre Migräne (VM)
    • medikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: Akutmedikation gemäß Guidelines (siehe Migräneattackenbehandlung)
      • Prophylaxe: entscheid zur Prophylaxe in RS mit Spezialist:in empfohlen
    • nichtmedikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: keine
      • Prophylaxe/weitere therapeutische Maßnahmen: Lifestyle-Modifikationen; eeitere Maßnahmen siehe Leitlinien
      • Follow-up: sofern Beginn einer Langzeitprophylaxe erfolgt Nachkontrolle nach 10–12 Wochen empfohlen
      • Empfehlung für weitere Diagnostik/Therapie: Zuweisung zum Neurootologen/in ein Schwindelzentrum empfohlen, ggf. parallel cMRT zum Ausschluss sekundärer Schwindel‑/Kopfschmerzursachen
  • M. Menière
    • medikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: Antiemetika (Domperidon, Metoclopramid, Ondansetron)
      • Prophylaxe: entscheid zur Prophylaxe in RS mit Spezialist:in empfohlen
    • nichtmedikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: keine
      • Prophylaxe/weitere therapeutische Maßnahmen: individuelles multimodales Therapiekonzept, „shared decision making“ mit u. a. folgenden Elementen wie Lifestyle-Modifikationen, Hörrehabilitation, Physio‑/Psychotherapie, Selbsthilfegruppen
      • Follow-up: i. d. R. spezialärztlich
      • Empfehlung für weitere Diagnostik/Therapie: Zuweisung zum Neurootologen/in ein Schwindelzentrum empfohlen, Ausschluss struktureller Ursachen (cMRT), ggf. Hydrops-MRT
  • Vestibuläre Paroxysmie
    • medikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: keine (Attacken i. d. R. zu kurz für symptomatische Therapie)
      • Prophylaxe: entscheidung zur Prophylaxe in RS mit Spezialist:in empfohlen (Carbamazepin, Oxcarbazepin, Lacosamid als Off-Label-Verwendung)
    • nichtmedikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: keine
      • Prophylaxe/weitere therapeutische Maßnahmen: keine
      • Follow-up: i. d. R. spezialärztlich
      • Empfehlung für weitere Diagnostik/Therapie: Zuweisung zum Neurootologen/in ein Schwindelzentrum empfohlen, Ausschluss struktureller Ursachen (cMRT)
  • „Persistent postural perceptual dizziness“ (PPPD)/funktioneller Schwindel
    • medikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: Verwendung von Antiemetika oder Antivertiginosa nicht empfohlen
      • Prophylaxe: Entscheidung zur Prophylaxe in RS mit Spezialist:in empfohlen (i. d. R. Antidepressiva)
    • nichtmedikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: keine
      • Prophylaxe/weitere therapeutische Maßnahmen: meist multimodaler Therapieansatz inkl. Patientenedukation (www.vestibular.org), Verhaltenstherapie, Physiotherapie (inkl. Heimübungen)
      • Follow-up: i. d. R. spezialärztlich
      • Empfehlung für weitere Diagnostik/Therapie: Zuweisung zum Neurootologen/in ein Schwindelzentrum empfohlen, Behandlung der auslösenden Erkrankung (z. B. BPLS, VM)
  • Bilaterale Vestibulopathie (BVP)
    • medikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: keine
      • Prophylaxe: keine
    • nichtmedikamentöse Therapien
      • Akutphase/symptomatisch: keine
      • Prophylaxe/weitere therapeutische Maßnahmen: Physiotherapie (inkl. Heimübungen mit Hand-outs, Smartphone Apps) Vermeiden ototoxischer Medikamente; Therapie anderer Sinneseinschränkungen (z. B. Sehen, Hören)
      • Follow-up: spezialärztliche Verlaufskontrolle nach 6 Monaten empfohlen
      • Empfehlung für weitere Diagnostik/Therapie: Zuweisung zum Neurootologen/in ein Schwindelzentrum empfohlen, Ausschluss zusätzlicher Pathologien (z. B. CANVA)

Empfehlungen

  • beim BPLS Durchführung von Repositionsmanöver (Semont plus/Epley für den posterioren BG; Gufoni/Barbecue für den lateralen BG)
  • bei V.a. Schlaganfall notfallmäßige Zuweisung in nächstgelegene Stroke Unit essenziell, bei akutem Thiaminmangel hochdosierte B1-Supplementation vordringlich
  • Antivertiginosa/Antiemetika auf Therapiedauer von max. 2 – 3 d begrenzen
  • Behandlung der vestibulären Migräne, des M. Menière und auch des funktionellen Schwindels in spezialärztlicher Absprache
Published inLeitlinien kompakt

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