veröffentlichende Fachgesellschaft: World Society of Emergency Surgery (WSES) & American Association for the Surgery of Trauma (AAST)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 15.10.2025
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.1186/s13017-025-00651-1
Verletzungen der Thoraxwand
- hämodynamische Instabilität ist Kontraindikation für chirurgische Stabilisierung von Rippenfrakturen
- operative Stabilisierung von Rippenfrakturen bei allen hämodynamisch stabilen Patient*innen mit instabilem Thorax erwägen
- operative Stabilisierung der Rippenfrakturen bei Patient*innen mit Rippenserienfraktur (≥ 3; an den Rippen 3 bis 10) erwägen, sofern diese ipsilateral und stark verschoben sind und/oder bei schlechtem Ansprechen auf mechanische Beatmung oder wenn Entwöhnung nicht möglich
- operative Stabilisierung von Rippenfrakturen innerhalb von 48 – 72 h nach Verletzung
- sofern ein frühzeitiges Eingreifen kontraindiziert ist, operative Stabilisierung von Rippenfrakturen möglichst bald, innerhalb von 3 – 7 d nach Verletzung
- operative Stabilisierung von Rippenfrakturen bei starken Schmerzen erwägen, die auf andere Behandlungen nicht ansprechen
- SHT und Lungenkontusion stellen keine absoluten Kontraindikationen für chirurgische Stabilisierung von Rippenfrakturen dar
- fortgeschrittenes Alter, erhebliche kardiopulmonale Begleiterkrankungen, aktive Krebserkrankungen oder andere terminale Krankheiten stellen relative Kontraindikationen für die chirurgische Stabilisierung von Rippenfrakturen dar (Einzelfallbeurteilung zwingend erforderlich)
- bei Patient*innen mit Empyem oder vorangegangener Bestrahlung des Thorax erfordert die operative Stabilisierung von Rippenfrakturen sorgfältige Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses
- bei V.a. Verletzung intrathorakaler Organe oder bei Vorliegen eines signifikanten Hämato- oder Pneumothorax trotz Thoraxdrainage zum Zeitpunkt der chirurgischen Stabilisierung von Rippenfrakturen videoassistierte Thorakoskopie in Betracht ziehen
- Anlage Thoraxdrainage, sofern die Pleurahöhle bei der chirurgischen Stabilisierung von Rippenfrakturen offen ist
- bei signifikanten Defekten der Brustwand mit Lungenhernie oder mit dem Risiko einer Hernienentwicklung, Reperation der Defekte
Zwerchfellverletzungen
- Verletzungen des Zwerchfells immer so bald wie möglich operieren, sobald der Zustand des Patient*innenen dies zulässt
- Anlage Thoraxdrainage nach Reparatur einer Zwerchfellverletzung
Pleuraverletzungen
Pneumothorax und Hämatothorax
- Spannungspneumothorax und massiver Hämothorax sind lebensbedrohliche Zustände, die sofortige Erkennung und Behandlung erfordern
- Thoraxdrainage ist die Therapie der Wahl bei einfachem und Spannungspneumothorax sowie Hämatothorax
- Anlage Thoraxdrainage bei stabilen Patient*innen mit Hämatothorax von ≥ 500 mL
- großlumige Thoraxdrainage bei traumatisch instabilen Patient*innen mit Hämatothorax unabhängig von der Größe der Thoraxdrainage
- konservative Behandlung mit mind. 24 h Beobachtung bei stabilen Patient*innen mit kleinem Pneumothorax (≤ 2 cm)
- konservative Behandlung bei stabilen Patient*innen mit kleinem Hämatothorax (< 300 mL)
- OP angezeigt bei hämodynamischer Instabilität aufgrund von Blutungen im Thoraxbereich oder bei Blutverlust über Thoraxdrainage > 1500 mL in 24 h oder > 200 mL/h über 3 h in Abwesenheit anderer Blutungsursachen
Verletzungen der Atemwege/Lunge
Lungenparenchymverletzungen
- Erstversorgung mit Fokus auf Stabilisierung des respiratorischen und Kreislaufzustands, inkl. O2-Gabe sowie mechanischer Beatmung, falls erforderlich
- effektive Analgesie erleichtert Atmen und Husten und verringert so das Risiko von Lungenentzündung und Atelektasen
- konservative Behandlung bei den meisten Lungenparenchymverletzungen möglich (OP nur in Fällen von anhaltendem Luftaustritt, hämodynamischer Instabilität aufgrund von Blutungen oder damit verbundenen Thoraxverletzungen)
- bei Bedarf zusätzlichen O2 und/oder mechanische Beatmung, um beatmungsbedingte Atemwegs- oder Lungenschäden zu minimieren
- lungenschonende Operationstechnik zur Erhaltung des Lungengewebes und der Lungenfunktion immer dann, wenn chirurgischer Eingriff erforderlich ist
- frühzeitige Atemphysiotherapie und Mobilisierung fördern, um Lungenerholung zu verbessern und Komplikationen vorzubeugen
- regelmäßige Nachuntersuchung mit Bildgebung zur Beurteilung der Ausheilung von mittelschweren bis schweren Parenchymverletzungen und zur Beurteilung möglicher chronischer Komplikationen
- Lungenfunktionstests zur Beurteilung des langfristigen respiratorischen Status und zur Steuerung der Rehabilitationsmaßnahmen, v.a. bei Patient*innen mit umfangreichen Verletzungen oder solchen, die eine längere Genesungszeit benötigen
Atemwege (Verletzungen der Luftröhre und der Bronchien)
- initial Fokus auf Sicherung der beeinträchtigten Atemwege bei erheblichen Verletzungen der Luftröhre oder der Bronchien
- sorgfältige Intubation, ggf. unter bronchoskopischer Kontrolle, um Beatmung zu gewährleisten, ohne die zugrunde liegende Verletzung zu verschlimmern
- konservative Behandlung bei kleinen, unkomplizierten Verletzungen der Tracheobronchien, inkl. engmaschiger Überwachung und Infektionskontrolle
- OP indiziert bei großen Rupturen, signifikanten Luftleckagen oder Verletzungen mit Ösophagusverletzung, Gefäßschädigung oder persistierendem Pneumothorax trotz Thoraxdrainage (OP-Zeitpunkt richtet sich nach Allgemeinzustand der Patient*innen und Vorliegen von Begleitverletzungen)
- fortgesetzte Beatmungsunterstützung ggf. postoperativ erforderlich (Entwöhnung einleiten, sobald dies klinisch möglich ist)
- prophylaktische Antibiotikagabe zur Vorbeugung von Infektionen erwägen, v.a. im Rahmen einer chirurgischen Reparatur oder verzögerter Drainage eines Hämatothorax
- regelmäßige Nachuntersuchungen unerlässlich, um Heilungsprozess zu überwachen und eventuelle Spätkomplikationen zu erkennen
Gefäße
- umgehende offene Exploration im OP bei hämodynamisch instabile Patient*innen mit V.a. Gefäßverletzungen (Hybrid-OP ist praktikable Alternative, bei sowohl offene als auch endovaskuläre Techniken gleichzeitig angewendet werden können)
- minimalinvasive endovaskuläre Therapie als ersten Ansatz bei hämodynamisch stabilen Patient*innen mit Verletzungen der Thoraxarterien
- traditionelle chirurgische Verfahren solchen Szenarien vorbehalten, wie z. B. anhaltenden Blutungen, die auf konservative Maßnahmen nicht ansprechen und sofortiges Eingreifen erfordern
- strukturiertes Nachsorgeprogramm empfohlen, das bildgebende Überwachungsmethoden zur Kontrolle und zur Identifizierung von Spätkomplikationen umfasst
posttraumatische Lungenerkrankung und Lungenfunktionsstörung
Lungenkontusion
- Fokus auf O2-Gabe zur Aufrechterhaltung einer ausreichenden Sauerstoffversorgung und Analgesie zur Erleichterung von tiefer Atmung und Husten
- bei Atemversagen NIV oder mechanische Beatmung unter sorgfältiger Überwachung, um weitere Lungenschäden zu vermeiden
nekrotisierende Lungeninfektionen
- hochauflösende Computertomographie für detaillierte Beurteilung
- Entnahme von Blut-, Sputum- und, falls möglich, Pleuraflüssigkeitsproben zur Identifizierung der Erreger
- Behandlung mit Breitspektrumantibiotika so früh wie möglich und angepasst an die Kulturergebnisse
- chirurgisches Débridement bei Versagen der medikamentösen Therapie, um nekrotisches Gewebe zu entfernen und Infektionsquellen zu kontrollieren
Pseudozyste
- posttraumatische Lungenzysten und Pseudozysten konservativ behandeln, wobei auf Veränderungen der Größe oder der Symptome zu achten ist
- chirurgischer Eingriff ist bei Infektionen, schweren Blutungen oder Versagen der konservativen Therapie angezeigt
- radiologische Nachbeobachtung bis zur vollständigen Auflösung der Lungenzysten und Pseudozysten
Empyem
- Analyse der Pleuraflüssigkeit zur Bestätigung der Diagnose, inkl. pH-Wert-, Glukose-, LDH- und Kulturuntersuchung
- Breitband-Antibiotikatherapie so früh wie möglich und angepasst an die Kulturergebnisse
- Thoraxdrainage zur Flüssigkeitsableitung indiziert
- OP indiziert, wenn konservative Therapie erfolglos bleibt oder wenn sich der klinische Zustand aufgrund intrathorakaler Infektionen verschlechtert
kardiorespiratorisches Versagen oder schwere respiratorische Funktionsstörung
- umgehende Erkennung einer schweren hämodynamischen Instabilität und/oder schweren respiratorischen Dysfunktion sowie Behandlung entsprechend dem Allgemeinzustand der Patient*innen und den verfügbaren lebenserhaltenden Maßnahmen
- wenn konventionelle Behandlung bei kardiorespiratorischer Insuffizienz unwirksam, ECMO in Betracht ziehen
- Einsatz von ECMO individuell auf Bedürfnisse der Patient*innen abgestimmt (VA-ECMO unterstützt sowohl Herz- als auch Lungenfunktion; VV-ECMO zur Unterstützung bei akuter Atemnot/Atemversagen)
- Antikoagulation nur dann für einige Stunden oder Tage aussetzen, wenn dies unbedingt erforderlich ist


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