veröffentlichende Fachgesellschaft: American Academy of Pediatrics (AAP)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 27.06.2024
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.1542/peds.2024-066854
Empfehlungen für Entscheidungsfindung für Bildgebung
- Hilft die Bildgebung bei der Entscheidung, ob ein dringender Eingriff erforderlich ist? Ja! –> Bildgebung durchführen (z.B. verändertes Bewusstsein & mögliches Hirnödem)
- Hilft die Bildgebung bei der Entscheidung, ob eine Verlegung erforderlich ist? Ja! -> Bildgebung durchführen (z.B. wach & ansprechbar mit Symptomen eines klinisch bedeutsamen SHT)
- Soll der Patient unabhängig von den Ergebnissen der Bildgebung verlegt werden? Ja! –> Bildgebung erst in aufnehmender Einrichtung (z.B. signifikante Bauchschmerzen und/oder V.a. akutes Abdomen bei Vorstellung in Notaufnahme ohne pädiatrische Expertise
sonstige Empfehlungen
- Kindernotaufnahmen sollten sicherstellen, dass geeignete Bildgebung zur Verfügung steht oder dass sie über Verlegungsprotokolle/-richtlinien in Spezialzentrum verfügen
- Möglichkeiten zur sicheren elektronischen Übertragung oder zum Austausch von Bildern mit den aufnehmenden Krankenhäusern müssen vorhanden sein (auch für ein telemedizinisch-radiologisches Konzil)
- zusätzlich Sonographie bei relevanten Beschwerden wie z.B. bei Bauchschmerzen mit Verdacht auf Appendizitis oder Nephrolithiasis
krankheitsspezifische Empfehlungen
Krampfanfälle
- keine sofortige Bildgebung bei Kindern mit einfachem Fieberkrampf
- keine Bildgebung bei Kindern mit komplexem Fieberkrampf, sofern Patient*in nach Krampf wieder in Normalzustand ist und keine signifikanten klinischen Befunde aufweist
- Bildgebung bei Kindern (≥ 6 Monate) mit generalisierten Fieberkrampf meist ambulante bzw. nicht-notfallmäßig ausreichend
- keine notfallmäßige Bildgebung bei afebrilem, unprovozierten, generalisierten Krampfanfall bei Kindern ≥ 6 Monate, sofern Patient*in nach Krampf wieder in Normalzustand ist und keine signifikanten klinischen Befunde aufweist
- keine routinemäßige Bildgebung bei afebrilem, unprovozierten, generalisierten Krampfanfall bei Kindern ≥ 6 Monate mit bekannter Epilepsie, sofern Patient*in nach Krampf wieder in Normalzustand ist und keine signifikanten klinischen Befunde aufweist
- wenn Bildgebung indiziert, ist MRT ohne Kontrastmittel im Allgemeinen bei stabilen Kindern ausreichend (CT ohne Kontrastmittel akzeptabel, wenn MRT nicht ohne weiteres verfügbar)
Kopfschmerzen
- keine sofortige Bildgebung notwendig bei atraumatischen, unkomplizierten Kopfschmerzen, die die Kriterien einer Migräne erfüllen
- sofortige Bildgebung bei Kopfschmerzen nur bei neurologischen Auffälligkeiten
- wenn Bildgebung indiziert, ist MRT dem CT bei stabilen Kindern vorzuziehen (CT ausreichend, wenn MRT nicht ohne weiteres verfügbar)
Evaluation ventrikulärer Shunts bei Fehlfunktion
- Interpretation der Bildgebung bei V.a. Shunt-Fehlfunktion am besten im Vergleich zu früherer Bildgebung
- besteht starker klinischer V.a. Shunt-Fehlfunktion und ist Bildgebung nicht sofort verfügbar, kann diese auch erst im spezialisierten Zentrum erfolgen
- wenn Bildgebung indiziert, sollte ein schnelles MRT zur Strahlungsreduktion erfolgen (ggf. speziell für die Shunt-Evaluation entwickelte CT-Protokolle mit extrem niedriger Dosis erwägen)
Schlaganfall im Kindesalter
- auch trotz fehlender Empfehlung für Thrombolytika-Gabe bei Kindern kann eine sofortige Bildgebung innerhalb einer Stunde nach Vorstellung dabei helfen Kinder zu identifizieren, die von einer rechtzeitigen, spezifischen Schlaganfalltherapie profitieren können
- MRT hat hohe Sensitivität für ischämische Schlaganfälle und kann auch bei der Stroke Mimics-Identifizierung helfen
- keine antithrombotische Therapie bei negativem CT ohne Kontrastmittel (CAVE: hohe Rate an Stroke Mimics in der Altersgruppe
Trauma
- kein routinemäßiges CT bei Kindern mit leichten Kopfverletzungen oder HWS-Verletzungen (ggf. Verlegung in Fachzentrum und dortigen Bildgebungsprüfung erwägen
- CT-/MRT-Bildgebung sollte mit der Absicht erfolgen, klinisch wichtige Verletzungen zu identifizieren, welche z.B. im Röntgen nicht sichtbar sind (Ausnahme: Verletzungen durch Kindesmissbrauch, da alle Verletzungen für die forensische Dokumentation wichtig sind)
- kein routinemäßiges Ganzkörper-CT bei pädiatrischen Traumapatient*innen (auch nicht bei asymptomatischen Kindern nach Hochrasanztrauma), ggf. Einphasenkontrast-CT oder selektive regionsspezifische Scans vorziehen
- Ganzkörper-CT indiziert bei Kindern mit schwerem Neurotrauma mit/ohne Intubation und unsicherem Untersuchungsbefund bei Hochrasanztrauma)
- bei V.a. Gefäß- oder Nierenverletzung radiologisches Konzil, um richtigen Zeitpunkt für Kontrastmittelgabe zu bestimmen
- Thorax-CT indiziert bei der Gefahr stumpfer mediastinaler Gefäßverletzungen, bei einem breiten Mediastinum im Thorax-Röntgen oder bei penetrierendem Thoraxtrauma
Kindesmissbrauch/-misshandlung
- CT/MRT (ohne Kontrastmittel) ist bei V.a. SHT bedingt durch Missbrauch/-handlung empfohlen (aufgrund hoher Inzidenz okkulter Hirnverletzungen bei Kindern < 6 Monate sollte die Schwelle für die Bildgebung eher niedrig sein)
- Interpretation von Bildgebungsbefunden am besten durch Radiolog*in mit Spezialisierung in Kinder-Radiologie (zur Risikominimierung von Fehlinterpretationen)
- bei starkem klinischen Verdacht auf Missbrauch/Misshandlung Konsultation oder Verlegung in spezialisiertes Zentrum
- HWS-Immobilisierung bei V.a. Schädelhirntrauma bedingt durch Missbrauch/-handlung bis zur definitiven Abklärung durch MRT
- bei Anzeichen für abdominelle Verletzungen oder unerklärlich erhöhte Transaminasen (> 80 u/L) im Rahmen einer Kindesmisshandlung ist die Bildgebung (Kontrastmittel-CT) gerechtfertigt
- sofern stationäre Aufnahme notwendig, sollte die Bildgebung in einem KH mit Kinderschutzteam durchgeführt und befundet werden
- hohes Risiko erneuter Verletzungen und/oder des Todes bei Opfern von Kindesmissbrauch/-handlung muss bei Erwägungen bzgl. der Bildgebung in die Risiko-Nutzen-Bewertung einbezogen werden
Appendizitis
- Nutzung gängiger Screenining-Tools zur Einschätzung, ob eine Appendizitis unwahrscheinlich ist und keine Bildgebung erforderlich ist
- falls Bildgebung notwendig, ist die Sonographie die Diagnostik der 1. Wahl
- alternativ zur Sonographie Entscheidung, ob sofortige CT-Bildgebung notwendig oder Überweisung zur Ultraschall-/MRT-Untersuchung oder abwartendes Verhalten ausreichend ist
Lungenembolie
- Doppler-Ultraschall bei V.a. TVT oder LAE (CAVE: negative Sonographie reicht nicht aus, um Diagnose auszuschließen)
- CT-Angiogramm als Diagnostik der 1. Wahl bei hohem klinischen Verdacht auf LAE (Risikofaktoren und klinische Präsentation bei Risikostratifizierung berücksichtigen)
- CAVE: Screenining-Tools wie Wells-Score sind bei Kindern nicht validiert
Infektionen im Halsbereich
- seitliche Röntgenaufnahmen des Halses als Erstdiagnostik zur Detektion einer retropharyngealen Infektion gut einsetzbar (hohe Sensitivität & Spezifität)
- Sonographie oder CT/MRT mit Kontrastmittel sind geeignet zur Diagnostik von Halsläsionen (CAVE: verfügbare Ressourcen, vermutete Lokalisation, Strahlenrisiko & ggf. notwendige Sedierung bei Auswahl berücksichtigen)
Infektionen des Muskel-Skelett-Systems
- Röntgen hat schlechte Sensitivität & Spezifität zur Detektion, kann aber zum Ausschluss anderer Pathologien (Trauma, Krebs o.Ä.) erwogen werden
- bei starkem V.a. Osteomyelitis MRT als Diagnostik der 1. Wahl erwägen (Durchführung am besten in KH, welches die definitive Versorgung vornimmt)
- Sonographie bei V.a. Gelenkergüssen (CAVE: keine Unterscheidung zw. Gelenkflüssigkeit und septischer Arthritis mgl.)
Nephrolithiasis
- Sonographie als Diagnostik der 1. Wahl bei V.a. Nephrolithiasis
- CT nur bei unklaren Fällen oder zur weiteren Abklärung (z.B. zur OP-Planung)
- bei CT-Indikation so kontrastarm und mit so geringer Strahlendosis wie möglich
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