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Leitlinie „akute Einwirkungen von chemischen Substanzen – Anilin“ der BASF

veröffentlichende Fachgesellschaft: BASF Corporate Health Management – Humantoxikologie
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 01.01.2020
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.communications.extranet.basf.com/portal/basf/en/dt.jsp?setCursor=1_877454

Grundsätzliches

  • Anilin (C6H5NH2)
  • Synonyme: Aminobenzol, Phenylamin
  • findet Verwendung bei der Synthese einer Vielzahl von Produkten wie Polyurethanschäumen, Fotochemikalien, Kautschukchemikalien, Farbstoffen und Pflanzenschutzmitteln

Exposition

  • eingeatmetes Anilin wird schnell zu großem Teil über die Lunge aufgenommen und kann dann systemisch toxisch wirken
  • da Anilindämpfe schwerer als Luft sind, besteht in schlecht gelüfteten, niedrig liegenden oder geschlossenen Räumen Erstickungsgefahr
  • flüssiges Anilin bewirkt im Allgemeinen allenfalls leichte Augenreizungen
  • flüssiges Anilin oder Anilindämpfe werden gut über die Haut aufgenommen und können dann im ganzen Körper wirksam sein
  • nach Verschlucken treten schnell Giftwirkungen auf

Symptomatik & Dosis-Wirkungs-Beziehungen

  • Exposition ggü. Anilin kann Methämoglobinämie und Hämolyse bewirken und damit den Transport von Sauerstoff zu den Geweben beeinträchtigen
  • akute Anilineinwirkung kann Dysurie, Hämaturie und akutes Nierenversagen verursachen
  • Resorption großer Anilinmengen kann Leberschäden mit Ikterus zur Folge haben
  • durch Anilin im Allgemeinen nur milde Augen-, Nasen- und Rachenreizungen hervorgerufen
  • bei Methämoglobinspiegeln zw. 15 – 30% kann Patient bläuliche Farbe bekommen
  • akut oder verzögert kann hämolytische Anämie vorkommen
  • Personen mit einem Glukose-6-PhosphatDehydrogenase-Mangel haben erhöhtes Risiko für Anilin-induzierte Hämolyse
Methämoglobin (in %)Beschwerden und Symptome
15 – 30grau-blaue Hautfarbe
30 – 50Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Tachykardie,
leichte Kurzatmigkeit
50 – 70Stupor, Bradykardie, Atemdepression, Herzrhythmusstörungen, Störungen des Säure-Basen-Haushalts
60 – 70Herzstillstand, Bewusstlosigkeit, Koma
90tödlich
Quelle: https://www.communications.extranet.basf.com/portal/load/fid877494/D009%20Anilin%20B.pdf?style=v2DarkBlue

Maßnahmen

  • Eigenschutz durch Tragen eines umluftunabhängiges Atemschutzgerät und eines Chemieschutzanzug (kontaminierte Ausrüstung nicht nochmals verwenden!!!)
  • unmittelbare Rettung des Patienten aus Gefahrenbereich
  • Einleitung lebensrettender Maßnahmen gemäß ABC-Schema
  • Reinigung
    • bei reiner Exposition mit Dämpfen ohne Haut-/Augenreizung keine speziellen Reinigungsmaßnahmen
    • bei verunreinigter Kleidung, diese sofort entfernen
    • bei ophthalmologischer Beteiligung Augenspülung mit Wasser oder neutraler NaCl-Lösung über min. 15 Minuten (Kontaktlinsen vorher entfernen!!!)
    • bei direkter Haut-/Haarexposition Spülung mit Wasser über min. 15 Minuten

Akutpatienten

  • O2-Gabe bei Hypoxiezeichen
  • bei respiratorischer Insuffizienz endotracheale Intubation oder alternatives Atemwegsmanagement; w nicht durchführbar, ggf. Koniotomie
  • ausgeprägte Methämoglobinämie kann direkt aufgrund der schokoladenbraunen Färbung des Blutes erkannt werden
  • folgenden Maßnahmen werden bei Patienten mit Symptomen (nicht nur Zyanose, sondern auch Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, schneller oder unregelmäßiger Herzschlag, Atemnot) empfohlen, die auf einen Methämoglobinspiegel über 30% hinweisen:
    • Antidot-Therapie
  • intravenöser Zugang und intravenöse Gabe von Toluidinblau über 5 bis 10 Minuten (2 – 4 mg/kgKG; d. h. 0,07 bis 0,14 mL/kg KG 3%iger Lösung)
  • wenn Toluidinblau nicht zur Verfügung steht, stattdessen Methylenblau in Dosis von 1 – 2 mg/kgKG (0,1 bis 0,2 ml/kg KG 1%ige Lösung) i.v. über 5 bis 10 Minuten injizieren
  • bei Personen mit Glukose-6-PhosphatDehydrogenase-Mangel hat Toluidinblau und Methylenblau hat, sondern kann weitere Hämolyse bewirken
  • alle Patienten, die ggü. Anilinkonzentrationen von 30 ppm und mehr exponiert waren oder eine signifikante dermale Exposition (über 100 cm2 Haut betroffen) hatten, unverzüglich in Krankenhaus mit Intensivtherapie-Möglichkeiten transportieren
  • Gabe von Toluidinblau kann einmal nach 30 Minuten, die von Methylenblau nach 60 Minuten wiederholt werden, jeweils abhängig von Methämoglobinspiegel und klinischem Zustand des Patienten

asymptomatische Patienten

  • Beurteilung durch Arzt
  • Hinweis zur Alarmierung des Notrufs bei Verschlechterung des AZ
  • kein Rauchen für die nächsten 72 Stunden
Published inLeitlinien kompakt

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