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15.03. – Tag der Rückengesundheit

Heute ist der jährliche „Tag der Rückengesundheit“, welcher im Jahr 2002 vom Forum Schmerz im Deutschen Grünen Kreuz initiiert wurde und heutzutage vom Bundesverband deutscher Rückenschulen (BdR) und der Aktion Gesunder Rücken (AGR) veranstaltet wird. Ziel des Aktionstages ist es auf das Thema Rückengesundheit aufmerksam zu machen und zusätzlich auf verschiedenen Ebenen die aktive Prävention von Rückenbeschwerden zu erreichen.

Auch die Notfallmedizin, egal ob in der Präklinik oder im Krankenhaus, ist eine tagtägliche Gefahr für den eigenen Rücken, da unsere Jobs geprägt sind von Heben & Tragen schwerer Lasten und damit eine starke Belastung des Muskel-Skelett-Systems bedingt. Genau deshalb ist es wichtig darauf aufmerksam zu machen, wie wir auf der privaten, aber auch auf der Organisationsebene Prävention betreiben können!

Zahlen & Fakten

Allgemein

  • 74 – 85 % der Bevölkerung in Deutschland haben mindestens einmal im Leben Rückenschmerzen
  • 9 % der Bevölkerung haben erheblich behindernde Rückenschmerzen
  • ca. 40 % der Erwachsenen in westlichen Industriestaaten leiden unter Rückenschmerzen, wobei sich diese bei rund 10 % chronifizieren
  • ca. 20 Millionen Menschen in Deutschland konsultierten letztes Jahr eine
    Ärztin/einen Arzt wegen Rückenbeschwerden
  • 20 % der Bevölkerung haben letztes Jahr unter mindestens 3 Monate oder länger anhaltenden Rückenschmerzen gelitten
  • Rückenschmerzen liegen mit einem Anteil von 7 % auf Platz 1 der Arbeitsunfähigkeitstagestatistik verschiedener Krankenkassen
  • allein bei AOK-Pflichtmitgliedern (ohne Rentner) gehen 14.500.000 AU-Tage jährlich auf Rückenschmerzen zurück (pro Fall 11,7 Ausfalltag für eine Rückenschmerzepisode)
  • min. 8 % der Rentenzugänge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gehen auf Rückenleiden zurück (in anderen Berichten bis zu 20 %)
  • direkte & indirekte Gesamtkosten für Rückenleiden belaufen sich jedes Jahr auf rund 20.000.000.000 €

Notfallmedizin

  • 69 % der Befragten in der Studie „Gesundheitsförderung im Rettungsdienst“ von Klewer & Dix gaben an unter Rückenschmerzen zu leiden, außerdem gaben die Befragten an, dass die größten patient*innenabhängige Belastungsfaktoren das Heben (80 %) und Tragen schwerer Lasten (84 %) ist (Klewer, J.; Dix, K.: Gesundheitsförderung im Rettungsdienst. In: Rettungsdienst 32/2009, S. 1052-1056)
  • 57 % der Befragten in der Untersuchung „Arbeits- und Gesundheitsschutz für Beschäftigte im Rettungsdienst“ von Mühlen et al. gaben an, dass schweres Heben und Tragen die Hauptbelastung im Job ist, noch vor Schichtarbeit mit 21 % und psychische Belastungen mit 17 % (Mühlen et al.: Arbeits- und Gesundheitsschutz für Beschäftigte im Rettungsdienst. In: ErgoMed 06/2005, S. 169-177)
  • Muskel-Skelett-Erkrankungen schlugen mit einem Anteil von 30 % als häufigste Erkrankungsart im „Unternehmensreport Gesundheit für DRK Rettungsdienst – Arbeitsunfähigkeitsdaten 2011“ der BARMER über den Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes zu Buche (Allgemeinbevölkerung: ca. 21 %)

Belastungen der Bandscheiben in verschiedenen Szenarien

Quelle: https://www.unfallkasse-nrw.de/fileadmin/server/download/praevention_in_nrw/praevention_nrw_73.pdf

Risikofaktoren für das Entstehen von Rückenproblemen

  • soziale Risikofaktoren
    • geringes Ausbildungsniveau
    • geringes monatliches Einkommen
  • psychologische Risikofaktoren
    • Depression/Depressivität
    • psychische Beeinträchtigung („Distress“)
    • Furchtvermeidungsdenken, Katastrophisieren
    • sexueller & körperlicher Missbrauch
  • individuelle biologische & verhaltensabhängige Merkmale/Risikofaktoren
    • Alter zw. 30 – 50 Jahren
    • vorangegangene Episode von Rückenschmerzen
    • schlechter Funktionszustand der Muskulatur (Atrophie, Verfettung)
    • Veränderungen im Fasziennetz
    • Rauchen
    • beeinträchtigende Komorbiditäten (Begleiterkrankungen oder -faktoren), z.B.: Gelenkerkrankungen, Osteoporose, Schlaganfall, Herzinsuffizienz, Substanzmissbrauch, Übergewicht/Adipositas,chronische Bronchitis
  • arbeitsplatzbezogene Risikofaktoren
    • Ganzkörpervibrationen (LKW-Fahrer*innen, Hubschrauberpilot*innen)
    • Arbeiten in ungünstigen Haltungen (Bücken und Drehen)
    • schwere Material- und Patient*innenbewegungen: Heben, Tragen, Schieben, Ziehen
    • psychosoziale Arbeitsplatzbelastungen, z.B. Arbeitsunzufriedenheit, fehlende soziale Unterstützung, fehlende Wertschätzung, geringer Handlungsspielraum

Präventionsmaßnahmen (im Rettungsdienst)

technische Schutzmaßnahmen

  • Raupenstuhl mit/ohne elektrischem Antrieb für den Patient*innentransport (im Sitzen)
  • Treppengleittuch für Liegendtransport treppab, v.a. bei engen Treppenhäusern
  • Treppensteiger für den Patient*innentransport (im Sitzen), als Alternative zum Raupenstuhl, v.a. bei engen Treppenhäusern
  • Roll-in-Fahrtrage für den Patient*innentransport (auch hydraulisch bzw. elektrisch)
  • Rollboard zum rückenschonenden Umlagern
  • Liftsysteme in Fahrzeugen für den Transport von Krankentragestühlen

organisatorische Schutzmaßnahmen

  • Thema „Rückenprävention“ im Unternehmensleitbild platzieren
  • Etablierung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (z.B. Sportprogramme und Ernährungsberatung)
  • Konzepte für den Transport von schwergewichtigen Patient*innen im Sinne des § 4 LasthandhabV und für die Unterweisung im Sinne des § 4 DGUV Vorschrift 1 auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung
  • Thema „Rückenprävention“ dauerhaft in Pflichtfortbildungen implementieren
  • Regelungen für die Anforderung von Tragehilfe (verfügbare Einsatzkräfte, Möglichkeiten zur Anforderung weiterer Kräfte, Vorlaufzeiten)
  • Angebotsvorsorge im Sinne der AMR 13.2 (Arbeitsmedizinische Regel 13.2 – „Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen…“)
  • standardisierte Abfrage der Leitstelle mit Anfahrmöglichkeit am Einsatzort, Lage des Einsatzorts (Etage?), geeigneter Aufzug zum Patient*innentransport mit einer Trage vorhanden, Gewicht der Patient*innen (ggf. geschätzt), Beschaffenheit des Treppenhauses (Wendeltreppe, enge Treppe)
  • Etablierung von Eignungsuntersuchung/Eignungstest (siehe z.B. § 4 Abs. 2 RettG NRW)
  • Informationen über geeignete Krankenhäuser (spezialisierte Kliniken für schwergewichtige Patient*innen in erreichbarer Nähe)
  • Rettungsmittelbeschaffung (zusätzliche Rettungsmittel mit höherer, sicherer Arbeitslast oder erforderliche Spezialfahrzeuge)
  • Umsetzung älterer und leistungsgeminderter Mitarbeiter*innen auf weniger frequentierte Standorte

Eine Checkliste mit dem Titel „Rückenprävention für Einsatzkräfte der Rettungsdienste und Feuerwehren im Rettungsdiensteinsatz beim Patienten-/Patientinnentransport – Fragen zur Gefährdungsbeurteilung (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)“ der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen (Unfallkasse NRW) findet Ihr hier: https://repos.rms2cdn.de/files/sonstiges/checkliste-rueckenpraevention.pdf

persönliche Schutzmaßnahmen

  • Verbesserung des Hebe- und Trageverhaltens im Rettungsdienst durch regelmäßige Übungen (Rückenschule)
  • Verbesserung des Stoffwechsels/Gewichtsreduktion durch bessere Ernährung
  • Verbesserung der Rückenfitness durch Training (z.B. auch Warm-up zu Dienstbeginn, Bewegungspausen in ruhigen Schichten)
  • Beschäftigung mit bereitgestellten Hilfsmitteln und Nutzung der Arbeitshilfen

Exkurs – richtiges Heben & Tragen

Die nachfolgenden Punkte sind unerlässlich für das richtige Heben:

  • stabiler Stand (Körpergewicht sollte auf die ganze Fußsohle verteilt sein)
  • Füße etwa beckenbreit aufstellen (damit Platz für Arme zwischen den Beinen ist)
  • gerade bzw. frontal zum Gegenstand/Patient*in ausrichten (Füße, Becken, Brustbein und Augen schauen zum Gegenstand/Patient*in)
  • Oberkörper aufrichten (Brustbein nach vorne oben schieben und mit geradem Rücken kontrolliert in die Kniebeuge gehen)
  • Blick geradeaus halten
  • Anheben und gleichzeitg Ausatmen („Powerhouse“ durch Ziehen des Bauchnabels tief nach innen aktivieren)
  • Kraft der Beinmuskulatur nutzen und kontrolliert aus der Kniebeuge mit dem Gegenstand/Patient*in möglichst nah am Körper wieder in die Ausgangsposition drücken
Quelle: https://www.unfallkasse-nrw.de/fileadmin/server/download/praevention_in_nrw/praevention_nrw_73.pdf

Die nachfolgenden Punkte sind unerlässlich für das richtige Tragen:

  • Oberkörper aufrichten und das Brustbein nach vorne oben schieben, dabei den Gegenstand mit geradem Rücken in Bauchhöhe dicht am Oberkörper halten
  • während des Tragens gleichmäßig weiter atmen und die Rumpfmuskulatur aktiv halten (Bauchnabel nach innen ziehen)
  • Vermeidung von Seitneigung oder Verdrehung des Oberkörpers beim Anheben, Um- und Absetzen einer Last sowie einseitiger, asymmetrischer Tragebelastungen
  • Nutzung von Hebe- & Tragehilfe und korrekte Tragetechnik nicht vergessen

Rückenschmerz-Checkliste zur Abklärung schwerer Erkrankungen („Rückennotfall“)

Sofern Fragen aus der Liste mit „Ja“ zu beantworten sind, sollte ärztlicher Rat eingeholt werden:

  • Bestehen Taubheitsgefühle oder Lähmungen in den Beinen? (relevante Nervenkompression)
  • Gibt es Probleme beim Wasserlassen oder beim Stuhlgang? (relevante Nervenkompression)
  • Folgte der Rückenschmerz auf einen Unfall? (z.B. Sturz oder auch scheinbare „Bagatelle“)
  • Gab es zeitgleich zum Rückenschmerz auch plötzlich auftretendes Fieber oder Schüttelfrost? (Infektionszeichen)
  • Gibt es Krebserkrankungen in der Vorgeschichte?
  • Wurde ein starker Gewichtsverlust beobachtet oder eine rasche Ermüdbarkeit?
  • Ist der Schmerz vor allem in der Nacht besonders stark?

Als die vier „Rückennotfall“-Red Flags gelten Fieber, konstante Schmerzen (ggf. nachts Verstärkung), neurologische Ausfälle und rasch progrediente Deformitäten (z.B. Kyphosierungen).

Die relevanten spinalen Notfallpathologien lassen sich auch unter dem namen „The Big Five“ subsummieren, weobei die folgenden fünf Hauptdiagnosen dazu zählen:

  • Cauda equina Syndrom
  • Cervicale (thorakale) Myelopathie
  • Fraktur (traumatisch/pathologisch)
  • Infekt/Spondylodiszitis
  • Tumor/Metastase

Quellen

Published inWelttag...

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