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Leitlinie „Ärztliche Versorgung Minderjähriger nach sexueller Gewalt ohne Einbeziehung der Eltern“ des DIJuF

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 07.05.2018
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.signal-intervention.de/sites/default/files/2020-04/Infothek_Expertise_Aerztliche_Versorgung_Minderjaehriger_nach_sexueller_Gewalt_5_2018_0.pdf

Begrifflichkeiten

  • Minderjährige
    • im Sinne des Kinder- und Jugendhilferechts ist, wer das 14. Lebensjahr vollendet hat (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII)
  • vertrauliche Spurensicherung
    • möglichst rechtssichere Dokumentation von Verletzungen sowie die Erhebung und Lagerung von Täterspuren nach erlittener sexueller Gewalt
    • unabhängig von einer Anzeige des Übergriffs, also außerhalb eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens und allein zur Kenntnis der/des Betroffenen

Empfehlungen

  • neben Untersuchung und – selten notwendigen – Behandlung von Verletzungen können Verschreibung von Notfallkontrazeptiva („Pille danach“), Tetanus- und/oder Hepatitis B-Impfung sowie Hinweise auf sexuell übertragbare Krankheiten angezeigt sein
  • Angebot vertraulicher Spurensicherung ist bei Kindern und Jugendlichen ebenso wichtig dafür, später in Ruhe über eine Anzeige entscheiden zu können, wie bei Erwachsenen
  • Motive wie etwa Scham, Angst, Befürchtung von Autonomieverlust oder hilfloser bzw. Überreaktionen der Eltern können eine Rolle dabei spielen, wenn ein/e Kind/Jugendliche*r die Einbeziehung der Eltern ablehnt
    • Übergehen des Wunsches, die Eltern nicht einzubeziehen, kann als erneute Verletzung der Selbstbestimmung empfunden werden
    • wird Einbezug der Eltern zur Bedingung für ärztliche Erstversorgung gemacht, kann Inanspruchnahme von Hilfe gehemmt werden oder sogar unterbleiben
  • Einwilligung der/des Minderjährigen reicht aus – vorausgesetzt die/der Minderjährige ist „einwilligungsfähig“, weist also die „erforderliche geistige und sittliche Reife“ auf, um über die (Nicht-)Vornahme der medizinischen Maßnahmen zu entscheiden
    • bei einwilligungsunfähigen Minderjährigen ist Einwilligung der Sorgeberechtigten erforderlich
    • Einwilligungsfähigkeit
      • Art, Bedeutung, Tragweite, Risiken der medizinischen Maßnahme versteht (Einsichtsfähigkeit)
      • fähig ist, Nutzen und Risiken der medizinischen Maßnahme abzuwägen und willensbasierte, eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen (= Urteilsfähigkeit)
      • fähig ist, sein/ihr Handeln entsprechend der Einsicht zu steuern ( = Steuerungsfähigkeit)
    • feste Altersgrenzen für die Annahme von Einwilligungsfähigkeit gibt es nicht, auch weilsie sich immer auf die Tragweite des jeweiligen Eingriffs bezieht
  • Aufklärung muss inhaltlich und sprachlich für die Adressat*innen verständlich sein und – wie auch sonst – im Rahmen eines individuellen, mündlichen Gesprächs stattfinden
    • Prüfung der Einwilligungsfähigkeit in Bezug auf vorgenommene Maßnahmen schriftlich festhalten
  • Minderjährige können den Behandlungsvertrag grundsätzlich selbstständig abschließen, vorausgesetzt es drohen ihnen dadurch keine „rechtlichen Nachteile“
  • Notfallkliniken sind zur Erstversorgung verpflichtet, unabhängig davon, ob der/die Minderjährige (versichert oder unversichert), allein oder in Begleitung der Eltern Behandlung begehrt, – auch dann, wenn die Übernahme der Kostentragung nicht unmittelbar geklärt werden kann
  • zumindest wenn die Vermutung besteht, dass sexuelle Gewalt sich fortsetzen könnte, muss von einer Gefährdung des Kindes bzw. der/des Jugendlichen ausgegangen werden
    • dann besteht die Verpflichtung die Situation mit dem Kind oder dem/der Jugendlichen zu besprechen und auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinzuwirken
Published inIm Notfall PsychiatrieLeitlinien kompakt

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