veröffentlichende Fachgesellschaft: Association of Military Surgeons of the United States
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 05.09.2018
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.1093/milmed/usy136
Phasen der Behandlung
- Rettung und Wiederbelebung im Wasser
- erste Wiederbelebungsmaßnahmen an Land
- erweiterte präklinische Versorgung
- Notaufnahmen-/ITS-Versorgung
erwartete Überlebenszeit in kaltem Wasser
Wassertemperatur | Zeit bis zur Erschöpfung oder Bewusstlosigkeit | erwartete Überlebensdauer |
---|---|---|
27 °C | nicht bestimmbar/unbegrenzt | nicht bestimmbar/unbegrenzt |
21 – 27 °C | 3 – 12 Stunden | > 3 Stunden |
16 – 21 °C | 2 – 7 Stunden | 2 – 40 Stunden |
10 – 16 °C | 1 – 2 Stunden | 1 – 6 Stunden |
4 – 10 °C | 30 – 60 Minuten | 1 – 3 Stunden |
0 – 4 °C | 15 – 30 Minuten | 30 – 90 Minuten |
< 0 °C | < 15 Minuten | < 15 – 45 Minuten |
Rettung und Wiederbelebung im Wasser
- Identifizieren und lokalisieren Sie das Opfer (fragen Sie, ob es ggf. mehr sind)
- oft bewegungslos/regungslos, leicht unter Wasseroberfläche sinkend
- taucht ins Wasser und taucht nicht mehr auf
- Ziele: initial spielt die Art des Wassers keine Rolle (salzig, frisch, sauber, schmutzig)
- ggf. Alarmierung weiterer Spezialkräfte
- genaue Dokumentation der Umgebungsbedingungen, einschließlich der Zeitpunkt des Eintauchens, Art und Temperatur des Wassers und der Luft, des Tauchers (Tiefe, Zeit unter Wasser, Art der Tauchausrüstung)
- Sicherheit der Retter hat Vorrang (ggf. mit Gegenstand vom sicheren Ufer oder Schiff aus Kontaktaufnahme mit Patient)
- zusätzliche Risiken sind offenes Wasser, schnelles/fließendes Wasser/Gewässer oder Eis
- Atemspenden im Wasser nur dann durchführen, wenn schnelle Rettung nicht möglich ist; keine Thoraxkompressionen im Wasser (nicht wirksam)
- Verletzungen der HWS bei Ertrinkungsopfern sind gering (0,009 %); unnötige Ruhigstellung der HWS kann Beatmung und angemessene Freihalten der Atemwege verzögern; keine routinemäßige Stabilisierung der HWS, wenn keine Umstände vorliegen, die auf eine Wirbelsäulenverletzung hindeuten (Tauchen, Bootsunfall und Sturz aus großer Höhe)
- Patienten, die aus kaltem Wasser gerettet werden, so behutsam wie möglich behandeln, da sonst bei unterkühlten Patienten tödliche Herzrhythmusstörungen ausgelöst werden können; Priorität hat Sauerstoffgabe, Beatmung und Wiederherstellung des Kreislaufs
initiale Reanimation an Land
- Patienten parallel zur Uferlinie legen, so dass sich Kopf und Füße auf gleicher Höhe befinden
- initiales ABC (Atemwege, Atmung, Kreislauf)
- bei Bewusstlosigkeit ohne Atmung, mit fünf Beatmungen beginnen und dann mit 30 Thoraxkompressionen und 2 Beatmung im Wechsel fortfahren
- Herzstillstand beim Ertrinken ist in erster Linie auf Sauerstoffmangel zurückzuführen
- Beatmungsunterstützung mit den verfügbaren Hilfsmitteln (Sauerstoff, Beutel-Maske-Ventilation (BVM) usw.)
- auf Erbrechen vorbereiten (65 % der Opfer, die beatmet werden müssen, erbrechen; 88 % der Opfer, die eine Herzdruckmassage erhalten, erbrechen)
Beurteilung und weitere Maßnahmen
- alle Ertrinkungsopfer, die in irgendeiner Form wiederbelebt werden mussten, zur Untersuchung und Überwachung ins Krankenhaus transportieren, auch wenn sie am Unfallort wach zu sein scheinen und gute kardiopulmonal stabil wirken/sind
- Transport in Krankenhaus aller Personen mit Kurzatmigkeit, anhaltendem Husten, Angst, Tachypnoe, Synkope, Schaum in Mund oder Nase, pathologische Vitalzeichen, abnorme Atemgeräusche oder Hypotonie
erweiterte präklinische Versorgung
- sofortige Einleitung der Reanimation, es sei denn, es liegen eindeutige Anzeichen für den Tod vor (Zerstückelung, Totenstarre, Verwesung, Enthauptung usw.) oder es besteht eine operative Notwendigkeit
- Puls kann aufgrund von Unterkühlung oder Hypotonie schwer zu tasten sein; kein alleiniger Indikator für Tod
- Bauchstöße vermeiden, da sie die Beatmung verzögern und das Erbrechen verstärken; Heimlich-Manöver wird bei Ertrinken nicht mehr empfohlen
- bei Bewusstlosigkeit mit Atmung, Freihalten der Atemwege mittels Stabiler Seitenlage
- bei Fremdkörpern (Sand, Seetang usw.) Versuch des manuellen Ausräumens
- Gabe von 15 L/min 100 % Sauerstoff so schnell wie möglich
- Zielwert für SpO2 92 – 96 % (Pulsoximeter am Ohrläppchen)
- frühzeitige Intubation/mechanische Beatmung mit positiv endexspiratorischem Druck (PEEP) oder Bi-Level-Beatmung in Betracht ziehen; RSI in Betracht ziehen, um das Aspirationsrisiko zu minimieren, da damit zu rechnen dass der Patient erbricht
- häufigste Rhythmusstörungen sind Asystolie und pulslose elektrische Aktivität (PEA)
- Pacing, Atropin, Lidocain und Defibrillation sowie andere Maßnahmen bei niedrigen Körperkerntemperaturen unwirksam
- bei Kerntemperatur von < 30 °C keine Antiarrhythmika-Gabe, nur Thoraxkompressionen und Beatmungen gemäß ALS-Algorithmus
- Behandlung von Herzrhythmusstörungen gemäß ALS-Algorithmen
- bei unbemerktem Bewusstseinsverlust an Maßnahmen für die Halswirbelsäule, Intoxikation, arterielle Gasembolie (AGE) denken – wenn Vorgeschichte und Umstände passen (z.B. Taucher, der bewusstlos oder mit neurologischen Beschwerden auftaucht)
- bei Verdacht auf AGE: Benachrichtigung Überdruckkammer
- Magendekompression in Betracht ziehen, da viele Ertrinkende vor dem Einatmen Wasser schlucken und zwischen 60 % und 80 % sich während der Behandlung oder Wiederbelebung übergeben müssen
- Wärmeerhalt (Messung Kerntemperatur anstelle von Infrarotgeräten)
- leichte Unterkühlung (> 34°C): passive Erwärmung (d.h. warme Decken und Umgebung)
- mittelgradige Unterkühlung (30 – 34°C): aktive externe Wiederaufwärmung erforderlich, sofern verfügbar (d.h. Heizdecken, Strahlungswärme, Heißluft, erwärmte Infusion (43°C))
- schwere Hypothermie (< 30°C): wenn verfügbar, aktive interne Wiedererwärmung erforderlich (Peritoneallavage, Ösophagus-Wiedererwärmungsschläuche, kardiopulmonaler Bypass); extrakorporale Membranoxygenierung in Betracht ziehen
- ALS-Medikamente bis die Temperatur >30°C nicht verabreichen
- BZ bei beatmeten Patienten zwischen 80 und 140 mg/dL halten
- Infusionstherapie
- wenn Sauerstoffgabedie Hypotonie nicht behebt, Gabe kristalloider Lösungen
- weiteres Überwachen der Vitalzeichen, da Ertrinkungspatienten oft leicht intravaskulär dehydrieren; in Verbindung mit mechanischen Beatmung mit PEEP kann dies den intrathorakalen Druck erhöhen und den zentralvenösen Rückfluss verringern
- vorsichtiges Flüssigkeitsmanagement, da bei Ertrinkungsopfern hohes Risiko für Lungenödem besteht
- bei unterkühlten Patienten Temperatur überwachen und erwärmte intravenöse Flüssigkeit mit Temperatur von 43 °C zur Wiederaufwärmung verwenden
- Anamnese und körperliche Untersuchung des Patienten mit Vitalparametern, Bestimmung GCS etc.
- CAVE: es kann bis zu 6 Stunden dauern bis Lungenschädigung auftritt
- auf feuchte Lungengeräusche, produktiven Husten, schnelle, flache Atemzüge, retrosternalen Schmerz/Brennen, unregelmäßige/langsame Herzfrequenz, verändertes Bewusstsein achten
- vollständige neurologische Erholung gelegentlich nach längerem Untertauchen in eisigem oder warmem Wasser eingetreten
- Maßnahmen bei Hirndruckproblematik: Gabe Mannitol, Diuretika und/oder hypertoner Kochsalzlösung sowie mechanische Hyperventilation, Barbiturat-Narkose; Überwachung des intrakraniellen Drucks spielen keine Rolle.
- falls notwenig, Beendigung der Wiederbelebungsmaßnahmen vor Ort
- nach Stunde ggf. Bergung anstatt des Körpers/Patienten erwägen
- Wiederbelebung kann nach 30 Minuten HLW ohne ROSC eingestellt werden, wenn der Patient nicht unterkühlt ist
- im Zweifelsfall Wiederbelebung fortsetzen bis der Patient auf 30 – 34°C aufgewärmt ist und dann die HLW fortzusetzen bis die Asystolie > 20 Minuten persistiert
- wenn nach dem Wiederaufwärmen keine Herztätigkeit festzustellen ist, sollte die Wiederbelebung abgebrochen werden
- mit zunehmender Dauer der Sub-/Immersion steigt das Risiko des Todes oder schwerer neurologischer Beeinträchtigungen.
- 0 – 5 Minuten = 10 %
- 6 – 10 Minuten = 56 %
- 11 – 25 Minuten = 88 %
- > 25 Minuten = fast 100 %
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