veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit (DTG)
Klassifikation: S1
Datum der Veröffentlichung: 30.04.2025
Ablaufdatum: 30.04.2028
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/042-001.html
Erregerspektrum
- relevante humanpathogene Plasmodienarten mit unterschiedlichen Erkrankungsbildern
| Krankheitsbild | Erreger | Inkubationszeit | Parasitämie | Besonderheiten |
|---|---|---|---|---|
| Malaria tropica | Plasmodium falciparum | 6 – 30 Tage, gelegentlich länger | unbegrenzt | häufig schwere Verläufe, unbehandelt hohe Letalität |
| Malaria tertiana | Plasmodium vivax, Plasmodium ovale | 12 Tage bis > 1 Jahr | max. 2 – 3 % | Rezidizprophylaxe in der Regel notwendig, schwere Verläufe selten |
| Malaria quartana | Plasmodium malarie | 12 – 30 Tage; in Einzelfällen lange Inkubationszeit möglich | max. 1 – 2 % | langsamer Vermehrungszyklus über 72 Stunden, persistierende Infektion, mitunter Jahre später Rückfälle möglich |
| Knowlesi-Malaria | Plasmodium Knowlesi | > 1 Woche | bis > 10 % möglich | rasche Progression, Vorkommen nur in Südostasien, schwere Verläufe möglich |
Klinik der Malaria
- Fieber
- häufig unspezifische Symptome wie Myalgie, Cephalgie und Arthralgie
- ggf. Begleitsymptome wie abdomineller Schmerz, Diarrhö und Husten möglich
- gastrointestinale Symptome wie Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall (bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen)
- Thrombozytopenie bei oftmals fehlender Leukozytose
- Hämolyse, im späteren Verlauf auch Anämie
- CRP und PCT erhöht (CAVE: Laborveränderungen nicht obligat)
- Bewusstseinsstörungen, epileptische Anfälle, schwere Anämie, respiratorische Insuffizienz und Nierenversagen bei komplizierten Verläufen der Malaria tropica oder Knowlesi-Malaria
Wann an Malaria denken? (Differentialdiagnostik)
- bei Vielzahl neu auftretender Symptome (Fieber, Kopfschmerz, Diarrhö, abdomnielle Beschwerden u.a.) nach Aufenthalt in Malaria-Risikogebiet Malaria so rasch wie möglich ausschließen
| differenzialdiagnostische Einordnung | Anamnese und Klinik |
|---|---|
| führende Differentialdiagnose | – Fieber nach Aufenthalt in Malariagebiet, insbesondere in ersten 4 Monaten nach Rückkehr – schweres Krankheitsbild nach Aufenthalt in Malariagebiet, auch ohne Fieber, insbesondere wenn passende Laborveränderungen (Hämolyse, Thrombozytopenie, Nierenversagen) vorliegen |
| gelegentliche Differentialdiagnose | Gliederschmerzen, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit bei Menschen mit oftmaliger Malariaexposition auch ohne Fieber, auch bei länger zurückliegendem Aufenthalt im Malariagebiet |
| in Einzelfällen ursächlich | – septisches Krankheitsbild mit Hämolyse und Thrombozytopenie nach Bluttransfusion, Organtransplantation, intravenösem Drogengebrauch, auch ohne Aufenthalt in Malariagebieten – Fieber unbekannter Ursache, insb. bei rezidivierendem Fieber oder bei passenden Laborveränderungen – Splenomegalie unklarer Ursache, insb. wenn zusätzlich Fieberepisoden bestehen oder bestanden |
Kriterien für komplizierte Malaria
- klinische Kriterien
- Bewusstseinsstörungen, epileptische Anfälle
- respiratorische Insuffizienz (Surrogatmarker: periphere Sättigung SpO2 < 92 %)
- Schock oder Hypotension (RRsys < 90 mmHg oder MAP < 65 mmHg plus Tachykardie (trotz Volumentherapie))
- Spontanblutungen
- Urinausscheidung < 400 mL/24 h; Hämoglobinurie (sog. Schwarzwasserfieber)
- ausgeprägte Schwäche mit Unfähigkeit zu sitzen, zu stehen oder zu laufen (Prostration)
- Laborkriterien
- Hypoglykämie < 40 mg/dL (< 2,22 mmol/L)
- Azidose oder Laktaterhöhung (Base excess <8 mmol/L, Laktat ≥5 mmol/L)
- Hyperkaliämie >5,5 mmol/L
- Kreatinin >2,5 mg/dL (>221 µmol/L), bzw. im Verlauf rasch ansteigende Kreatinin-Werte
- schwere Anämie (<7 g/dL (<4,8 mmol/L) bei Erwachsenen (nach WHO)
- Bilirubin >3 mg/dL (50 µmol/L) mit Parasitämie >100.000/µL
- parasitologische Kriterien
- Parasitämie mit P. falciparum > 250.000/µL (≥ 5 %), P. knowlesi > 100.000/µL (≥ 2 %)
- Zusatz-Kriterium
- unabhängig von o.g. Kriterien kann in Abhängigkeit von Komorbiditäten, Alter, klinischem Bild, Ko-Medikation oder anderen anamnestischen, klinischen oder labordiagnostischen Kriterien die Entscheidung getroffen werden, Management und Therapie im Sinne einer komplizierten Malaria einzuleiten, wenn schnellstmögliche Reduktion der Parasitenlast und intensivierte Überwachung der Patient*innen notwendig erscheint
Diagnostik bei festgestellter Malaria
- Klinik und Vitalparameter
- körperliche Untersuchung
- AF, SpO2, HF, RR, Bewusstseinszustand, Temperatur
- Hämatologie, klinische Chemie und ggf. Blutgasanalyse
- Differentialblutbild, CRP, Blutzucker, Kreatinin, Transaminasen, Bilirubin, LDH, Elektrolyte, Gerinnungsstatus
- bei V.a. komplizierte Malaria Blutgasanalyse (BGA) mit Säure-BasenStatus und Laktat
- apparative Untersuchungen
- EKG (Fokus auf QTc-Zeit und Arrhythmien), v.a. bei Gabe von QTc-Zeit verlängernden Medikamenten oder kardialem Risikoprofil
- bei P. falciparum und P. knowlesi
- Quantifizierung der Parasiten (Parasitämie) als Parasitenzahl/µL oder als prozentualer Anteil der infizierten Erythrozyten in Relation zur Gesamterythrozytenzahl
- bei Malaria tertiana
- Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase (G6PD)-Aktivität (frühzeitig) für Therapie mit Primaquin
Therapie
- stationär vs. ambulant
- bei Malaria tropica und Knowlesi-Malaria: generelle stationäre Behandlung, da es auch bei initial niedriger Parasitämie und nur leichter Klinik zu einer raschen klinischen Verschlechterung kommen kann
- bei Malaria tertiana oder Malaria quartana: i.d.R. ambulante Behandlung ausreichend (CAVE: nur bei Therapieadhärenz und Bereitschaft zu regelmäßigen Kontrollen)
- Intensiv- oder Normalstation
- bei Vorliegen mindestens eines Kriteriums für komplizierte Malaria ist eine Malaria als kompliziert und damit unmittelbar lebensbedrohlich anzusehen; Patient sollte sofort auf Station mit der Möglichkeit eines engmaschigen Monitorings und unmittelbarem Zugang zu intensivmedizinischer Versorgung verlegt werden
- ggf. supportive Therapie sofort einleiten
- Risiko für schwere Verläufe bei Kleinkindern, Schwangeren, im höheren Alter sowie bei Komorbiditäten erhöht
Therapie bei Kindern
- Bestimmung des Schweregrades erfolgt nach selben Kriterien wie für Erwachsenen
- jedoch häufigeres Auftreten von schwerer Anämie bei jungen Kindern (Vorschulalter) und zerebraler Malaria (Schulalter)
- epileptische Anfälle nicht als Fieberkrämpfe fehldeuten
- sehr schwache Patienten (Prostration – Unfähigkeit zu sitzen, zu stehen oder zu laufen) als komplizierte Malaria deuten
- Blutdruck, Puls und Atemfrequenz unter Beachtung altersentsprechender Normalwerte
Management von Komplikationen
- Fiebersenkung: physikalische Maßnahmen sowie bei hohen Temperaturen medikamentöse Fiebersenkung (CAVE: kein ASS wegen Thrombozyten-Aggregationshemmung)
- Anämie: bei schwerer Anämie Gabe von Erythrozytenkonzentrat nach klinischen und laborchemischen Kriterien (i.d.R. ab Hb-Wert <7 g/dL; <4,4 mmol/L; CAVE: keine Austauschtransfusionen bei hoher Parasitämie)
- Hämostasestörungen: keine grundsätzliche therapeutische Heparinisierung; Gerinnungsdiagnostik bei verlängerter aPTT oder pathologischem INR ausdehnen (Vollbild der disseminierten intravasalen Gerinnung nur sehr selten –> Substitution von FFP, Frischblut oder Thrombozytenkonzentraten daher nur in Ausnahmefällen indiziert)
- zerebrale Malaria
- epileptische Anfälle: initiale Therapie mit Benzodiazepinen oder Benzodiazepin-Derivaten (CAVE: Gabe von Phenytoin unter Chinin kontraindiziert; Einsatz von Phenobarbital ist mit erhöhter Letalität verbunden; Levetiracetam scheint bei Kindern mit zerebraler Malaria gute Wirksamkeit bei gleichzeitig guter Verträglichkeit zu zeigen)
- Bewusstseinsstörungen: keine spezifische Therapie vorhanden (Hypoglykämie ausschließen; cCT/cMRT bei Verschlechterung oder Auftreten neuer neurologischer Symptome)
- erhöhter Hirndruck: genereller Einsatz hochdosierter Kortikosteroide oder Mannitol ist mit Verlängerung der Komadauer und Verschlechterung der Prognose vergesellschaftet; Nutzen einer intrakraniellen Druckmessung ist nicht belegt
- Nierenversagen und Flüssigkeitsmanagement: vorsichtige Korrektur des Flüssigkeitsstatus bei prärenalem Nierenversagen sinnvoll (CAVE: übermäßige Flüssigkeitszufuhr kann Lungenödem auslösen); intravaskuläres Volumen sollte hoch genug sein, um ausreichende systemische Perfusion zu gewährleisten, andererseits muss Überwässerung unbedingt vermieden werden (Evaluation Volumenstatus mittels Sonographie der Vena cava)
- Lungenfunktionsstörungen: Atmung und Kreislauf engmaschig überwachen; Indikation zur Beatmung soll zugunsten von ausgewogenem Volumenmanagement im Hinblick auf ausreichende systemische Perfusion frühzeitig gestellt werden (für Wahl der Beatmung gelten die allgemeinen intensivmedizinischen Kriterien)
- metabolische Azidose (meist Laktatazidose durch Mikrozirkulationsstörung und Hypovolämie): bei Hypotension-Zeichen vorsichtige Flüssigkeitssubstitution; alkalisierende Therapie nur im Ausnahmefall, wenn arterieller pH trotz Korrektur von Hypovolämie und Hypoxämie unter 7,2 abrutscht (Cave: Natriumbikarbonat-Gaben können zu Anstieg des intrazerebralen pH und zu intrakraniellem Druckanstieg führen)
- Herz- und Kreislaufstörungen
- bei Schocksymptomatik (DD: Dehydration, seltener Blutverlust bei gastrointestinaler Blutung oder Milzruptur, Sepsis u. a.) sowie komplexem klinischen Verlauf ist invasives Kreislaufmonitoring notwendig
- bettseitige transthorakale Echokardiographie (TTE) und die Sonographie der Vena cava ist einfach durchzuführende Maßnahmen zur Steuerung der Volumen- und Katecholamintherapie
- an gleichzeitiges Vorliegen einer bakteriellen Sepsis denken und je nach Klinik empirische intravenöse antibiotische Therapie (z.B. mit Piperacillin/Tazobactam) erwägen


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