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Leitlinie „Frühgeborene an der Grenze der Lebensfähigkeit“ der GNPI

veröffentlichende Fachgesellschaft: Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedzin
Klassifikation gemäß AWMF: S2k
Datum der Veröffentlichung: 01.05.2020
Ablaufdatum: 30.04.2025
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/024-019.html

rechtlicher Rahmen

  • jedes Kind hat Anspruch auf Behandlung und Betreuung, die seinen individuellen Bedürfnissen angemessen sind, unabhängig von seinen Lebens- und Überlebensaussichten
  • ärztliche Aufgabe ist es, unter Achtung der Würde des Patienten (Grundgesetz Art 1.) und seiner Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Grundgesetz Art. 2 Abs. 2) Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen oder wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis in den Tod beizustehen
  • ärztliche Verpflichtung zur Lebenserhaltung besteht nicht unter allen Umständen
  • indizierte medizinische Maßnahmen bedürfen darüberhinaus einer Einwilligung des Patienten bzw. im Falle der fehlenden Einwilligungsfähigkeit des Patienten der Einwilligung des Patientenvertreters.
    • gilt auch für Festlegung von Therapiezielen und durchzuführenden Maßnahmen bei extrem frühgeborenen Kindern

Mortalität und Morbidität bei extrem unreifen Frühgeborenen

  • Überlebenswahrscheinlichkeit von Frühgeborenen sinkt mit abnehmendem Gestationsalter und abnehmendem Geburtsgewicht
  • weitere Prognosefaktoren sind Geschlecht (Mädchen haben eine bessere Prognose als Jungen)
  • Geburt in Perinatalzentrum der Maximalversorgung mit hohen Fallzahlen wirkt sich positiv, floride Infektion und Geburt außerhalb eines Perinatalzentrums negativ aus
  • Tod und Behinderung von Frühgeborenen sind gleichermaßen mit niedrigem Gewicht und Gestationsalter assoziiert, die Vorhersagekraft beider Parameter unterscheidet sich nicht
  • Prognose von Frühgeborenen unter 400 g Geburtsgewicht erscheint insgesamt schlechter als die Prognose von Frühgeborenen mit einem Gestationsalter von 22 Schwangerschaftswochen, zu deren langfristigen Prognose es nur spärliche Daten gibt
  • sehr unreife Frühgeborene haben hohes Risiko für zerebrale Läsionen und Entwicklungsstörungen des Gehirns, die sich als infantile Zerebralparese, motorische oder kognitive Einschränkungen oder Verhaltensauffälligkeiten äußern können

Entscheidungsfindung primär lebenserhaltende vs. palliative Betreuung

  • Schwangere mit drohender Frühgeburt mit Gestationsalter zw. 20 – 26 vollendeten Schwangerschaftswochen umgehend in Perinatalzentrum der höchsten Versorgungsstufe einweisen oder verlegen
  • spezielle Maßnahmen (Tokolytika, antihypertensive oder antiinfektiöse Medikamente) können nach Rücksprache mit aufnehmendem Zentrum noch vor der Verlegung begonnen werden

Charakterisierung der Grauzone

  • Frühgeborene mit Gestationsalter unter 22+0/7 SSW sowie Frühgeborene mit einem Gestationsalter unter 23+0/7 und einem Gewicht unter 400 g
    • derzeit besteht bis auf Einzelfälle keine realistischen Möglichkeiten, diese Kinder am Leben zu halten
    • diesbezügliche medizinische Maßnahmen sind daher in der Regel als aussichtslos einzustufen
  • Frühgeborene mit Gestationsalter von 22+0/7 – 22+6/7 SSW sowie Frühgeborene mit Gestationsalter von 23+0/7 – 23+6/7 SSW und einem Gewicht unter 400 g
    • Kinder können mit z.T. erheblicher Morbidität überleben, ohne dass derzeit valide Aussagen zum Langzeitverlauf möglich sind
    • primär auf Lebensverlängerung dieser Kinder zielende Behandlung nur auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern, nach ausführlicher interdisziplinärer Beratung im vollen Bewusstsein der hohen Risiken erfolgen
    • Eltern sind die Möglichkeiten einer palliativen Therapie zu erläutern
  • Frühgeborene mit Gestationsalter von 23+0/7 – 23+6/7 SSW sowie Frühgeborene mit Gestationsalter von 24+0/7 – 24+6/7 SSW und einem Gewicht unter 400 g
    • in dieser Zeitspanne der Schwangerschaft steigt Überlebenschance behandelter Frühgeborener in spezialisierten Zentren auf über 50 % an
    • Teil der überlebenden Kinder leidet später an schwerwiegenden Gesundheitsstörungen, die u. U. eine lebenslange Hilfe durch andere Personen notwendig machen können
    • Gesamtprognose ist sehr unsicher, was in die mit den Eltern gemeinsam zu findende und zu tragende Entscheidung über lebenserhaltende oder palliative Therapie mit eingehen soll
  • Frühgeborene ab Gestationsalter von 24+0/7 SSW und einem Gewicht ≥ 400 g
    • Überlebenschancen behandelter Frühgeborener sind in diesem Fall so hoch, dass im Regelfall lebenserhaltende Therapie anzustreben ist
Published inLeitlinien kompakt

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