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Leitlinie „Asthma Management and Prevention“ der GINA (Update 2025)

veröffentlichende Fachgesellschaft: Global Initiative for Asthma (GINA)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 06.05.2025
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://ginasthma.org/reports/

Grundsätzliches

  • heterogene Erkrankung, i.d.R. durch chronische Entzündung der Atemwege gekennzeichnet
  • häufige, chronische Atemwegserkrankung, von 1 – 29 % der Bevölkerung betroffen sind
  • Asthma ist ein ernstes globales Gesundheitsproblem, das weltweit etwa 300 Millionen Menschen betrifft und täglich rund 1.000 Todesfälle verursacht. Die meisten dieser Todesfälle ereignen sich in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen und sind größtenteils vermeidbar.
  • gekennzeichnet durch variable Symptome wie Stridor, Kurzatmigkeit, thorakales Engegefühl und/oder Husten sowie durch variable Einschränkung des exspiratorischen Luftstroms
  • Schwankungen werden häufig durch Faktoren wie körperliche Anstrengung, Exposition ggü. Allergenen oder Reizstoffen, Wetterumschwünge oder virale Atemwegsinfektionen ausgelöst

Asthma-Definitionen

  • mildes Asthma: Asthma, das mit niedrig dosierter Behandlung gut kontrollierbar ist
  • moderates Asthma: Asthma, das mit Behandlung der Stufe 3 oder 4 gut kontrollierbar ist
  • schweres Asthma: Asthma, das trotz optimierter Therapietreue mit maximal hochdosierter ICS-LABA-Therapie und Behandlung begünstigender Faktoren unkontrollierbar bleibt oder sich bei Reduzierung der hochdosierten Therapie verschlimmert (Diagnosestellung „schweres Asthma“ derzeit nur retrospektiv)
  • schwer behandelbares Asthma: Asthma, das trotz Einnahme von moderat-/hochdosierter inhalativer Kortikosteroide sowie LABA nicht kontrollierbar ist oder eine hochdosierte therapie erfordert, um eine gute Symptomkontrolle zu erreichen und das Risiko von Exazerbationen zu verringern
  • unkontrolliertes Asthma
    • schlechte Symptomkontrolle (häufig Symptome oder Einnahme von Medikamenten, durch Asthma eingeschränkte Aktivität, nächtliches Aufwachen aufgrund von Asthma)
    • häufige Exazerbationen (≥ 2/Jahr), die eine orale Kortikosteroide erfordern, oder schwere Exazerbationen (≥ 1/Jahr), die Krankenhausaufenthalt erfordern
  • Asthma-Exazerbation: Asthma-Episode, die durch fortschreitende Zunahme von Symptomen wie Kurzatmigkeit, Husten, Stridor oder Brustenge und fortschreitende Abnahme der Lungenfunktion gekennzeichnet sind (Veränderung des normalen Zustands, der ausreicht, um eine akute Änderung der Therapie erforderlich zu machen)

Asthma-Phänotypen

  • allergisches Asthma: häufig in der Kindheit beginnend und mit früherer und/oder familiärer Vorbelastung durch allergische Erkrankungen wie Ekzeme, allergische Rhinitis oder Nahrungsmittel- oder Arzneimittelallergien einhergehend
  • nicht-allergisches Asthma: Asthma, das nicht mit Allergie verbunden ist
  • Husten dominiertes Asthma: Husten kann einziges Symptom von Asthma sein, und außer bei bronchialen Provokationstests keine Anzeichen für variable Einschränkung des Luftstroms
  • Asthma im Erwachsenenalter: Spätasthma; insbesondere bei Frauen; CAVE: Ausschluss berufsbedingtes Asthma
  • Asthma mit anhaltender Einschränkung des Luftstroms: anhaltende oder nicht vollständig reversible Einschränkung des Luftstroms nach langjährigem Asthma
  • Asthma mit Adipositas: ausgeprägte Atemsymptome und geringe eosinophile Entzündung der Atemwege bei einigen adipösen Asthmapatienten

Symptome

  • Atemwegssymptome wie Stridor, Kurzatmigkeit, Husten und/oder thorakales Engegefühl
  • meistens (insbesondere bei Erwachsenen) treten mehr als eines der Symptome auf
  • Symptome häufig nachts oder am frühen Morgen schlimmer
  • Symptome variieren im Laufe der Zeit und in ihrer Intensität
  • Symptome werden durch Virusinfektionen (Erkältungen), Bewegung, Allergenexposition, Wetterwechsel, Lachen oder Reizstoffe wie Autoabgase, Rauch oder starke Gerüche ausgelöst

Anamnese

  • Zeitpunkt des Auftretens und Ursache der gegenwärtigen Exazerbation (falls bekannt)
  • Schwere der Asthmasymptome, einschließlich etwaiger Einschränkungen der körperlichen Betätigung oder Schlafstörungen
  • Symptome einer Anaphylaxie
  • alle Risikofaktoren für asthmabedingten Tod
  • alle derzeitigen Medikamente

körperliche Untersuchung

  • Anzeichen für Schweregrad der Exazerbation sowie Vitalparameter (z. B. Bewusstseinsgrad, Temperatur, Pulsfrequenz, Atemfrequenz, Blutdruck, Fähigkeit, Sätze zu vervollständigen, Einsatz der akzessorischen Muskeln, Stridor)
  • komplizierende Faktoren (z.B. Anaphylaxie, Pneumonie, Pneumothorax)
  • Anzeichen für andere Erkrankungen, die die akute Atemnot erklären könnten (z.B. Herzversagen, eingeatmeter Fremdkörper oder Lungenembolie)
  • Pulsoxymetrie (CAVE bei SpO2-Werten < 90 %)

Differentialdiagnosen

AlterKrankheitsbild & Symptome
6 – 11 Jahre– chronischer Reizhusten (Niesen, Juckreiz, verstopfte Nase, Räuspern)
– eingeatmeter Fremdkörper (plötzlicher Symptombeginn, einseitiger Stridor)
– Bronchiektasie (wiederkehrende Infektionen, produktiver Husten)
– primäre ziliäre Dyskinesie (wiederkehrende Infektionen, produktiver Husten, Sinusitis)
– kongenitale Herzerkrankung (Herzgeräusche)
– bronchopulmonale Dysplasie (Frühgeburt, Symptome seit der Geburt)
– zystische Fibrose (übermäßiger Husten und Schleimproduktion, gastrointestinale Symptome)
12 – 39 Jahre– chronischer Reizhusten (Niesen, Juckreiz, verstopfte Nase, Räuspern)
– induzierte laryngeale Obstruktion (Dyspnoe, inspiratorisches Stridor)
– Hyperventilation, dysfunktionale Atmung (Schwindel, Parästhesien, Röcheln)
– Bronchiektasie (produktiver Husten, wiederkehrende Infektionen)
– Mukoviszidose (übermäßiger Husten und Schleimproduktion)
– angeborene Herzerkrankung (Herzgeräusche)
– Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (Kurzatmigkeit, Emphysem in der Familienanamnese)
– eingeatmeter Fremdkörper (plötzliches Auftreten der Symptome)
> 40 Jahre– induzierte laryngeale Obstruktion (Dyspnoe, inspiratorischer Stridor)
– Hyperventilation, dysfunktionale Atmung (Schwindel, Parästhesien, Röcheln)
– COPD (Husten, Sputum, Dyspnoe bei Anstrengung,
Rauchen oder Schadstoffexposition)
– Bronchiektasie (produktiver Husten, wiederkehrende Infektionen)
– Herzinsuffizienz (Dyspnoe bei Anstrengung,
nächtliche Symptome, Beinödeme)
– medikamentenbedingter Husten (Behandlung mit einem Angiotensin-konvertierenden Enzym, z.B. ACE-Hemmer)
– parenchymale Lungenerkrankung (Dyspnoe bei Anstrengung, unproduktiver Husten, Fingerverkrümmung)
– Lungenembolie (plötzlich einsetzende Dyspnoe, Brustschmerzen)
– zentrale Atemwegsobstruktion (Dyspnoe, die nicht auf Bronchodilatatoren anspricht)
alle Altersgruppen– Tuberkulose (chronischer Husten, Bluthusten, Dyspnoe und/oder Müdigkeit, Fieber, (nächtliche) Schweißausbrüche, Anorexie, Gewichtsverlust)
– Pertussis (länger andauernde Hustenanfälle, manchmal Stridor)
Quelle: Global Initiative for Asthma. Global Strategy for Asthma Management and Prevention, 2024.
Updated May 2024. Available from: www.ginasthma.org

Trigger für Asthma-Exazerbation

  • virale Atemwegsinfektionen, z.B. Rhinovirus, Influenza, Adenovirus, Keuchhusten, RSV
  • Allergenexposition, z.B. Gräserpollen und andere Pollen, Sojastaub, Pilzsporen
  • Nahrungsmittelallergie
  • Luftverschmutzung im Freien
  • saisonale Veränderungen und/oder Rückkehr in die Schule im Herbst nach den Ferien
  • schlechte Compliance bzgl. ICS-Therapie

Risikofaktoren für Exazerbationen

  • schlechte Kontrolle der normalen Asthmasymptome
  • komorbide allergische Erkrankungen
  • suboptimale Medikamenteneinnahme
  • Armut

Faktoren für Risikoerhöhung eines asthmabedingten Todes

  • Asthma in der Vorgeschichte, das fast tödlich endete und Intubation sowie mechanische Beatmung erforderte
  • Krankenhausaufenthalt oder Besuch der Notaufnahme wegen Asthma im letzten Jahr
  • aktuelle Verwendung oder kürzliche Beendigung der Verwendung oraler Kortikosteroide
  • aktuell keine inhalativen Kortikosteroide-Anwendung
  • übermäßiger Gebrauch von kurzwirksamen Beta-2-Agonisten (SABA; z.B. mehr als ein Asthma-Spray pro Monat)
  • schlechte Therapie-Compliance
  • psychiatrische Erkrankung oder psychosoziale Probleme in der Vorgeschichte
  • Nahrungsmittelallergie bei Patienten mit Asthma
  • mehrere Begleiterkrankungen, wie Lungenentzündung, Diabetes und Herzrhythmusstörungen

Schweregrad/Symptome der Asthma-Exazerbation

Erwachsene, Jugendliche und Kinder > 6 Jahre

  • milde & moderate Exazerbation
    • Sprechen von vollen Sätzen möglich
    • eher sitzende anstatt liegender Position
    • AF erhöht
    • kein Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
    • HF zw. 100 – 120/min
    • SpO2 (bei Raumluft): 90 – 95 %
  • schwere Exazerbation
    • nur Sprechen von einzelnen Wörtern möglich
    • nach vorne gelehnte Haltung
    • Agitation
    • AF > 30/min
    • Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
    • HF > 120/min
    • SpO2 (bei Raumluft): < 90 %
  • lebensbedrohliche Exazerbation
    • Schläfrigkeit
    • Verwirrtheit
    • Silent Chest

Kinder < 6 Jahre

  • frühe Symptome für Exazerbation
    • Auftreten von Symptomen einer Atemwegsinfektion
    • akute oder subakute Zunahme von Stridor/Keuchen und Kurzatmigkeit
    • verstärkter Husten, v.a. im Schlaf
    • Lethargie oder verminderte körperliche Belastbarkeit
    • Beeinträchtigung der täglichen Aktivitäten, inkl. Nahrungsaufnahme
    • schlechtes Ansprechen auf hustenlindernde Medikamente
  • milde & moderate Exazerbation
    • keine Bewusstseinsstörung
    • SpO2 ≥ 94 %
    • Sprechen von vollen Sätzen möglich
    • HF < 100/min
    • AF < 40/min
    • kein Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
    • keine Zyanose
    • ggf. Stridor
  • schwere & lebensbedrohliche Exazerbation
    • nur Sprechen von einzelnen Wörtern möglich
    • Agitation, Verwirrtheit oder Schläfrigkeit
    • zentrale Zyanose
    • Verwirrung & Asphyxie
    • AF > 40/min
    • SpO2 < 92 %
    • Silent Chest
    • HF > 180/min (0 – 3 Jahre) oder > 150/min (4 – 5 Jahre)

Therapie der Exazerbation

Erwachsene, Jugendliche und Kinder > 6 Jahre

  • O2-Gabe mit SpO2-Ziel von 93 – 95 % (bei Kindern: ≥ 94 %)
  • Gabe von 1 – 2 mg/kg Prednisolon bei Erwachsenen ODER Gabe von 1 – 2 mg/kgKG Prednisolon bei Kindern > 6 Jahre (max. 40 mg)
  • Gabe von bis zu 4 – 10 SABA-Sprühstöße bzw. 2,5 mg SABA vernebelt (z.B. Salbutamol) alle 20 min während der ersten Stunde
  • orale Glukokortikosteroid-Gabe bei milden/moderaten Symptomen
  • Glukokortikosteroid-Gabe i.v. oder ggf. oral bei schweren Symptomen
  • ggf. Magnesiumsulfat i.v.
  • ggf. High-Dose-Glukokortikosteroide inhalativ
  • keine Antibiotika-Gabe empfohlen
  • kein routinemäßiges Thorax-Röntgen
  • Adrenalin i.m. bei akutem Asthma mit Anaphylaxie und Angioödem (keine routinemäßige Gabe bei anderen Asthmaexazerbationen

Kinder < 6 Jahre

  • O2-Gabe mit SpO2-Ziel von ≥ 94%
  • Gabe von 2,5 mg SABA (z.B. Salbutamol) sowie 250 μg Ipratropiumbromid vernebelt alle 20 Minuten während der ersten Stunde erwägen
  • Gabe von 1 – 2 mg/kgKG Prednisolon (max. 20 mg bei < 2 Jahre; max. 30 mg bei > 2 Jahre) ODER 0,3 – 0,6 mg/kg/d Dexamethason für 1–2 Tage
  • 40 – 50 mg/kgKG Magnesiumsulfat i.v. als langsame In fusion über 20 – 60 min
  • Einweisungsindikationen
    • Reden & Trinken nicht möglich
    • Zyanose
    • AF > 40/min
    • SpO2 < 92 % bei Raumluft
    • Silent Chest bei Auskultation
    • fehlendes Ansprechen auf erste bronchiodilatative Behandlung
      • fehlendes Ansprechen auf 6 Sprühstöße inhalatives Salbutamol (2 getrennte Sprühstöße, dreimal wiederholt) über 1 – 2 h
      • anhaltende Tachypnoe trotz dreimaliger Gabe von inhalativen SABA, auch wenn das Kind andere klinische Anzeichen einer Besserung zeigt
Published inLeitlinien kompakt

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