Zum Inhalt springen

Leitlinie „Management of patients with acute chest pain“ von SIRM & SIC

veröffentlichende Fachgesellschaft: Italian Society of Cardiology (SIC) & Italian Society of Medical and Interventional Radiology (SIRM)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 23.09.2025
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.1007/s11547-025-02076-x

Grundsätzliches

  • Definition „akuter Brustschmerz“: nicht-traumatische Brustschmerzen, die neu auftreten oder sich akut in ihrem Beginn, ihrer Intensität oder Dauer verändern
  • Begriff „akuter Brustschmerz“ umfasst breites Spektrum an thorakalen Symptomen, darunter echte präkordiale Schmerzen oder Empfindungen wie Druck, Engegefühl, Schweregefühl, Quetschgefühl oder Brennen
  • Schmerz auch außerhalb des Thoraxbereiches auftreten und in andere Körperregionen wie Schulter, Arm, Hals, Oberbauch oder Kiefer ausstrahlen
  • akuter Brustschmerz macht etwa 8 – 10 % der jährlichen Notaufnahme-Patient*innen > 18 Jahren aus (etwa 5 % davon haben ACS)

Anamnese & Diagnostik

  • erste klinische Beurteilung zielt auf die schnelle Erkennung und Behandlung potenziell lebensbedrohlicher Zustände wie ACS, Aortendissektion, Lungenembolie und infarktähnliche Myokarditis ab
  • mögliche Begleitsymptome sind Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Schwitzen, Müdigkeit oder Bewusstseinsstörungen, die mitunter das Hauptsymptom darstellen können
  • CAVE: hyperakute, flüchtige, atemabhängige (pleuritische) oder lageabhängige sowie punktuell lokalisierte Symptome wahrscheinlich nicht auf eine Myokardischämie zurückzuführen
  • klinische Untersuchung sollte detaillierte Beschreibung der Brustschmerzen und der Begleitsymptome umfassen, inkl. Beginn, Dauer, Lokalisation, Ausstrahlung sowie lindernder oder verschlimmernder Faktoren
  • klinische Beurteilung sollte darauf abzielen, Anzeichen zu identifizieren, die mit einem hohen Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko verbunden sind, z.B.
    • Anzeichen einer verminderten Herzleistung (z. B. Tachykardie, Hypotonie, kalte Extremitäten, geringe Urinausscheidung, veränderter Bewusstseinszustand)
    • Anzeichen einer Herzinsuffizienz (z. B. Lungenödem, erhöhter Jugularvenendruck, periphere Ödeme)
    • neu aufgetretenes systolisches Herzgeräusch, das auf akute Mitralklappeninsuffizienz oder Ventrikelseptumdefekt hindeutet
  • Anzeichen, die auf alternative Ursachen für ACS hindeuten
    • Fieber (Endokarditis oder Lungenentzündung)
    • Blutdruckdifferenz zwischen Pulsen (Aortendissektion)
    • Lungenanomalien, die bei Auskultation oder im Thorax-Röntgenfestgestellt wurden (Lungenentzündung oder Pneumothorax)
    • Perikardreiben (Perikarditis)
    • andere Herzgeräusche (z. B. Aortenstenose, Endokarditis)
  • Troponin
    • hochsensitives kardiales Troponin T (hs-cTnT) und hochsensitives kardiales Troponin I (hs-cTnI) sind die bevorzugten Serum-Biomarker zur Beurteilung bei V.a. ACS
    • Troponinkonzentrationen als ganze Zahlen in Nanogramm pro Liter (ng/L) angeben
    • geschlechtsspezifische Grenzwerte des 99. Perzentils empfohlen, um diagnostische Sensitivität bei Frauen und Spezifität bei Männern zu erhöhen
    • serielle Messungen mittels 0h/1h- oder 0h/2h-Algorithmen für zeitnahen Nachweis bzw. Ausschluss eines ACS empfohlen
  • Bildgebung
    • sowohl Thorax-Röntgen als auch Echokardiographie sind kostengünstige und weit verbreitete bildgebende Verfahren der 1. Wahl, v.a. bei Patient*innen mit akuter zerebraler Peritonitis
    • Koronar-CT-Angiographie (CCTA) ist klinischer Goldstandard für Ausschluss einer obstruktiven KHK

Elektrokardiogramm (EKG)

  • Eckpfeiler der Erstbeurteilung und Behandlung von Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS)
  • EKGs können in drei Kategorien eingeteilt werden
    • STEMI oder STEMI-Äquivalent
    • ischämische ST-Strecken- oder T-Wellen-Anomalien
    • nicht-ischämische Muster, zu denen normale EKGs, unspezifische Befunde, linksventrikuläre Hypertrophie (mit oder ohne ST-Streckenveränderungen), Links- oder Rechtsschenkelblock oder ventrikulärer Schrittmacherrhythmus gehören, die die Sgarbossa-Kriterien oder modifizierten Sgarbossa-Kriterien für akuten Myokardinfarkt nicht erfüllen
  • instabiler Angina pectoris (UA) bzw. NSTEMI
    • Diagnose basiert auf neu aufgetretenen, sich verschlimmernden Brustschmerzen in Ruhe oder bei geringer Belastung, ohne dass Biomarker für Myokardschädigung oder -nekrose erhöht sind
    • EKG-Veränderungen erhöhen Wahrscheinlichkeit der Diagnose, allerdings können EKG-Veränderungen bei mehr als einem Drittel der NSTEMI-Patient*innen vollständig fehlen
    • prognostische Aussagekraft von T-Wellen-Inversionen ist geringer als die von ST-Strecken-Senkungen (ST-Strecken-Senkungen dienen zudem als quantitativer prognostischer Risikomarker)
  • bei STEMI ist die Summe der ST-Streckenhebungen über alle Ableitungen ein klinischer Marker für ischämisches Myokard und gefährdetes Myokard

Risikostratifizierung & -klassifizierung

  • Kategorisierung bei V.a. ACS anhand initialem EKG und Biomarker
    • Patient*innen mit akutem Brustschmerz (oder gleichwertigen Symptomen) und persistierender ST-Streckenhebung (oder gleichwertigen ST-Streckenhebungsmustern) im EKG –> STEMI
    • Patient*innen mit akutem Brustschmerz (oder gleichwertigen Symptomen), aber ohne persistierende ST-Streckenhebung (oder gleichwertige ST-Streckenhebungsmuster) im EKG, mit erhöhten und/oder erniedrigten cTn-Werten (CAVE: mind. ein Wert> 99. Perzentil der oberen Referenzgrenze) –> NSTEMI
    • Patient*innen mit akutem Brustschmerz ohne Anzeichen einer akuten Kardiomyozytenschädigung/Nekrose, begleitet von spezifischen klinischen Symptomen wie verlängerte Angina pectoris (> 20 min) in Ruhe, neu aufgetretene schwere Angina pectoris, zunehmende Häufigkeit oder Dauer der Angina pectoris oder Angina pectoris bei minimaler Anstrengung oder Angina pectoris nach kürzlich aufgetretenem AMI –> instabile AP

Risikokriterien für NSTEMI

  • NSTEMI mit sehr hohem Risiko
    • hämodynamische Instabilität oder kardiogener Schock
    • wiederkehrende/anhaltende Brustschmerzen, die nicht auf medikamentöse Therapie ansprechen
    • Herzstillstand nach Vorstellung oder lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen
    • mechanische Komplikationen
    • akutes Herzversagen aufgrund anhaltender Ischämie
    • wiederkehrende dynamische EKG-Veränderungen, die auf eine Ischämie hindeuten, v.a. intermittierende ST-Streckenhebungen
  • NSTEMI mit hohem Risiko
    • NSTEMI durch empfohlene hs-cTn-Algorithmen bestätigt
    • dynamische ST-Strecken- und T-Wellen-Veränderungen
    • vorübergehende ST-Streckenhebung
    • GRACE-Risikoscore > 140

organisatorische und logistische Aspekte

  • Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen, v.a. Kardiologie und Radiologie, ist unerlässlich
  • gemeinsame Diagnosepfade, die in der klinischen Praxis umgesetzt werden sollen
  • Verfügbarkeit moderner radiologischerBildgebung, v.a. CCTA, spielt Schlüsselrolle in der Behandlung der Untergruppe von Patient*innen, die sich mit akutem Aortensyndrom (AAS) in der Notaufnahme vorstellen
  • alle Strategien werden durch die angemessene Ausbildung in kardiovaskulärer Bildgebung und durch verfügbare kontinuierliche Weiterbildungsinitiativen unterstützt
  • Realisierung spezifischer ambulanter Behandlungspfade für erweiterte kardiale Bildgebung (verzögerte Nachuntersuchung mittels erweiterter kardialer Bildgebung nach Entlassung)
Published inLeitlinien kompakt

Sei der Erste der einen Kommentar abgibt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert