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Leitlinie „Arbeiten unter Einwirkung von organischen Phosphatverbindungen“ der DGAUM

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin
Klassifikation gemäß AWMF: S1
Datum der Veröffentlichung: 31.07.2014
Ablaufdatum: 30.07.2019
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/002-022.html

Stoffeigenschaften

  • Unterscheidung in zwei Gruppen
    • Ester der Phosphorsäure, Phosphonsäure, Dithiophosphorsäure (Insektizide)
      • i.d.R. lipophile, flüssige oder feste Verbindungen mit z.T. hohem Dampfdruck
      • charakteristischen, unangenehmen, meist knoblauchartigen Geruch
      • Toxizität (Acetylcholinesterase-Hemmer): zw. sehr giftig und Lebensgefahr bei Einatmen und Verschlucken
    • Phosphorsäure-tri-ester wie Trialkyl-, Triaryl- und Alkyl/ Aryl-Phosphorsäureester (Weichmacher/ Flammschutzmittel/ Schmiermittelzusätze)
      • sowohl wasserunlöslich wie wasserlöslich
      • manche riechen schwach aromatisch
    • Toxizität: zw. sehr giftig und spezifischer Zielorgan-Toxizität Ktg. 1

Symptomatik

Organophosphat-Pestizide

  • akute Intoxikation
    • Frühsymptome: Hemmung der Acetylcholinesterase (AChE) mit nachfolgender Acetylcholin(ACh)wirkung auf muskarinerge Rezeptoren
    • Spätsymptome: Auftreten nach 12 bis 96 Stunden
      • nikotinartige Wirkungen mit Schwäche der Atem- und Extremitätenmuskulatur
      • Förderung von Stoffwechselreaktionen wie die Glykogenolyse in der Leber und den Skelettmuskeln, die Glukoneogenese in der Leber und die Lipolyse im Fettgewebe

Trialkyl-/acrylphosphat

  • Symptome i.d.R. erst innerhalb von ein bis drei Wochen nach Intoxikation
  • Organophosphate-induced delayed neuropathy“ (OPIDN)
  • orale Aufnahme
    • akutes Auftreten von Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöen, Kopfschmerzen und Schwindelgefühl
    • nach 10 – 15 Tagen Karenz Wadenschmerzen, Muskelkrämpfe, Parästhesien, und schließlich Paresen beginnend an den unteren Extremitäten und in schweren Fällen oft Lähmungen der Extremitäten
    • Ausbreitung der Lähmungen abgeschlossen nach 8 bis 10 Tagen
nuskarinartige Wirkungen (Parasympathikus)nikotinartige Wirkungen
(motorische Endplatten autonome Ganglien, Nebennierenmark)
zentralnervöse Wirkungen
– Miosis, Akkomodationsstörungen
– Sekretion der Tränen-, Schweiß- und Speicheldrüsen sowie der Schleimdrüsen im Tracheobronchialtrakt↑
– Stimulierung der glatten Muskulatur des Bronchialtraktes (Dyspnoe, Bronchospasmus), des Gastrointestinaltraktes (Erbrechen, Diarrhöen, Koliken) und des Urogenitalsystems
– Vasodilatation, Bradykardie, Herzrhythmusstörungen
– Muskelzucken an Augenlidern und Zunge
– gelegentlich Hypertension und Hyperglykämie
– generalisierte Faszikulationen, Zittern, Krämpfe,
– Muskelschwäche, Atemlähmung
– Erregung
– Verwirrun
– Kopfschmerzen
– Benommenheit
– Koma
– Krampfanfälle
– Atem- und Kreislaufdepression
Quelle: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/002-022l_S1_Organische_Phosphorverbindungen_2014-07-abgelaufen.pdf

Diagnostik

  • Anamnese
    • Exposition: berufliches Umfeld, Einhaltung der Schutzmaßnahmen; privater Kontakt zu Organophosphaten (Pestizidanwendung in Garten und bei Haustieren)
    • Symptome: klinische Allgemeinsymptome
    • Verlauf: Beginn, Art und zeitlicher Verlauf der Beschwerden
  • Untersuchung bei Phosphorsäure-Intoxikation vom Insektizidtyp
    • knoblauchartiger Geruch der Ausatemluft bei zeitnaher Exposition möglich
    • vollständige körperliche Untersuchung auf o.g. Symptome einer akuten und chronischen ACh-Vergiftung:
      • Hypersalivation, Miosis, Schweißneigung, Übelkeit und Sehstörungen sind Zeichen einer leichteren Intoxikation
  • massive tracheobronchiale Sekretion, Bronchokonstriktion sowie periphere und zentrale Atemdepression deuten auf schwerwiegende Intoxikation hin
    • zusätzlich fibrilläre Muskelzuckungen
  • bei hoher endogener Katecholaminkonzentration können die muskarinartigen Wirkungen überdeckt sein und Tachykardie und Hypertonie das Vergiftungsbild beherrschen

Therapie

  • Notfalltherapie
    • benetzte Kleidung entfernen
    • Haut gründlich mit Wasser abwaschen werden
    • bei akuter Intoxikation vorrangig Sicherung der vitalen Funktionen
  • Erstmaßnahmen nur unter Eigenschutz
    • primären Detoxikation nur unter Selbstschutz
    • beim Umgang mit Patient immer Schutzhandschuhe tragen
    • direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten vermeiden
    • Sicherstellung von Atmung bzw. Beatmung (sofern keine ausreichende Eigenatmung)
    • Antidottherapie (abgestimmt mit Giftnotruf/ Giftinformationszentrum):
    • Atropingabe, so schnell wie möglich, Dosis in Abhängigkeit von der Schwere der Vergiftung:
      • bei symptomlosen Patienten ist keine Atropingabe erforderlich.
      • bei leichten Symptomen (keine Ateminsuffizienz, kein Koma, keine zerebralen Krampfanfälle) in Abhängigkeit von der Herzfrequenz 2 – 5 – 10 mg i.v. als Bolus (Organophosphate haben u.a. Bradykardie zur Folge.
      • bei schweren Vergiftungen (Bewusstlosigkeit) 2 mg initial i.v.; Verdoppelung der Dosis alle 5 Min. bis zum Eintreten der Wirkung (Sistieren der Hypersalivation und tracheobronchialen Sekretion), maximale Dosis 50 mg. „Überatropinisierung“ soll vermieden werden
Published inLeitlinien kompakt

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