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Leitlinie „Management of unanticipated difficult airway in adults under general anaesthesia“ von AIDAA

veröffentlichende Fachgesellschaft: All India Difficult Airway Association (AIDAA)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 26.11.2025
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.4103/ija.ija_1210_25

Human Factors

  • Human Factors, die die Leistungsfähigkeit bei Atemwegsnotfällen häufig beeinflussen
    • kognitive Herausforderungen (z. B. kognitive Überlastung, Verlust des Situationsbewusstseins und Fixierungsfehler)
    • Kommunikationsbarrieren (z. B. ineffektiver Informationsaustausch und unklare Rollenverteilung)
    • beeinträchtigte Entscheidungsfindung unter Stress (z. B. unzureichende Vorbereitung oder Abweichung von einem strukturierten Plan)
    • Ausrüstungs- und ergonomische Probleme wie mangelnde Vertrautheit mit Geräten oder eine unübersichtliche Umgebung
    • Einschränkungen im Zusammenhang mit Ausbildung, Erfahrung und Ermüdung, inkl. fehlende Erfahrung oder eingeschränktem Urteilsvermögen
    • kulturelle oder systemische Einflüsse wie hierarchische Barrieren und Abweichungen von etablierten Protokollen
  • Strategien zur Kompensation
    • Checklisten
    • Teamvorbereitung
    • Vorplanung
    • Rollenbesprechungen und Aufgabenverteilung
    • flache Hierarchien
    • geschlossene Kommunikation
    • „Stop-and-Think“-Ansatz
    • Einsatz kognitiver Hilfsmittel
    • Team-Debriefings

Risikobewertung

  • Risikobewertung umfasst die Beurteilung der Atemwege zur Vorhersage anatomisch oder physiologisch schwieriger Atemwege, die Abschätzung des Risikos einer Lungenaspiration sowie Auswertung von Informationen aus der Anamnese (auch Familienanamnese), der klinischen Untersuchung, der Krankenakte, diagnostischen Tests, Bildgebung und der Gesamtbeurteilung des klinischen Zustands der Patient*innen
  • Empfehlung für routinemäßige Risikobewertung für das Atemwegsmanagement – ​​sofern möglich – vor Einleitung der Anästhesie und des Atemwegsmanagements durch die dafür verantwortliche Person
  • bei Patient*innen mit Aspirationsrisiko RSI durchführen

Präoxygenierung

  • Präoxygenierung in 20°-Oberkörperhochlagerung
  • Präoxygenierung für mind. 3 min mit normaler Atemzugsgröße (bei Maskenleckage auf 5 min verlängern)
  • Sauerstoffgabe über eine Nasenkanüle kann die Effektivität der Präoxygenierung bei Maskenleckage verbesser
  • alternative, effektive Methode ist die Präoxygenierung mit 8 Atemzügen mit max. Vitalkapazität über 60 sec
  • endexspiratorische Sauerstoffkonzentration von > 90 % und endexspiratorische Stickstoffkonzentration von < 4 % anstreben
  • bei geschlossenem Beatmungssystems Präoxygenierung mit vorgefüllten Sauerstoffkreislauf und minimaler Sauerstoffflussrate von 10 L/min
  • NIV verbessert die Effektivität der Präoxygenierung
  • bei Hochrisikopatient*innen (inkl. Adipositas, Geburtshilfe und schwerkranke Patient*innen), sofern möglich, CPAP mit 5 – 10 cm H₂O oder druckunterstützte Beatmung mit 5 – 15 cm H₂O und PEEP oder HFNO

Optimierung für Intubation

  • Lagerung
    • Schnüffelposition weiterhin als Ausgangsposition für ETI in Betracht zu ziehen, da sie die Intubation erleichtert (CAVE: Metaanalyse ergab keinen Vorteil der Schnüffelposition ggü. anderen Positionen hinsichtlich Larynxvisualisierung, Erfolgsrate der Erstintubation oder Intubationszeit)
    • Rampenposition bietet bei adipösen Patient*innen eine bessere Sicht auf die Glottis während der direkten Laryngoskopie
  • Narkosemedikamente
    • Wahl des Narkoseeinleitungsmittels richtet sich nach Zustand der Patient*innen und dem klinischen Kontext
    • bei wiederholten Intubationsversuchen ausreichende Narkosetiefe sicherstellen, um intraoperatives Erwachen zu verhindern
    • Verzicht auf Maskenbeatmung nach Einleitung der Anästhesie und vor Muskelrelaxanz-Gabe spart wertvolle Zeit und priorisiert das primäre Ziel der endotrachealen Intubation
    • bei RSI entweder Rocuronium oder Succinylcholin verwenden, rasch Intubationsbedingungen zu erreichen (bei Rocuronium-Dosis von ≥ 1,2 mg/kg werden innerhalb von 60 sec Intubationsbedingungen erreicht, die denen von Succinylcholin gleichwertig sind)
  • apnoische Oxygenierung
    • kontinuierliche Sauerstoffinsufflation mit 10 – 15 L/min über Nasenkanüle o.Ä. kann die Dauer der sicheren Apnoezeit nach neuromuskulärer Blockade verlängern (Nasenkanüle kann während der Präoxygenierung unter einer Gesichtsmaske platziert und anschließend zur nasalen Sauerstoffgabe während der endotrachealen Intubation verwenden)
    • Voraussetzungen für erfolgreiche apnoische Oxygenierung sind optimale Präoxygenierung und Aufrechterhaltung der Durchgängigkeit der oberen Atemwege
    • CAVE: Technik ist bei desaturierenden Patient*innen als Notfallmaßnahme nicht wirksam
    • AIDAA-Empfehlung für routinemäßige apnoische Oxygenierung
  • Laryngoskopie
    • Intubationsversuche auf ein Minimum beschränken
    • Videolaryngoskopie als Standardverfahren für die Laryngoskopie und Einsatz von Hilfsmitteln wie Führungsdrähten und Bougies
    • trotz der Effektivität der Videolaryngoskopie und selbst wenn diese verfügbar ist, kann die direkte Laryngoskopie je nach Erfahrung der Anwender*innen und klinischem Kontext in Betracht gezogen werden
    • externe Manipulation des Kehlkopfes oder der von einer Assistenzperson ausgeübte BURP-Druck können die laryngoskopische Sicht verbessern
    • keine blinde Laryngoskopie
  • Lagebestätigung nach Intubation
    • kontinuierliche Kapnographie ist der Goldstandard zur Bestätigung der korrekten Tubuslage 
    • AIDAA empfiehlt 6 konsistente Kapnographiekurven ohne Abfall des gemessenen Kohlendioxid-(CO₂)-Wertes
    • Kriterien zur Vermeidung einer unbemerkten Ösophagusintubation
      • Anstieg der Amplitude während der Exspiration und Abfall während der Inspiration
      • gleichbleibende oder zunehmende Amplitude über mind. 7 Atemzüge
      • Spitzenamplitude > 7,5 mmHg über dem Ausgangswert
      • klinisch angemessene Messung
      • ausreichende etCO2 und SpO2 nach ETI für das Team verbalisieren
      • Ösophagusintubation aktiv ausschließen, wenn kein anhaltendes etCO2 nachweisbar ist
      • bei Ösophagusintubation Tubusentfernung und Maske-Beatmung oder mit SGA
  • Maskenbeatmung
    • Maskenbeatmung unmittelbar nach Einleitung der Anästhesie und zwischen Versuchen zur Sicherung des Atemwegs
    • unzureichende Thoraxhebung während der Maskenbeatmung kann auf Verlegung der Atemwege oder eine Leckage um die Maske herum hindeuten
    • Einsatz einer kontinuierlichen Kapnographie während der Präoxygenierung erwägen und während der Maskenbeatmung fortsetzen
  • supraglottische Atemwegshilfen (SGA)
    • bei fehlgeschlagener initialer Einführung der SGA hat sich der Wechsel zu einem anderen SGA-Typ als erfolgreich erwiesen
    • Umintubation von SGA auf ET nur unter Sichtkontrolle mit einem flexiblen Bronchoskop

CICO/CVCO/CICV bzw. „komplettes Beatmungsversagen“

  • Begriffsdefinitionen
    • CICO: „cannot intubate, cannot oxygenate“
    • CVCO: „cannot ventilate, cannot oxygenate“
    • CICV: „cannot intubate, cannot ventilate“
    • „komplettes Beatmungsversagen“: klinische Situation, in der die Beatmung mit Trachealtubus, supraglottischer Atemwegshilfe und Gesichtsmaske trotz maximaler Bemühungen erfolglos bleibt, selbst wenn die Sauerstoffversorgung aufrechterhalten werden kann
  • bei komplettem Beatmungsversagen unverzügliche Notfall-Koniotomie

Notfall-Koniotomie

  • Notfall-Koniotomie ist das Rettungsverfahren bei vollständigem Atemversagen
  • bei Patient*innen mit zu erwartenden schwierigen Atemwegsverhältnissen kann es hilfreich sein, die Membrana cricothyroidea vor Einleitung der Anästhesie zu identifizieren und zu markieren
  • bei adipösen Patient*innen, bei denen die anatomischen Strukturen nicht leicht tastbar sind, kann die sonografische Lokalisierung und Markierung der Membrana cricothyroidea, auch in Notfallsituationen, von Nutzen sein
  • Positionierung der Patient*innen in Rückenlage mit überstrecktem Hals (ggf. Schulterrolle oder das Absenken des Kopfes über die OP-Tischkante o.Ä.)
  • aseptische Techniken und Standardhygienemaßnahmen einhalten
  • während der Notfall-Koniotomie weiterhin die Beatmung mit Gesichtsmaske und die Sauerstoffgabe unter Apnoe versuchen

chirurgische Cricothyreoidektomie-Techniken

  • „Stab‑Twist‑Bougie‑Tube“-Technik
    • korrekte Positionierung und Vorbereitung des Operationsfeldes
    • „Laryngeal Handshake“ mit der nicht-dominanten Hand, um Membrana cricothyreoidea zu lokalisieren
    • kräftiger horizontaler Stich (senkrecht zur Atemwegspassage) durch die Membrana cricothyreoidea mit der dominanten Hand (Schneidefläche zeigt zum Durchführenden)
    • Skalpell dann innerhalb des Schnitts um 90 ° drehen (Schneidefläche weg nach kaudal bewegen)
    • Skalpell anschließend einige Millimeter zum Durchführenden hinziehen, um Platz für Einführung eines Bougies an der Skalpellkante zu schaffen
    • Bougie wird mit seiner abgerundeten Spitze 7 – 10 cm in die Trachea einführen
    • Skalpell entfernen und ET der Größe 6 mit Cuff über Bougie in die Trachea einführen, bis der proximale Teil des Cuffs verschwindet (ca. 3 cm in der Trachea)
    • Bougie entfernen und korrekte Lage nach Beatmung und Cuff-Inflation mittels EtCO₂-Messung bestätigen
    • auf beidseitig gleichmäßige Atemgeräusche prüfen
    • Tubus fixieren, bis er an der Haut anliegt
    • ggf. Blutstillung an der Inzisionsstelle und/oder Trachealsekretabsaugung
    • Thorax-Röntgen, um endobronchiale Intubation oder Pneumothorax auszuschließen
  • Nadelkoniotomie
    • Einführen einer 12 bis 14 G Kanüle durch die Cricothyroidmembran
    • CAVE: längeren Zeit bis zum Erreichen der Beatmung und größere prozedurale Schwierigkeiten
    • CAVE: Aspirationsgefahr, da kein definitiver Atemweg
  • fertige Koniotomie-Sets

Algorithmus für die Behandlung eines unvorhergesehenen, schwierigen Atemwegs

Empfehlungen

  • Videolaryngoskopie verbessert die Erfolgsrate der Intubation im Vergleich zur direkten Laryngoskopie und wird als primäres Tool oder in Notfallsituationen empfohlen, sofern Fachwissen verfügbar ist
  • Bougie in Betracht ziehen, um Intubationserfolg mit einem Macintosh-Laryngoskop zu verbessern
  • Verwendung eines Mandrins kann vorteilhaft sein, um den Intubationserfolg mit einem hyperangulierten Videolaryngoskop zu verbessern
  • apnoische Oxygenierung während der Intubation kann vorteilhaft sein, um das Risiko einer Desaturierung zu verringern
  • Muskelrelaxierung, um Maskenbeatmung zu verbessern, wenn Schwierigkeiten bei der Maskenbeatmung auftreten
  • nach fehlgeschlagener Intubation Laryngoskopie nur dann erneut versuchen, wenn die Sauerstoffsättigung (SpO2) bei Erwachsenen ≥ 95 % beträgt
  • max. drei ETI-Versuche, um Komplikationen im Zusammenhang mit dem Atemwegsmanagement bei Erwachsenen zu begrenzen
  • max. drei Versuche der supraglottischen Atemwegssicherung, um Komplikationen im Zusammenhang mit dem Atemwegsmanagement bei Erwachsenen zu begrenzen
  • bei vollständigem Versagen der Beatmung bei Erwachsenen Durchführung einer chirurgischen Krikothyreotomie
Published inLeitlinien kompakt

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