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Leitlinie „Drowning – Emergency management in children“ des CHQ (UPDATE 2023)

veröffentlichende Fachgesellschaft: Children’s Health Queensland Hospital and Health Service
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 01.02.2023
Ablaufdatum: 01.02.2027
Quelle/Quelllink: https://www.childrens.health.qld.gov.au/qpec-statewide-guidelines/

Ursachen für ein kindliches Ertrinken

  • Epilepsie (4 – 14-fach erhöhtes Risiko)
  • Herzrhythmusstörungen wie Long-QT-Syndrom, Brugada-Syndrom, katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie etc.
  • Hypoglykämie, v.a. bei Diabetes
  • Hyperventilation (Hypokapnie führt zu Reduktion des Atemreiz und damit zu Synkopen)
  • Unterkühlung (KKT < 35 °C)
  • Alkohol und illegale Drogen

Pathophysiologie

  1. initialer Kampf von 20 – 30 Sekunden (Hilferufe kaum möglich, da Atmung Vorrang hat)
  2. Untertauchen (Atemwege unter Wasseroberfläche; Wasser wird ausgespuckt/geschluckt)
  3. selbstinduziertes, freiwilliges Luftanhalten (max. 60 sec)
  4. Aspiration kleinerer Mengen Wasser –> Auslösung Hustenreiz & Kehlkopfspasmus
  5. Atembeeinträchtigung führt zu Hypoxie, Hyperkarbonatisierung und Azidose
  6. PaO2 sinkt –> Laryngospasmus lässt nach –> weitere Wasseraspiration
  7. cerebrale Hypoxämie führt zu Bewusstlosigkeit und Atemstillstand
  8. Hypoxie führt zu Bradykardie und Hypotonie –> Herzstillstand

Outcome-Prädiktoren

Untertauchen (Dauer in Korrelation zum Outcome/Mortalität)

  • < 5 min = 91 % Chance bzgl. leichter oder keinerlei neurologischer Beeinträchtigungen
  • 5 – 25 min = 90 % Wahrscheinlichkeit bzgl. schwerer neurologischer Beeinträchtigungen oder Tod
  • > 25 min = 100 % Wahrscheinlichkeit bzgl. schwerer neurologischer Beeinträchtigungen oder Tod

Reanimation (Dauer in Korrelation zum Outcome/Mortalität)

  • ≤ 10 min = 87 % Chance bzgl. leichter oder keinerlei neurologischer Beeinträchtigungen
  • 11 – 25 min = 68 % Wahrscheinlichkeit bzgl. schwerer neurologischer Beeinträchtigungen oder Tod
  • > 25 min = 100 % Wahrscheinlichkeit bzgl. schwerer neurologischer Beeinträchtigungen oder Tod

weitere Prädiktoren für schlechtes Outcome

  • Reanimation in der Notaufnahme
  • Atemstillstand & Koma in der Notaufnahme
  • pH-Wert < 7,0
  • Zeit bis zu effektiven BLS-Maßnahmen > 10 Minuten
  • Atemstillstand und/oder Koma vor Ort

Anamnese

  • Information bzgl. Einzelheiten des Ertrinkungsvorfalls
    • Umstände, die zum Ertrinken führten
    • Zeitspanne bis das Fehlen der Patient*innen auffällt
    • Dauer der Submersion
    • (effektive) Laienreanimation o.Ä. erfolgt? (Dauer bis Beginn BLS; Dauer bis ROSC; falls ALS durch Ersthelfer: Anzahl Adrenalin-Dosen, Verabreichung anderer Medikamente)
    • Art des Gewässers (fließendes Wasser, Pool, See, Schwimmbecken etc.)
    • Hinweise auf Trauma (Sturz vor Submersion o.Ä.)
  • medizinische Vorgeschichte
    • Epilepsie
    • Herzrhythmusstörungen (auch familienanamnestisch abklären!)
    • Hypoglykämie
    • Drogen- und Alkoholkonsum

Diagnostik

  • rasche Erstuntersuchung mit Beurteilung von ABCD
  • sekundäre Untersuchung hinsichtlich anderer Verletzungen und Anzeichen für nicht unfallbedingte Verletzungen
  • Messung Körperkerntemperatur (am besten mit Rektalthermometer)
  • während der Untersuchung Phasen signifikanter Unterkühlung vermeiden/minimieren
  • EKG-Diagnostik zum Ausschluss möglicher Herzrhythmusstörungen

Red Flags (Hinweise auf ein kritisch krankes Kind)

  • Herzstillstand oder ROSC nach Herzstillstand
  • Kerntemperatur < 33 – 34 °C
  • Atemwegsmanagement einschließlich Intubation notwendig
  • physiologische Auslöser in Abhängigkeit zum Alter (siehe Tabelle)
< 2 Wochen< 1 Jahr1 – 8 Jahre> 12 Jahre
Atemfrequenz< 40/min oder
> 60/min
< 20/min oder
> 50/min
< 20/min oder
> 35/min
< 15/min oder
> 25/min
SpO2< 95 % bei Raumluft< 95 % bei Raumluft< 95 % bei Raumluft< 95 % bei Raumluft
RR sys.< 60 mmHg< 70 mmHg< 80 mmHg
Herzfrequenz< 100/min oder
> 170/min
< 90/min oder
> 170/min
< 75/min oder
> 130/min
< 65/min oder
> 130/min
GCS oder Veränderungen des BewusstseinGCS < 13GCS < 13GCS < 13GCS < 13

Therapie

Airway & Breathing

  • leichte bis mittelschwere Atmungsbeeinträchtigung
    • O2-Gabe über Maske/Nasenbrille mit FiO2 von 0,5 (Ziel-SpO2 von 90 – 95 %)
      • ggf. NIV (HFNC-Therapie, CPAP oder BiPAP), wenn SpO2 mit O2-Therapie < 90 % bleibt und Compliance ausreichend ist (GCS 13-15)
  • schwere Atmungsbeeinträchtigung
    • endotracheale Intubation als RSI
    • maschinelle Beatmung mit lungenprotektiven Maßnahmen und PEEP (Ziel: Normokapnie bis leichte Hypokapnie sowie Vermeidung einer Hypoxie)
    • FiO2 so niedrig wie möglich halten, aufgrund pulmonaler O2-Toxizität
  • keine routinemäßige HWS-Immobilisation empfohlen (Risiko für HWS-Verletzung < 0,5 %)
  • Anlage einer nasogastralen Sonde bei vermindertem Bewusstsein (Aspirationschutz)

CAVE: Kindern, die nach Ertrinkungsunfall zunächst gesund erscheinen, können schnell klinische Zustandverschlechterungen erleiden; Kinder daher min. 4 – 8 h beoachten

Circulation

  • Volumentherapie mit kristalloiden Lösungen über i.v.-/i.o.-Zugang
  • ggf. Inotropika bei Hypoxie und Herzfunktionsstörungen mit verminderter Herzleistung und hohem systemischen und pulmonalen Gefäßwiderstand
  • Vermeidung Hypotonie
  • keine routinemäßige, prophylaktische Antibiotika-Gabe

Disability

  • Aufrechterhaltung von Normoglykämie
  • ggf. Behandlung von Krampfanfällen nach örtlichen Vorgaben oder Leitlinien
    • keine prophylaktische Antikonvulsiva-Gabe

Environment/Exposure

  • Aufrechterhaltung oder Erreichen von Normothermie (Temp. > 37,5 °C vermeiden)
    • Entfernung nasser Kleidung & Wärmeerhalt in warmen Decken
    • langsames Erwärmen (aktives Wiederaufwärmen nicht routinemäßig empfohlen)
  • Harnkatheter-Anlage bei kritisch kranken Kindern (strenge Flüssigkeitsbilanz!!!)

Einweisungs-/Transportindikationen

  • Reanimation und andere lebensbedrohliche Zustände
  • erhöhte Atmungsanstrengung
  • SpO2 <95%
  • abnormale Lungenuntersuchung
  • V.a. eine zugrunde liegende medizinische Ursache für das Ertrinken
Published inLeitlinien kompakt

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