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EKG neu erfunden? – 22-Lead ECG und Cardiac Electrical Biomarker (CEB) von Corpuls

Nachdem Corpuls vor einigen Wochen den C3T vorstellte, gab es nun gleich wieder eine neue Entwicklung zu präsentieren! Diesmal keine Geräteweiterentwicklung, sondern ein reines software-basiertes Update – das 22-Lead ECG & den CEB®. Damit ist der C3 bzw. C3T von Corpuls das erste Gerät auf dem Markt, welches 22 Ableitungen und den CEB® auf die Straße bringt. Doch was genau sind diese beiden Tools?

22-Lead ECG

Die ESC und die AHA heben in ihren aktuellen Leitlinien zur myokardialen Ischämie mit ST-Streckenhebungen den Stellwert der EKG-Diagnostik mittels der posterioren Ableitungen (V7 – V9) sowie die rechtspräkordialen Ableitungen (V3R und V4R) hervor – bisher werden diese jedoch nur in einer geringen Anzahl von Einsätzen prähospital und auch innerklinisch überprüft.

Schreck et al. (1998) konnten in einer retrospektiven Blind-Beobachtungstudie zeigen, dass theoretisch die Berechnung von 15 bzw. 22 Ableitungen basierend auf den drei Ableitungen I, II und V2 aus fünf Elektroden aufgrund einer hohen Korrelation möglich wäre. Hierzu verglichen sie die quantitativen und qualitativen Korrelationen zwischen einem „normalen“ gemessenen 12-Kanal-EKG (mECG) sowie einem gemessenen 3-Kanal-Vektorkardiogramm (mVCG) und einem abgeleiteten/berechneten 12-Kanal-EKG (dECG) sowie 3-Kanal-Vektorkardiogramm (dVCG). Die mathematische Modelierung erfolgt hierbei über das Simplex-Verfahren mittels einer universellen Matrix. In weiteren Untersuchungen konnten Schreck et al. (2011) feststellen, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen dem dECG und dem mECG gab (98,1 % Übereinstimmung); bzgl. der Herzfrequenz, dem Rhythmus, den einzelnen Segmenten des EKGs sowie den Achsen bestand eine 100 %ige Korrelation.
Die 22-Lead-Funktion ermöglicht einem die Analyse und Auswertung der Ableitungen V7 – V9, V3R- V6R sowie der Vector Loops X, Y, Z (Raumachsen im Herzen) ohne durch das Umkleben von Elektroden Zeit verstreichen zu lassen.

Cardiac Electrical Biomarker (CEB®)

Jeder Herzschlag erzeugt ein dipolares elektrisches Feld, welches, wenn myokardiale Ischämien bestehen, gestört wird. Besteht eine Ischämie, kommt es zu multipolaren Störungen, welche durch den CEB® als Zahlenwert die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Myokardes aufzeigen. Errechnet wird der CEB® aus einem abgeleiteten/errechneten EKG (dECG), welches eine hohe Vergleichbarkeit mit dem normalen EKG hat, aus den drei Standardableitungen I, II sowie V2; hierfür müssen die Elektroden RA, LA, LL, RL sowie V2 geklebt werden.

Strebel et al. (2018): a) normale Depolarisation, b) multipolare Depolarisation

Tereshenko et al. (2014) sowie Strebel et al. konnten aufzeigen, dass der CEB® eine signifikante Korrelation zum Troponin in der zweiten und dritten 3-Stunden-Periode nach dem Symptombeginn des Patienten hat bzw. dass eine schwache, aber signifikante Korrelation zwischen Troponin und CEB® schon ab dem Symptombeginn besteht. Der CEB® hat hierbei aber einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem hochsensitiven Troponin-Test, denn er ist auch schon in der präklinischen Frühphase nach 10 Sekunden verfügbar. Schreck et al. (2015) konnten in einer retrospektiven Fall-Kontroll-Blindstudie eine Sensitivität von 92,2 % beim STEMI und 92,3 % bei N-STEMI sowie eine Spezifität von 92,9 % beim STEMI und N-STEMI. Im Gegensatz hierzu konnten Strebel et al. in ihrer prospektiven, internationalen Multi-Center-Studie (APACE) beim N-STEMI nur eine Sensitivität von 43 bis 79 % feststellen, womit sich immer noch ca. 10 % der NSTEMIs im niedrigsten Terzil diagnostizieren ließen.

Einteilung des CEB
CEB < 65 (grün) = normale dipolare elektrische Herzaktivität
CEB 66 – 94 (orange) = unklare Aussage zu multipolaren Störungen der elektrischen Herzaktivität
CEB > 95 (rot) = multipolare Störungen der elektrischen Herzaktivität; klare Indikation für eine akute Myokardischämie

Der CEB® hat einen hohen diagnostischen Wert für die Feststellung einer akuten Myokardverletzung aufgrund einer Ischämie ohne Einschränkungen bzgl. des Geschlechtes, vor allem bei der Diagnostik eines NSTEMI. Dabei ist auch im Vergleich zu gemessenen EKG (mECG) kein Einfluss auf die Genauigkeit des CEB® festzustellen, welcher sich aus einem dECG ergibt.
Mit dem CEB® hat man also auch präklinisch damit noch einen weiteren Marker/Parameter für die Diagnostik einer Myokardischämie mit an Bord, der mehr Patientensicherheit in Bezug auf eine schnelle und qualitativ hochwertige Diagnosestellung gewährleistet.

Quellen:
GS Elektromedizinische Geräte G. Stemple GmbH (2020): 22-Lead ECG. In: corpuls.science, 2020 (2), S. 13–26. Online verfügbar unter https://corpuls.world/emagazines/corpuls-science-202007.php, zuletzt geprüft am 30.07.2020.
GS Elektromedizinische Geräte G. Stemple GmbH (2020): The Cardiac Electrical Biomarker – CEB®. In: corpuls.science, 2020 (2), S. 27–35. Online verfügbar unter https://corpuls.world/emagazines/corpuls-science-202007.php, zuletzt geprüft am 30.07.2020.
CardioSecur (Hg.) (2020): Lead systems – how an ECG works | CardioSecur. Online verfügbar unter https://www.cardiosecur.com/magazine/specialist-articles-on-the-heart/lead-systems-how-an-ecg-works, zuletzt aktualisiert am 31.07.2020, zuletzt geprüft am 31.07.2020.
Diagnostic and Interventional Cardiology (DAIC) (Hg.) (2009): New ECG Technology Can Derive 22-Lead Function From Five Electrodes. Online verfügbar unter https://www.dicardiology.com/content/new-ecg-technology-can-derive-22-lead-function-five-electrodes, zuletzt aktualisiert am 06.03.2009, zuletzt geprüft am 31.07.2020.
Diagnostic and Interventional Cardiology (DAIC) (Hg.) (2013): Cardiac Electrical Biomarker Demonstrates Strong Correlation to High Sensitivity Troponin To Rule Out Acute Myocardial Ischemic Injury. Online verfügbar unter https://www.dicardiology.com/content/new-ecg-technology-can-derive-22-lead-function-five-electrodes, zuletzt aktualisiert am 06.03.2009, zuletzt geprüft am 31.07.2020.
GS Elektromedizinische Geräte G. Stemple GmbH (2020): The Cardiac Electrical Biomarker – CEB®. In: corpuls.science, 2020 (2), S. 27–35. Online verfügbar unter https://corpuls.world/emagazines/corpuls-science-202007.php, zuletzt geprüft am 30.07.2020.
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Schreck, David M.; Fishberg, Robert D. (2014): Diagnostic accuracy of a new cardiac electrical biomarker for detection of electrocardiogram changes suggestive of acute myocardial ischemic injury. In: Annals of noninvasive electrocardiology : the official journal of the International Society for Holter and Noninvasive Electrocardiology, Inc 19 (2), S. 129–144. DOI: 10.1111/anec.12109.
Schreck, David M.; Fishberg, Robert D. (2015): NOVEL CARDIAC ELECTRICAL BIOMARKER FOR DETECTION OF ACUTE MYOCARDIAL ISCHEMIC INJURY. In: Journal of the American College of Cardiology 65 (10), A138. DOI: 10.1016/S0735-1097(15)60138-3.
Sedaghat, Golriz; Ghafoori, Elyar; Waks, Jonathan W.; Kabir, Muammar M.; Shvilkin, Alexei; Josephson, Mark E.; Tereshchenko, Larisa G. (2016): Quantitative Assessment of Vectorcardiographic Loop Morphology. In: Journal of electrocardiology 49 (2), S. 154–163. DOI: 10.1016/j.jelectrocard.2015.12.014.
Strebel, Ivo; Twerenbold, Raphael; Boeddinghaus, Jasper; Abächerli, Roger; Rubini Giménez, Maria; Wildi, Karin et al. (2018): Diagnostic value of the cardiac electrical biomarker, a novel ECG marker indicating myocardial injury, in patients with symptoms suggestive of non-ST-elevation myocardial infarction. In: Annals of noninvasive electrocardiology : the official journal of the International Society for Holter and Noninvasive Electrocardiology, Inc 23 (4), e12538. DOI: 10.1111/anec.12538.

Es bestand und besteht kein Interessenkonflikt in Bezug auf den Hersteller des o.g. Gerätes!

Published inLeitlinien kompakt

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