veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler
Klassifikation gemäß AWMF: S2k
Datum der Veröffentlichung: 29.02.2020
Ablaufdatum: 28.02.2025
Quelle/Quelllink: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/023-004.html
Definition
- vorübergehender Bewusstseinsverlust infolge einer globalen transienten zerebralen Hypoperfusion und ist klinisch charakterisiert durch
- rasches Einsetzen
- Verlust des Muskeltonus
- kurze Dauer
- spontane und vollständige Erholung
Differentialdiagnosen
- spezifische neurologische Erkrankungen (Epilepsie)
- Hinweise für einen epileptischen Anfall können sein:
- motorische Symptome (Augen- oder Kopfwendungen, Nystagmus, klonische Zuckungen oder tonische Streckbewegung und Automatismen)
- sensible oder sensorische Symptome (visuelle oder akustische Halluzinationen, Parästhesien)
- situationsabhängiges Auftreten von Auren (z.B. epigastrische, psychische Auren)
- lateraler Zungenbiss
- • Einnässen, Einkoten
- Forellenphänomen (symmetrische periorbitale petechiale Hautblutungen)
- psychische Symptome (kognitive Beeinträchtigung, Stimmungsänderungen),
- eine länger anhaltende Bewusstseinsstörung
- eine längere Reorientierungsphase, Nachschlaf
- nicht einhergehend mit Sturz (z.B. Absencen)
- psychogene Pseudosynkopen
- metabolische Entgleisungen
- weitere DDs in den Tabellen 3.1 und 3.2 in der Leitlinie zu entnehmen
- Hinweise für einen epileptischen Anfall können sein:
Klassifikation
- Reflexsynkopen (neuronal vermittelt)
- Affektkrämpfe des Kleinkindes (typisches Manifestationsalter 6 Mon. – 5 Jahre)
- blauer Affektkrampf: Apnoe exspiratorisch-> Zyanose -> Sinustachykardie
- blasser Affektkrampf: Blässe -> Unruhe -> Asystolie (Pathophysiologie: sympathiko-vagale Fehlregulation)
- Reflexsynkopen der Jugendlichen (typisches Manifestationsalter 10 – 21 Jahre)
- • vagovasal (Abfall des peripheren Gefäßwiderstands und Blutdrucks)
- • kardioinhibitorisch (Frequenzabfall, Asystolie)
- • gemischt (vagovasal – kardioinhibitorisch)
- • posturale orthostatische Tachykardie (POTS: progressiver inadäquater Herzfrequenzanstieg mit vagaler Gegenregulation, die dann zu Herzfrequenzabfall bis hin zur möglichen Asystolie führt); im Kindes- und Jugendalter selten
- Synkopen infolge orthostatischer Hypotonie
- abzugrenzen von der im Kindesalter viel häufigeren vasodepressorischen, orthostatischen Reflexsynkope, die primär keine Hypotonie aufweist
- kardiogene Synkopen
- Arrhythmien
- strukturelle und funktionelle Herzerkrankungen (z.B. Kardiomyopathien, angeborene Vitien, Perikarderguss)
Klinik und Leitsymptome
- Red Flags“ in der Anamnese oder der Synkopensituation
- Alter: < 10 Jahre (Ausnahme.: Affektkrampf des Kleinkinds)
- Trigger: Schreck (Telefon, Wecker), lautes Geräusch, Schmerzreiz; große emotionale Belastung oder Erregung (z.B. Videogame); Kontakt mit kaltem Wasser • Prodromi: keine Prodromi; plötzlich aufgetretene Palpitationen; neu aufgetretene Brustschmerzen, Atemnot
- Synkope: während körperlicher Belastung (inkl. Schwimmen); im Liegen oder Sitzen (ohne vorausgehende körperliche Belastung)
- Krankheit: bekannter Herzfehler, Arrhythmie oder sonstige Herzerkrankung (inkl. Kawasaki-Syndrom), Hinweise auf aktuelle Herzerkrankung (Myokarditis), Medikamente/Drogen mit möglicher Verlängerung der QTc-Zeit
- Familie: ungeklärter/plötzlicher Tod/Unfälle (auch Ertrinken und Autounfall) bzw. Herztod vor dem 40. Lebensjahr, Kardiomyopathien, Rhythmusstörungen • Typische Trigger/Auslöser:
- Schmerzreiz – Cave medizinische Instrumentation
- sensorisch: Unerwarteter, unerfreulicher Anblick; Geruch; Blutentnahme; Husten, Niesen, Lachen, Haare ziehen oder schneiden; Gastrointestinale Stimulation (Miktion, Defäkation, postprandial); Blasinstrumente anspielen; beim Lachen (wahrscheinlich situative-Reflex-Synkope)
- orthostatisch: z.B. langes Stehen (> 5 min) in warmem Raum oder in Menschenmenge. Nach körperlicher Belastung; nach Lagewechsel in aufrechte Position innerhalb 3 – 5 min (Cave: Synkope infolge orthostatischer Hypotonie ist im Alltag von der orthostatischen Reflexsynkope oft nicht unterscheidbar); Flüssigkeitsmangel
- neurogen: Warme Umgebung
- typische Prodromi: Schwindelgefühl, Schwarzwerden vor den Augen, Augenflimmern, verschwommenes Sehen, Hitze- oder Kältegefühl, Schweißausbrüche
Ursachen
- ischämische, nicht Ischämische, hypertophisch obstruktive, dilatative und arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie
- Klappenerkrankungen
- Aortendissektion
- Herztamponade
- obstruierende Herztumoren
- Erkrankung des Perikards
- pulmonalarterielle Hypertension
- Lungenembolie
Diagnostik
- vier Fragen der initialen Abklärung
- Hat es sich um eine Synkope im Sinne der Definition gehandelt (Klinische Charakteristika: Rasches Einsetzen der Bewusstlosigkeit, Verlust des Muskeltonus, kurze Dauer und spontane, vollständige Erholung) oder gibt es Hinweise für eine andere Form der Bewusstseinsstörung?
- Gibt es ausreichend sichere Hinweise für die Ursachenklärung (typische Triggersituationen)?
- Gibt es Hinweise für ein mögliches kardiogenes Ereignis?
- Gibt es Umstände, die auf eine andere DD hindeuten?
- Basisdiagnostik soll auf folgenden drei Säulen aufbauen
- strukturierte Anamnese
- klinische Untersuchung, Erhebung der Vitalparameter mit Ruheblutdruckmessung
- 12-Kanal-Ruhe-EKG
- anhaltende ventrikuläre oder supraventrikuläre Tachykardien
- QRS-Dauer > 120 ms zusammen mit Schenkelblockbild
- AV-Block
- Repolarisationsstörungen oder Hypertrophiezeichen (z.B. bei Myokarditis, Kardiomyopathie)
- verlängerte oder verkürzte QTc-Zeit (z.B. Long/Short QT Syndrom; cave: eine normale QTc Zeit in einem einzigen EKG schließt bei klinischem Verdacht ein long QT-Syndrom nicht aus)
- Rechtsschenkelblock und ST-Erhöhung V1 – V3 (z.B. Brugada-Syndrom)
- Repolarisationsstörungen in den rechten präkordialen Ableitungen (z.B. Arrythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie)
- J-Welle in den inferioren Ableitungen und/oder V4 – V6 (z.B. Syndrom der frühen Repolarisation)
- Delta-Welle (WPW-Syndrom)
- tiefe Q-Zacken in Ableitungen I und AVL (z.B. Koronaranomalien)
- Niedervoltage, ST-Erhöhungen, abgeflachtes T (z.B. Perikarditis, Perikarderguss)
- Warnhinweise auf das Vorliegen einer kardiogenen Synkope bei der klinischen Untersuchung
- Inspektion: reduzierter Allgemeinzustand, (wechselnder) Bewusstseinszustand, Blässe, Exsikkose, Dyspnoe, Blutungszeichen, Herzoperationsnarbe
- Palpation/Auskultation: pathologisches Herzgeräusch, Pulsdefizit, patholog. Befund der Lungenauskultation
- Vitalparameter: pathologische Herzfrequenz, pathologischer Blutdruck, erniedrigte O2-Sättigung
Therapie
- Positionsänderung in Sitzen oder ggf. Liegen
- Bein-Muskelpumpe aktivieren (praktischer Hinweis: dem Patienten das Manöver zeigen und nachmachen lassen)
- Sympathikus-Aktivierung durch isometrischen Hände-Zug
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