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Politix – BVBRW-Stellungnahme „Zur Qualifikation von NotSan für den Einsatz im Fahrdienst der KV“

Der Bundesverband für Bildung im Rettungswesen (BVBRW) hat am 29.09.2025 eine Stellungnahme „Zur Qualifikation von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern für den Einsatz im Fahrdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen“ veröffentlicht. Die wichtigsten Punkte aus der Stellungnahme gibt es heute bei FOAMio Politix.

Ausgangslage: Status quo und Defizite

  • Professionalisierung durch dreijährige, bundesgesetzlich geregelte NotSan-Ausbildung
  • weiterhin gravierende Unterschiede in der Umsetzungsrealität der erworbenen Kompetenzen zwischen Bundesländern und Regionen
  • ca. 1/3 der Einsätze im Rettungsdienst betrifft mittlerweile Patient*innen, deren Gesundheitsprobleme nicht akut lebensbedrohlich sind, sondern differenzierte Fallsteuerung oder psychosoziale Begleitung bedürfen
  • Fokus der bisherigen Notfallsanitäterausbildung und -praxis liegt jedoch vorrangig auf der Behandlung vital akut Gefährdeter, weniger auf komplexen, aber nicht lebensbedrohlichen Szenarien (BVBRW-Forderung: Überarbeitung der NotSan-APrV)
  • gleichzeitig besorgniserregender Personalmangel im ärztlichen Bereitschaftsdienst (v.a. im ländlichen Raum)
  • Pilotprojekte und Modellregionen zeigen, dass eigens weiterqualifizierte NotSan (z.B. „Gemeinde-NotSan“) viele Aufgaben übernehmen können, für die bislang ärztliches Personal erforderlich war

Zielbild: akademisierte NotSan als Schlüsselakteur*innen der Versorgungssteuerung

  • zukunftsfähige außerklinische Versorgung erfordert Notfallsanitäter und Notfallsanitäterinnen, die
    • Patient*innen auch außerhalb des klassischen notfallmedizinischen Spektrums
      differenziert einschätzen und gezielt steuern
    • eigenständig und fallabschließend weniger komplexe akute Erkrankungen behandeln
    • Beratung und Lotsenfunktion zur sektorenübergreifenden Versorgung übernehmen
    • all dies auf Basis einer erweiterten, praxis- und theoriegerechten Qualifizierung tun
  • Anforderungen gehen über die Möglichkeiten der dreijährigen Berufsausbildung hinaus und erfordern zusätzliche Qualifikationen und Kompetenzen
  • Aufbauoption eines Studiums (Bachelor/Master) schafft zusätzliche benötigte Kompetenzen und zugleich Karriereperspektiven, hebt das Berufsbild auf ein europäisch anschlussfähiges Niveau, sichert Qualität und trägt zur Personalbindung bei

Wege und Optionen der Weiterqualifizierung

  • modularisierte fachschulische Weiterbildung (DQR 5)
    • erweiterte Module zu Differenzialdiagnostik, Patientensteuerung und -beratung, Pharmakologie, Nutzung von Telemedizin sowie psychosozialer, pflegerischer und palliativer Versorgung als fachliche Grundlage für erweiterte Ausübung der fachgebundenen Heilkunde
    • Voraussetzung sind standardisierte, auf Bundesebene geregelte Fortbildungsordnungen und regelmäßige Rezertifizierungen
    • Ausbau von Kompetenzen, um – falls erforderlich unter telemedizinischer Supervision – verantwortliche fachgebundene heilkundliche Tätigkeiten ausführen zu können unter klarer rechtlicher Rahmung
    • berufsbegleitende Angebote, ermöglichen auch Weiterqualifizierung erfahrener Praktiker*innen parallel zur beruflichen Tätigkeit
  • akademische Qualifizierung an Hochschulen (DQR 6)
    • Bachelorprogramme (perspektivisch auch Masterprogramme) als breites wissenschaftliches Fundament und fokussieren zusätzlich auf Führung, Management, gesundheitliche Prävention, vertiefte klinische Diagnostik bzw. Fertigkeiten –> Fundament für erweiterten heilkundlichen Kompetenzrahmen
    • klare berufliche Perspektiven für Berufseinsteiger*innen und bereits beruflich Tätige, erhöhen die Attraktivität im Beruf und erhöhen die Verweildauer im Beruf
    • Weg folgt konsequent den Empfehlungen der 9. Stellungnahme der Regierungskommission zur Reform der Notfall- und Akutversorgung – Rettungsdienst und Finanzierung
    • spezialisierte Studiengänge sind an den staatlichen Hochschulen Ansbach und Deggendorf bereits verfügbar
  • Durchlässigkeit und flexible Karrierepfade
    • konsequente Durchlässigkeit des gesamten Bildungspfades ist für das Berufsfeld Rettungsdienst von zentraler Bedeutung, aber aktuell noch nicht voll umfassend möglich
    • konsequente Verknüpfung von horizontaler (z.B. RS → NotSan → Bachelor NotSan mit erweiterter fachgebundenen Heilkunde (Studium)) und vertikaler Entwicklung und Durchlässigkeit (z.B. Praxis → Lehre/Leitung/Wissenschaft)
    • nationale Einheitlichkeit von Weiterbildungsmodulen zur Vermeidung von Insellösungen und Verbesserung der Mobilität im Arbeitsmarkt
    • bisher geleistete Qualifikationsprogramme, z. B. von Pilotprojekten, müssen anrechenbar sein

strukturelle, rechtliche, finanzielle und technische Voraussetzungen

  • Standardisierung und Digitalisierung
    • Entwicklung und bundesweite Umsetzung einheitlicher Curricula und Weiterbildungsrahmen, auch auf Basis internationaler und europäischer Standards
    • verstärkte Integration der digitalen Patientenakte und Echtzeit-Telemedizin, um NotSan in ihrer erweiterten Rolle abzusichern und Prozesse zu optimieren
    • Einrichtung digitaler Schnittstellen zw. Leitstellen, RD, KHs und vertragsärztlichen Diensten zur besseren Versorgungsteuerung
  • Rechtssicherheit
    • klare Verankerung der rettungsdienstlichen Tätigkeit im Sozialgesetzbuch (SGB V), NotSanG und möglicher Berufsordnung
    • haftungsrechtliche Absicherung für fallabschließende, eigenverantwortliche Entscheidungen
  • Finanzierung und Vergütung
    • klare Regelung zur Finanzierung der Weiterqualifizierung durch die Kostenträger
    • Anpassung der Vergütungssysteme entsprechend den erweiterten Anforderungen und Verantwortlichkeiten unter Einbindung der Tarifparteien
  • Kooperation und Einbindung in die Versorgungspfade
    • Definition einer adaptierten Rettungsdienststruktur und zugehöriger sowie disponierbarer Einsatzmittel für erweitertes Kompetenzniveau (z. B. Rettungseinsatzfahrzeug besetzt mit einem Gemeinde-NotSan)
    • flächendeckende Einführung telemedizinischer Back-up-Systeme (z.B. Tele-Notärzt*in oder Tele-Fachärzt*in) mit belegtem Nutzen für Qualität und Patient*innensicherheit
    • institutionsübergreifende Abstimmung zwischen kassenärztlichem Notdienst, RD und ambulanter/stationärer Versorgung

Einsatz von RS und MFA

  • Einsatz von RS ist in diesen neuen Versorgungsformen aufgrund der nicht ausreichenden Qualifizierung abzulehnen, ebenso bei MFA

Vorteile und Handlungsbedarfe

  • Vorteile der umfassenden Weiterqualifizierung von NotSan
    • bessere Versorgung und Steuerung von Patient*innen, v.a. für niedrigprioritäre Notfälle
    • Entlastung von Notaufnahmen und (Not-)Ärzt*innen (somit effizienterer Ressourceneinsatz)
    • höhere Attraktivität, Fachkräftesicherung und Entwicklungsperspektiven im RD
    • internationale anschlussfähige Qualifikation
  • Handlungsempfehlungen
    • bundesweit standardisierte, modulare und akademische Weiterqualifizierung muss für neue bzw. erweiterte Versorgungsformen der Regelfall, nicht die Ausnahme sein
    • rechtssichere Übertragung fachgebundener heilkundlicher Tätigkeiten an NotSan mit erweitertem Kompetenznachweis
    • flächendeckende telemedizinische Back-up-Systeme zur Unterstützung des eigenverantwortlichen Handelns und Vergrößerung des fallabschließenden Spektrums
    • attraktive, der Verantwortung angemessene Vergütungs- und Entwicklungsperspektiven
    • gesetzliche und finanzielle Weichenstellungen zur schnellen und nachhaltigen Umsetzung, begleitet von Qualitätssicherung und Forschung
    • folgende konsequente Verankerung neuer Versorgungsformen in den Landes-RDGs
Published inPolitix by FOAMio

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