veröffentlichende Fachgesellschaft: Queensland Hospital and Health Service
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 21.02.2023
Ablaufdatum: 21.02.2026
Quelle/Quelllink: https://www.childrens.health.qld.gov.au/qpec-statewide-guidelines/
Grundsätzliches
- frühzeitige Erkennung und Behandlung ist unerlässlich, idealerweise innerhalb von 60 Minuten nach der Vorstellung
- bei jedem Kind mit akuter Erkrankung oder neu aufgetretener Organfunktionsstörung an Sepsis denken
- Diagnose basiert auf klinischer Beurteilung, unterstützt durch Laborbefunde
- Sterblichkeitsrate bei unbehandeltem septischen Schock: > 80 %
- Sterblichkeitsrate bei behandeltem septischen Schock: 15 – 20 %
Definitionen
- pädiatrische Sepsis
- lebensbedrohliche Organdysfunktion aufgrund einer dysregulierten Reaktion des Wirts auf eine Infektion
- Syndrom, beeinflusst durch Erreger-Wirt-, Zeit-, Umwelt- und Gesundheitssystemfaktoren
- häufigste Krankheitserreger: Bakterien, aber auch Viren- oder Pilzinfektionen
- septischer Schock
- tiefgreifende Kreislauf-, Zell- und Stoffwechselstörung verbunden mit höherem Sterberisiko
- finalisiert in kardiovaskulärer Organdysfunktion, bei der die Hypotonie bei Kindern ein spätes und oft prä-terminales Zeichen ist
- toxisches Schocksyndrom
- potenziell lebensbedrohliche Untergruppe
- verursacht durch Superantigene von Toxin produzierenden Stämmen des Staphylococcus aureus oder Streptococcus pyogenes
Risikofaktoren (hohes Sepsisrisiko)
- Neugeborene und Frühgeborene
- Patient*innen mit geschwächtem Immunsystem
- nicht immunisiert oder unvollständiger Impfstatus
- maligne Erkrankungen und/oder Chemotherapie
- Asplenie (chirurgisch oder funktionell, z.B. Sichelzellenkrankheit)
- langfristige Steroideinnahme
- immunsuppressive Arzneimitteltherapie
- kürzliche chirurgische Eingriffe (innerhalb von 6 Wochen)
- intravenöser Drogenkonsum in der Freizeit
- Verweilkanäle oder Katheter ohne regelmäßige Wechsel
- kürzlich stationär aufgetretene Sepsis (innerhalb von 6 – 12 Wochen)
Symptome
Sepsis
- Erscheinungsbild variiert je nach Alter
- bei Säuglingen und Neugeborenen
- häufig unspezifische Symptome wie Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme und/oder Atemstillstand
- bei älteren Kindern
- identifizierbare Infektionsquelle
- Fieber oder Hypothermie
- Übelkeit und/oder Erbrechen
- anhaltende Tachykardie, meist bei gleichzeitiger Hypotonie
- Bewusstseinsveränderung
- verminderte periphere Durchblutung
- Schmerzen ohne erkennbare Ursache
- Krampfanfälle bei schweren Verläufen
- ggf. auffälliger marmorierter, purpurner Ausschlag
- schwere Tachypnoe, erhöhte Atemarbeit
- Dyspnoe, Grunzen/Giemen, schwaches Schreien
- Atemstillstand
- Anzeichen einer mittelschweren bis schweren Dehydrierung
septischer Schock („Weiterentwicklung“ der Sepsis)
- von erweiterten Blutgefäßen und starkem Puls bis zu kalten, marmorierten Kindern
- ggf. auch Normotonie; Hypotension ist ein spätes und oft letztes Anzeichen für einen septischen Schock bei Kindern
- Schock mit Vasokonstriktion (häufiger bei jüngeren Kindern)
- distributiver Schock mit Capillary Leak, Vasokonstriktion und relativer Myokarddepression
- kalte Peripherie und verlängerte Rekap-Zeit
- Tachykardie; relative Bradykardie ist präterminales Zeichen
- RR bleibt lange normoton aufrechterhalten
- Schock mit Vasodilatation (häufiger bei älteren Kindern und Erwachsenen)
- Verteilungsschock mit Vasoplegie, Capillary Leak und häufig erhaltener Herzfunktion
- schnelle Rekap-Zeit (aufgrund Vasoplegie bei niedrigem systemischen Gefäßwiderstand und Blutdruck)
- kräftiger peripherer Puls bzw. hoher Pulsdruck (Hinweis auf niedrigen Blutdruck)
- Progression zu niedrigem Herzzeitvolumen
- Tachykardie; relative Bradykardie ist präterminales Zeichen
- Präsentation des Kinders hat keinen Einfluss auf Behandlung oder Art der inotropen Unterstützung
toxisches Schocksyndrom
- hohes Fieber
- Erbrechen
- Durchfall
- Myalgien
- Verwirrung
- Kollaps
- i.d.R. ausgedehnter erythematöser Ausschlag
Anzeichen für unzureichende Perfusion mit Endorganschäden
- Bewusstseinszustand
- zunehmende Lethargie, Schläfrigkeit oder Benommenheit
- häufig Unruhe und/oder Agitiertheit (CAVE: Verwechslung mit „lebhaftem Kind“)
- Reizbarkeit und/oder Apnoen bei Säuglingen
- elterliche Besorgnis über Verhaltensveränderung als starker Indikator
- Haut
- Temperaturgefälle vom Körperkern zu den Extremitäten
- fleckige Farbe
- verlängerte Rekap-Zeit
- purpurner Ausschlag und/oder petechiale Einblutungen (Purpura fulminans = weit verbreiteter, nicht blasser, purpurner Ausschlag; klassischerweise bei Meningokokkämie, aber auch bei schwerer Sepsis durch Pneumokokken)
- kardiovaskuläre Symptome
- Tachykardie als eines der ersten Anzeichen
- Anzeichen Herzinsuffizienz (Hepatomegalie, Galopprhythmus und gestaute Halsvenen) mit Myokarddepression
- pulmonale Symptome
- Tachypnoe und ggf. Kussmaul-Atmung (Gegenregulation zu metabolischer Azidose/Laktatazidose)
- ARDS mit fortschreitender Verschlimmerung der Atemnot (Tachypnoe, erhöhte Atemarbeit), Hypoxie und fokalen Brustkorbzeichen (verminderte Atemgeräusche, inspiratorische Krepitationen)
- Nieren
- verminderte Urinausscheidung
Anamnese & Diagnostik
- Erstdiagnose kann vage und unspezifisch sein, insbesondere bei Neugeborenen
- Diagnose nach klinischem Ermessen gestellt und durch Labortests unterstützt/bestätigt
- kein einzelner Befund oder Test gilt alleine als diagnostisch wegweisend/abschließend
- Blutuntersuchung mit Blutkulturen und BGA mit Laktat und Glukose
Therapie (innerhalb der ersten 60 min)
- frühzeitige aggressive Behandlung mit den Zielen
- Verringerung Tachykardie
- Verbesserung periphere Durchblutung
- Wiederherstellung normaler Bewusstseinszustand
- Airway
- Atemwege des Patienten durch Lagerung und Atemwegshilfen freihalten
- frühzeitige Intubation zur zusätzlichen Unterstützung der Atmung, zum Schutz der Atemwege bei Kindern, die grunzen, bewusstlos, trotz zusätzlichen Sauerstoffs hypoxisch oder im Schockzustand sind
- PEEP-Beatmung, auch während Vorbereitung der Intubation
- bei Intubation auf negativ-inotrope Medikamente wie Midazolam oder Propofol verzichten und Adrenalin bei Herz-Kreislauf-Stillstand bereithalten
- 0,5 – 1mg/kg Ketamin und/oder 1 – 2 μg/kg Fentanyl und 1,2 mg/kg Rocuronium für RSI
- Reduktion der Dosis der Einleitungsmedikamente bei einem Kind mit erheblichen kardiovaskulären Problemen (50% der gewichtsbezogenen Dosis)
- Einlage nasogastrische Sonde erwägen, um Magenüberblähung zu vermeiden
- Breathing
- hochdosierte O2-Gabe und/oder weitere Unterstützung der Atmung
- Circulation
- Anlage von i.v.- oder alternativ i.o.-Zugang (Nabelvenenzugang bei Neugeborenen bis zu 2 Lebenswochen)
- 10 – 20 mL/kg balancierter Vollelektrolytlösungen oder NaCl 0,9 % als Bolus (CAVE: hypotone Lösungen niemals als Bolustherapie verwenden)
- Applikation in weniger als 5 min mit 50-ml-Spritze
- Titrieren bis Reaktion: Senkung der Herzfrequenz und Verbesserung der Endorganperfusion
- ggf. bei Bedarf wiederholen und auf Anzeichen einer Flüssigkeitsüberlastung achten
- inotrope Unterstützung mit 0,1 μg/kg/min Adrenalin nach 60 min erwägen, wenn nach Gabe von 40 – 60 ml/kg VEL oder NaCl 0,9% keine Normophysiologie hergestellt ist bzw. jederzeit, wenn eine Hypotonie vorliegt (alternativ 0,1 μg/kg/min Noradrenalin oder 1 μg/kg Adrenalin als Push-Dose)
- Breitband-Antibiotika-Therapie bei septischem Schock so schnell wie möglich (innerhalb einer Stunde; Golden Hour of Sepsis)
- bei Sepsis ohne Schock am besten innerhalb von bis zu 3 h nach Erkennen
- wenn i.v.-/i.o.-Zugang nach 60 min nicht etabliert, Gabe von 50 mg/kg Ceftriaxon i.m. (max 2 G); Antibiotika-Gabe i.v. führt ggf. aufgrund schlechterer Durchblutung nicht zur ausreichenden Verteilung)
- 1 mg/kg Hydrocortison i.v. bei Verdacht auf Nebenniereninsuffizienz
- Einweisungskriterien
- Hypotension
- reduziertes Bewusstseins trotz Flüssigkeitstherapie
- Laktat > 2mmol/L oder nicht abnehmend
- anhaltende Tachykardie
- anhaltende Tachypnoe
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