veröffentlichende Fachgesellschaft: Aktionsbündnis Patientensicherheit
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 17.08.2018
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.aps-ev.de/aps-weissbuch/
Definitionen
- Patientensicherheit: Abwesenheit unerwünschter Ereignisse
- unerwünschtes Ereignis: unbeabsichtigtes negatives Ergebnis, das auf
die Behandlung zurückgeht und nicht der bestehenden Erkrankung geschuldet ist - Fehler (error): Nichterreichen eines geplanten Handlungszieles oder Anwendung eines falschen Plans
- vermeidbares UE: ein auf einen Fehler zurückzuführendes unerwünschtes
Ereignis - Beinaheschaden: Fehler ohne konsekutives Auftreten eines Unerwünschten (near miss) Ereignisses
- Behandlungsfehler: vermeidbares unerwünschtes Ereignis, das die Kriterien der Sorgfaltsverletzung erfüllt
Interventionen zur Verbesserung der Patientensicherheit
- technische Lösungen
- Kommunikation
- Stärkung der Teams
- aktive Einbindung der Patienten
- präzise Spezifikation
- Standardisierung
- multiple Interventionen
- Disseminierung und Implementierung
Perspektiven und Dimensionen der Patientensicherheit
Modell zur Entstehung von Vermeidbaren Unerwünschten Ereignissen
Einteilung von Fehlern
- skill-based errors (Ausführungs- als auch Wahrnehmungsfehler also Patzer und Versehen)
- capture (aktuelle Handlung (ABCFG) wird durch häufiger genutzte Handlungen (ABCDE) überlagert)
- description error (Handlung am falschen Objekt, z.B. Orangensaft statt
Milch zum Kaffee), - associative activation error (falsche Assoziation, z.B. bei persönlicher
Begrüßung Telefongruß aussprechen), - loss of activation errors (kurzfristiges Gedächtnisversagen, wenn man
nicht mehr weiß, warum man einen Raum betreten hat)
- rule-based errors (falsche Regel wird verwendet, z.B. falsches Behandlungsprotokoll wird ausgewählt; Irrtum)
- knowledge-based errors (vorher nicht bekannte Situation erzwingt aktive Problemlösung, diese wird jedoch umgangen oder auf falscher Grundlage ausgeführt)
- biased memory (man sieht was man meint zu sehen, weil man auf Erinnerungen und bekannte Muster bezieht)
- availability heuristics (erste verfügbare Information wird genutzt, ungeachtet der Tatsache, dass sie evtl. nicht geeignet ist)
- confirmation bias (man nutzt nur Informationen, die vorgefassten Überzeugungen entsprechen, z.B. in der klinischen Diagnostik)
- overconfidence (man vertraut dem Bekannten, ohne neue Lösungen in Betracht zu ziehen)
(entnommen aus APS-Weißbuch Patientensicherheit; vgl. Leape 1994, Bates und Sheikh 2015)
fünf Untergruppen des Fehlers
- errors of commission (Fehler durch Begehen)
- errors of omission (Fehler durch Unterlassen)
- errors of communication (Fehler in der/durch die Kommunikation)
- errors of context (Fehler durch Kontext)
- diagnostic errors (diagnostische Fehler)
Feedback
- zentrales Instrument des Lernens und des Organisationslernens
- Funktionieren beruht v.a. auf drei Faktoren (Relevanz, Zielgenauigkeit und Verständlichkeit); Fehler und Patientengefährdung entsteht wenn…
- Feedback-Information ist nicht handlungsrelevant ist
- Feedback-Information ist nicht zielgenau ist
- Feedback-Information ist (in den meisten Fällen) nicht verständlich ist
Merkmalen des Begriffs Sicherheitskultur
- Sicherheitskultur weist organisatorische Provenienz auf
- ist eindeutig normativ orientiert
- umfasst die Forderung, den Aspekt der Sicherheit in Konkurrenz mit
anderen Zielen der Organisation zu priorisieren - enthält nicht nur Werte, Normen, Wahrnehmungen, Haltungen und
Einstellungen, sondern bezieht sich auch auf das Verhalten, die „patterns of behavior“ - gilt als ubiquitäres Ziel in der gesamten Organisation und bei ihren Mitgliedern
Definition des Begriffs „Sicherheitsklima“
- sichtbar und messbar
- fokussiert eher auf Wahrnehmungen, Verhalten und Prozeduren als auf die verborgenen Werte und Normen
- umfasst die gesamte Organisation (alle Ebenen)
- priorisiert Sicherheit am Ort der Tätigkeit
- ist nicht im gleichem Maße stabil wie Sicherheitskultur, sie ist eher eine zeit- und umfeldgebundene Momentaufnahme
Ebenen der organisatorischen Sicherheitskultur
- Stufe 1: Pathologisch
- Warum müssen wir unsere Zeit mit Risikomanagement und Sicherheitsfragen verschwenden?
- Stufe 2: Reaktiv
- Wir nehmen das Risiko ernst und unternehmen jedes Mal etwas, wenn es zu einem Zwischenfall kommt.
- Stufe 3: Kalkulierend
- Wir verfügen über Systeme zur Bewältigung aller wahrscheinlichen Risiken.
- Stufe 4: Proaktiv
- Wir sind immer auf der Hut und denken über Risiken nach, die auftauchen könnten.
- Stufe 5: Innovativ/Vorrausschauend
- Risikomanagement ist ein integraler Bestandteil unseres Handelns.
(Parker und Hudson 2001, aus Schrappe 2016B; entnommen aus APS-Weißbuch Patientensicherheit, 2018)
Konzept Patientensicherheit
Kriterien der Kultur der Patientensicherheit
- Offenheit in der Kommunikation
- Feedback und Kommunikation über Fehler
- Häufigkeit der gemeldeten Ereignisse
- Übergaben und Übergänge
- Managementunterstützung für Patientensicherheit
- nicht strafende Reaktion auf Fehler
- organisatorisches Lernen – kontinuierliche Verbesserung
- Gesamtwahrnehmung der Patientensicherheit
- Personalausstattung
- Erwartungen und Maßnahmen der Vorgesetzten/Manager zur Förderung der Patientensicherheit
- abteilungsübergreifende Teamarbeit
- Teamarbeit innerhalb von Abteilungen
(Sorra et al. 2016, aus Schrappe 2016B; entnommen aus APS-Weißbuch Patientensicherheit, 2018)
Kultur/Klima der Patientensicherheit in Organisationen des Gesundheitswesens
- organisatorische Dimensionen
- Engagement des Managements
- organisatorische Ressourcen für die Sicherheit
- allgemeine Betonung der Sicherheit
- Dimensionen der Abteilung/Station/Wache
- Sicherheitsnormen der Abteilung/Station/Wache
- Anerkennung und Unterstützung für Sicherheit durch die Abteilung/Station/Wache
- zwischenmenschliche Dimensionen
- Furcht vor Scham
- Furcht vor Schuldzuweisungen
- sonstiges
- Bereitstellung einer sicheren Versorgung
- Gruppenkultur
- unternehmerische Kultur
- produktionsorientierte Kultur
(Singer 2009B, aus Schrappe 2016B; entnommen aus APS-Weißbuch Patientensicherheit, 2018)
Dimensionen der Kultur der Patientensicherheit in der Primärversorgung
- allgemeines Engagement für Qualität
- Priorität für Patientensicherheit
- Wahrnehmung der Ursachen von Zwischenfällen im Bereich der Patientensicherheit und deren Identifizierung
- Untersuchung von Zwischenfällen im Bereich der Patientensicherheit
- organisatorisches Lernen nach Zwischenfällen
- Kommunikation über Sicherheitsfragen
- Personalmanagement und Sicherheitsfragen
- Ausbildung und Schulung des Personals in folgenden Bereichen
- Teamarbeit bei Sicherheitsfragen
(Kirk et al. 2007, aus Schrappe 2016B; entnommen aus APS-Weißbuch Patientensicherheit, 2018)
Sei der Erste der einen Kommentar abgibt