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Leitlinie „Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin (DAS-Leitlinie)“ der DGAI

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin
Klassifikation gemäß AWMF: S3
Datum der Veröffentlichung: 31.03.2021
Ablaufdatum: 30.03.2026
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/001-012.html

Grundsätzliches

  • Leitsatz: Intensivstationäre Patientinnen und Patienten sollen wach, aufmerksam, schmerz-, angst- und delirfrei sein, um an der eigenen Behandlung und Genesung aktiv teilnehmen zu können.
  • nicht-pharmakologische Prävention des Delirs bei allen intensivmedizinisch-behandelten Patient:innen durchführen
  • keine pharmakologische Delirprävention bei erwachsenen, intensivmedizinisch-behandelten Patient:innen
  • auf folgende Risikofaktoren für die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) geachtet werden: Delir, Einsatz von Benzodiazepinen, Länge der Sedierung, Angst

medikamentöse Delirtherapie in Abhängigkeit der Symptomausprägung

  • wenn nicht-pharmakologische Maßnahmen nicht erfolgreich sind, Behandlung produktiv-psychotischer Symptome eines Delirs niedrig dosiert titriert mit Haloperidol, Risperidon, Olanzapin oder Quetiapin
  • ggf. Neuroleptika zur Behandlung von psychotischen Symptomen (unabhängig ob im Delir, beginnendem Delir oder isoliert vorkommend) erwägen
  • ggf. Analgesie (siehe Analgesie)
  • ggf. zusätzlich zur symptomorientierten Agitationsbehandlung und Anxiolyse Benzodiazepine erwägen
  • ggf. zusätzlich α2-Agonisten wie Clonidin zur Stressreduzierung und vegetativer Dämpfung erwägen
    • kontinuierliche Alpha-2-Agonist-Gabe zur Delir-Therapie
  • ggf. im Alkoholentzugsdelir langwirksame Benzodiazepine wie Diazepam oder Lorazepam erwägen
  • bei Inter- und Intrahospitaltransporten Analgetika und Sedativa mitführen und bedarfsadaptiert einsetzen

spezielle Patient:innengruppen

Schwangerschaft und Stillzeit

  • bei Pharmakotherapie akuter Schmerzen Wirkungen auf das ungeborene Kind/muttermilchernährte Kind berücksichtigen
  • zur Analgesie in der Schwangerschaft Diclofenac als Mittel der ersten Wahl (Stufe I) bis zur 27+0 SSW verwenden; nach der 27+0 SSW meiden
  • Paracetamolals Mittel der ersten Wahl unter den Stufe-I Analgetika
  • ASS als Mittel der zweiten Wahl zur Analgesie bis zur 27+0 SSW
  • bei gegebener Indikation Opioide in jeder Phase der Schwangerschaft (unter adäquater Überwachung des ungeborenen Kindes)
  • in der Stillzeit Paracetamol und Ibuprofen als Mittel der ersten Wahl unter den Stufe-I-Analgetika; Diclofenac als Mittel der zweiten Wahl
  • bei gegebener Indikation Opioidanalgetika in der Stillzeit verabreichen (bei Kindern mit Apnoeneigung ist bei allen Opioiden besondere Vorsicht geboten)

sterbende Patienten

  • sterbende Patient:innen sollen palliative Versorgung gemäß Leitlinie (S3-Leitlinie Palliativmedizin) erhalten
  • nach Bedarf anxiolytisch und analgetisch behandeln, um Schmerzen, Angst und Stress zu nehmen, auch wenn dies zu Beschleunigung des Sterbeprozesses führt

brandverletzte Patient:innen

  • multimodales Konzept bestehend aus Analgetika, Adjuvantien und non-pharmakologischen Methoden
  • keine kontinuierliche intravenöse Gabe von Lidocain zur Analgesie
  • Gabe von Ketamin zur Minderung der sekundären Hyperalgesie und zur Reduktion eines hohen Opioidbedarfs bei Brandverletzten
  • Gabe von Alpha 2-Agonisten zur Sedierung von Brandverletzten verwenden und (Vorteil ggü. anderen Pharmaka, z.B. Benzodiazepinen)

brandverletzte Kinder

  • für Prozedurenschmerzen (Es-)/Ketamin und/oder Remifentanil bevorzugen

polytraumatisierte Patient:innen

  • Ketamin/Esketamin bei polytraumatisierten Patient:innen in Kombination mit Midazolam und/oder Propofol für Kurzeingriffe nutzen
  • keine Etomidate für eine prozedurale Sedierung bei polytraumatisierten Patient:innen

Patient:innen mit erhöhtem ICP

  • Ketamin-Razemat bei kontrollierter Beatmung (paCO2 konstant) und additiver Sedierung mit GABA-Rezeptor-Agonisten (Unterdrückung der exzitatorischen Komponente) auch bei Schädel-Hirn-traumatisierten Patient:innen mit intrakranieller Hypertension erwägen
  • Ketamin-Razemat/Midazolam-basiertes oder ein Opioid/Midazolambasiertes Sedierungs-Regime bei mechanisch beatmeten SchädelHirn-traumatisierten Patient:innen mit intrakranieller Hypertension
  • kontinuierliche Applikation von Opioiden (Remifentanil, Sufentanil, Fentanyl, Morphin) i.v. bei Patient:innen mit intrakranieller Hypertension stets unter Kontrolle des MAP
    • Bolusgaben von Opioiden vermeiden
  • keine hochdosierte Barbiturat-Therapie zur Prophylaxe einer intrakraniellen Hypertension

Kinder

  • bei Kindern Verhaltensmerkmale wie Gesichtsausdruck, Weinen, Motorik, Körperhaltung, Aktivität, Ruhelosigkeit, Apathie und die äußere Erscheinung als stichhaltige Indikatoren für das Vorhandensein von Schmerz berücksichtigen
  • kontinuierliche Opioid-Infusion i.v. bei starken Schmerzen
  • Midazolam zur Sedierung älterer, kritisch kranker Kinder verwenden; kann kontinuierlich verabreicht werden
  • Alpha2-Agonisten kontinuierlich i.v. (Clonidin oder Dexmedetomidin) zur vegetativen Dämpfung adjuvant oder alternativ zur Sedierung mit Midazolam erwägen
  • Therapie des Delirs bei Kindern sollte symptomorientiert erfolgen und Differentialdiagnostik zu kausalen Ursachen beinhalten

Sedierung

  • Übersedierung vermeiden
  • bzgl. der Sedierung valide und reliable Scores wie z.B. die Richmond Agitation and Sedation Scale (RASS) einsetzen
  • primäre Indikationen zur Sedierung:
    • Reduktion von Metabolismus/O2-Verbrauch im Gehirn:
      • SHT mit ICP
      • Status epilepticus
  • sekundäre Indikationen zur Sedierung:
    • generalisierte Reduktion von Metabolismus/O2-Verbrauch
    • Verletzungsgefahr durch die Patient:innen selbst
    • Verletzungsgefahr durch technische Voraussetzungen
    • ARDS Management (cave: zu tiefe Sedierung fördert Respirator-Asynchronizität)
    • akute Schockzustände
    • Lagerungstherapie (Bauchlage, Rotorest etc.)
    • Immobilisierung im Rahmen von Trauma und operativer Versorgung

Analgesie

  • zum Monitoring der individuellen Schmerzsituation validierten Selbsteinschätzungsscore und validierten Fremdeinschätzungsscore einsetzen
    • Selbsteinschätzungsscore
      • Numerische Ratingskala, visually enlarged and laminated (NRS-V)
      • Visuelle Analogskala (VAS)
      • Verbale Ratingskala (VRS)
    • Fremdeinschätzungsscore
      • Behavioral Pain Scale (BPS)
      • Behavioral Pain Scale – not intubated (BPS-NI)
      • Beurteilung von Schmerzen bei Demenz (BESD)
  • Analgesie bei intensivmedizinisch-behandelten Patient:innen in erster Linie mittels Opioid-basierter Therapie (z.B. Morphin, Fentanyl, Sufentanil, Remifentanil, Piritramid)
    • ggf., je nach Schmerzsituation, alternativ oder adjuvant Nicht-Opioid-Analgetika und/oder Koanalgetika einsetzen (z.B. NSAID)
    • potenziell schmerzende Wundversorgungen sowie
    • potentiell schmerzhafte Prozeduren wie arterielle Punktion, periphere Venenpunktion, ZVK-Anlage, Druckverband, endotracheales Absaugen, Mobilisation, Platzieren der Magensonde, Extubation nur mit ausreichender analgetischer Abschirmung durchführen
  • ggf. (S-)Ketamin erwägen, um Spontanatmung und Schutzreflexe weitesgehend zu erhalten sowie des Reduktion des (postoperativen) Opioidbedarfs
Published inIm Notfall PsychiatrieLeitlinien kompakt

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