veröffentlichende Fachgesellschaft: Italian Society for Pediatric Endocrinology and Diabetes (ISPED)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 04.06.2024
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.3389/fendo.2024.1387537
Grundsätzliches
- Ziel der Hypoglykämie-Therapie ist ein BZ > 70 mg/dL und ein weiteres Absinken zu verhindern
- Definition „Hypoglykämie“ gemäß American Diabetes Association (ADA): „alle Episoden einer abnorm niedrigen Plasmaglukosekonzentration, die mit einem potenziellen Schaden für die Betroffenen verbunden sind“ (CAVE: sowohl physische als auch psychologische/psychosoziale Gefahren)
- bei > 80 % der Diabetiker*innen tritt im Durchschnitt zweimal pro Woche eine symptomatische Hypoglykämie auf
- Einteilung der Hypoglykämie
- „symptomatische Hypoglykämie“: BZ <70 mg/dL & selbst/durch andere bemerkte Symptome
- „klinisch bedeutsame Hypoglykämie“: BZ <54 mg/dL
- „schwere Hypoglykämie“: kein definierter BZ-Wert, aber abhängig von Ausprägung der Symptome wie Bewusstseinsstörung, Krampfanfall etc.
Symptomatik
Symptomatik bei Hypoglykämie entsteht durch die adrenerge Aktivierung sobald der BZ unter 65 – 70 mg/dL fällt oder bei einer Neuroglykopenie.
- autonome Symptome wie Schüttelfrost, Schweißausbrüche, Zittern, Palpitationen, Blässe
- neuroglykopenische Symptome wie niedriger BZ, verschwommenes oder Doppeltsehen, gestörtes Farbensehen, Schwierigkeiten beim Hören, verwaschene Sprache, schlechtes Urteilsvermögen, Verwirrtheit, Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis, Schwindel, Gangunsicherheit, Bewusstseinsverlust, Krampfanfall sowie Tod
- behaviorale Symptome wie Reizbarkeit, unberechenbares Verhalten, Unruhe, Albträume, Weinen/Schreien
- unspezifische Symptome wie Hunger, Kopfschmerzen, Übelkeit, Müdigkeit
symptombeeinflussende Variablen
- Alter (Symptome treten bei Kindern bei einem höheren Glukosespiegel auf als bei Erwachsenen)
- Erkrankungsdauer (Symptome einer Hypoglykämie nehmen mit zunehmender Dauer des Diabetes ab; Glukagonreaktion auf eine insulininduzierte Hypoglykämie geht in den ersten 12 Monaten nach Beginn des Diabetes allmählich verloren und ist i.d.R. nach 5 Jahren verschwunden)
- chronische Hyperglykämie (chronische Hyperglykämie und schlechte Blutzuckereinstellung können zu adaptiver Verschiebung des Schwellenwerts für das Auftreten von Symptomen nach oben führen im Vgl. zu Personen ohne Diabetes)
- kürzlich aufgetretenen Hypoglykämien (Schwellenwerte für Symptome verschieben sich hin zu niedrigeren BZ-Werten nach einer kürzlich aufgetretenen Hypoglykämie)
Risikofaktoren für schwere Hypoglykämie
- Alter (höheres Risiko für schwere Hypoglykämie bei Kindern)
- Erkrankungsdauer
- Compliance bzgl. Blutzuckereinstellung
- Art der Behandlung (je mehr tgl. Insulininjektionen, desto geringer das Risiko; bei Insulinpumpe ist das Risiko ebenfalls geringer)
- Unwissenheit bzgl. Diabetes, Lebensstil(anpassung) etc.
- nächtliche Episoden
- körperliche Anstrengung (auch mangelndes Aufwärmen beim Sport)
- frühere Anfälle
- Alkohol- und/oder Drogenkonsum
- sonstige Erkrankungen wie Zöliakie, Morbus Addison oder Hypothyreose
Therapie der schweren Hypoglykämie
- Therapie leichte bis mittelschwere Hypoglykämie
- orale Gabe schnell wirksamer Kohlenhydrate (empfohlene Kohlenhydratdosis für Kinder & Jugendliche ist 0,3 g/kg Glukose oral, auch bei Insulinpumpe)
- BZ-Messung alle 15 min bis zur Stabilisierung des BZ
- CAVE: kein Honig aufgrund Botulismus-Gefahr, keine Milch aufgrund zu geringer Wirkung und keine komplexen Kohlenhydrate und fetthaltige Lebensmittel (z. B. Schokolade) aufgrund der verzögerten Aufnahme im Darm und des langsamen Anstiegs des Blutzuckers
- Therapie schwere Hypoglykämie
- 0,2 g/kg bzw. 2 mL/kg bis max. 0,5 g/kg bzw. 5 mL/kg G10 i.v. (CAVE: keine hochkonzentrierte Glukose > 25 % oder hohe Infusionsgeschwindigkeit > 5 mg/kg/min aufgrund Gefahr einer osmotischen Diurese)
- bei rezidivierender Hypoglykämie ggf. Anpassung auf 2-5 mg/kg/min bzw. 1,2 – 3,0 mL/kg/h G10 i.v.
- bei Übelkeit, Erbrechen oder Nahrungsverweigerung ggf. kleine Glucagon-Dosen s.c. mit 1 mL-Insulinspritze (ggf. Dosiswdh. bei ausbleibender Besserung nach 30 min)
- 2 Einheiten (20 μg) für Kinder ≤ 2 Jahre
- 1 Einheit/Jahr für Kinder zw. 3 – 15 Jahre
- max. Höchstdosis von 150 μg oder 15 Einheiten
- Management bei Insulinpumpe
- orale Gabe schnell wirksamer Kohlenhydrate nur erforderlich bei Hypoglykämie-Alarm bei symptomatischen Personen oder innerhalb von 2 – 3 h nach „einem“überflüssigem“ Bolus
- vor Korrektur mit Glukose in Dosierung von 0,1 g/kg (d.h. 4 – 8 g Gesamtdosis) min. 15 min abwarten, um Schwankungen des Glukosewertes zu vermeiden
Be First to Comment