veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP)
Klassifikation gemäß AWMF: S2k
Datum der Veröffentlichung: 01.03.2023
Ablaufdatum: 29.02.2028
Quelle/Quelllink: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-009
Grundsätzliches
- Definition Asthma
- heterogene, multifaktorielle, chronisch-entzündliche Erkrankung der Atemwege
- meist charakterisiert durch bronchiale Hyperreagibilität und/oder variable Atemwegsobstruktion
- respiratorische Symptome wie Luftnot, Brustenge, Giemen und Husten in wechselnder Intensität und Häufigkeit
- Definition Asthma-Anfall
- charakterisiert durch innerhalb von Minuten entstehende Atemwegsobstruktion (CAVE: Verschlechterung kann auch allmählich über Stunden entstehen)
- akut zunehmende Dyspnoe, Husten und Pfeifen über der Brust
- Symptome einzeln oder in Kombination
- Definition Asthma-Exazerbation
- Phasen einer progredienten Zunahme der Asthmasymptome und/oder Abnahme der Lungenfunktion
- hinausgehend über das übliche Maß an Variabilität
- bedarf Änderung bzw. Intensivierung der Therapie
- Asthma-Exazerbation schließt Asthma-Anfall mit ein
- Definition Status asthmaticus
- trotz adäquater Therapie schwer zu durchbrechender Asthmaanfall, der min 24 h anhält
- per se lebensbedrohliche Situation
- Krankenhauseinweisung und je nach Schwere auch intensivmedizinische Betreuung notwendig
- auslösende/beeinflussende, endogene Faktoren
- genetische Prädisposition
- Körpergewicht
- Geschlecht (im Kinder- bis Pupertätsalter eher männliches Geschlecht, später eher bei Frauen)
- psychische Faktoren
- auslösende, exogene Faktoren
- Allergene
- Infektionen und Umweltbedingungen
- berufliche Expositionen
- Tabakrauch
Pathophysiologie
- chronische Entzündung der Atemwege , in Verbindung mit strukturellen Umbauprozessen
- reversible Bronchialobstruktion unterschiedlicher Ausprägung und/oder bronchiale Hyperreagibilität
- Limitierung des Atemflusses durch
- neuromuskulär-vermittelte Bronchokonstriktion
- Ödem der Atemwegswände
- Verdickung der Atemwegswände durch entzündliche Infiltrate und Atemwegsumbau
- Verlegung der Atemwege durch ein hochvisköses Sekret
wichtige Asthmaformen
- allergisches (extrinsisches) Asthma
- nicht allergisches (intrinsisches) Asthma
- Cough-variant-Asthma („Husten als Asthma-Äquivalent“)
- Asthma bei Aspirin-Intoleranz („Aspirin-exacerbated respiratory disease“)
Schweregrade
- leichter und mittelschwerer Asthmaanfall beim Erwachsenen
- PEF ≥ 50 % des persönlicher Bestwerts
- Sprechen normal
- AF < 25 /min
- HF < 110 /min
- schwerer Asthmaanfall beim Erwachsenen
- PEF < 50 % des persönlicher Bestwerts
- Sprech-Dyspnoe (Sprechen von lediglich Satzteilen oder Worten in einem Atemzug)
- AF ≥ 25 /min
- HF ≥ 110 /min
- lebensbedrohlicher Asthmaanfall
- kein Atemgeräusch („stille Lunge“/“silent lung“)
- atemerleichternde Haltung
- Zyanose
- frustrane Atemarbeit/flache Atmung
- Erschöpfung, Konfusion, Bradykardie, Blutdruckabfall
- PEF < 33 % des persönlicher Bestwerts
- SaO2 < 92 %
- PaCO2 normal oder > 45 mmHg
Differentialdiagnosen
Kinder
- Fieber, Beschwerden der oberen Atemwege
- akuter resp. Infekt (Bronchitis, Bronchioloitis, Bronchopneumonie)
- produktiver Husten
- Bronchiektasen
- rezidivierende Aspirationen
- nächtliche Symptome, verstärkte Spuckneigung
- Probleme oberer Atemweg
- gastroösophagealer Reflux mit rezidivierenden Aspirationen
- anfallsartiger Husten
- Pertussis
- Dysphagie
- Schluckstörungen
- Kurzatmigkeit mit Schwindel & Kribbelparästhesien
- Hyperventilation
- in- und/oder exspiratoischer Stridor
- Laryngitis
- Tracheitis
- in- und/oder exspiratoischer Stridor
- Hyperventilation
- Trommelschlegelfinger
- Bronchiektasen
Erwachsene
- COPD
(Akut)Therapie bei Erwachsenen
- O2-Gabe mit niedriger Flussrate mit SpO2-Ziel
- > 92 % bei Kindern
- 92 – 96 % bei Erwachsenen
- 88 – 92 % bei Erwachsenen mit Hyperkapnie-Risiko
- systemische Glucocorticosteroide bei schweren Exazerbationen
- Magnesiumsulfat i. v. nur bei akutem schweren Asthma mit schlechtem initialen Ansprechen und lebensbedrohlichem Asthma
- Theophyllin p.i. nur nachgeordnet
- Sedativa, Anxiolytika und Morphin, falls erforderlich, nur bei Intubationsbereitschaft
- Intubationsbereitschaft bei Verlegung der Patient*innen zur Intensivtherapie bei lebensbedrohlichem Asthma
- nicht-invasive Beatmung (NIV) oder Sauerstoff-High-Flow-Therapie bei unzureichendem Ansprechen auf die medikamentöse Therapie unter Beachtung der Kontraindikationen zusätzlich zur Standardtherapie (darf ggf. notwendige Intubation nicht verzögern)
Therapie leichter und mittelschwerer Asthmaanfall beim Erwachsenen
- kurzwirksames Beta-2-Sympathomimetikum (ggf. nach 10 – 15 min Wiederholung)
- 20 – 25 mg Prednisolon (am besten oral)
- Selbsthilfetechniken zur Atemerleichterung
Therapie schwerer Asthmaanfall beim Erwachsenen
- 2 – 4 L O2/min über Nasensonde (Ziel-SaO2: 92 – 95 %)
- kurzwirksames Beta-2-Sympathomimetikum (ggf. nach 10 – 15 min Wiederholung)
- 50 – 100 mg Prednisolon-Äquivalent oral oder i. v.
- ggf. zusätzlich 0,5 mg Ipratropiumbromid vernebelt
- Selbsthilfetechniken zur Atemerleichterung
Therapiemaßnahmen während Transportes oder bei unzureichendem Ansprechen auf Initialtherapie
- 2 – 4 L O2/min über eine Nasensonde (Ziel-SaO2: 92 – 95 %; Cave: Hyperkapnie!)
- kurzwirksames Beta-2-Sympathomimetikum in Form von 10 – 20 Tropfen in 1 mL NaCl alle 20 min vernebelt (ggf. nach 10 – 15 min Wiederholung)
- ggf. zusätzlich 0,5 mg Ipratropiumbromid
- ggf. Beta-2-Sympathomimetika parenteral
- 0,25 – 0,5 mg Terbutalin s.c. alle 4 h
- 0,09 mg Reproterol langsam i.v. (ggf. Wdh. nach 10 min) oder alternativ 0,018 – 0,09 mg/h als Perfusor (5 Ampullen auf 50 mL NaCl; Laufrate: 2 – 10 mL/h)
- 1 – 2 mg/kgKG Prednisolon-Äquivalent oral oder i.v. (50 – 100 mg i.v. alle 4 – 6 h)
- 2g MgSO4 als Kurzinfusion i.v. über 20 min
- ggf. Ausgleich metabolische Azidose mit Bicarbonat bei pH < 7,2
- atemerleichternde Lagerung bzw. Körperposition
- Selbsthilfetechniken zur Atemerleichterung
Therapie des Asthmaanfalls beim Kind und Jugendlichen
- keine Unterschiede zur Therapie bei Erwachsenen
- kontinuierliche Inhalation von Salbutamol (0,5 – 1 mg/kg/h)
- 1 μg Reproterolhydrochlorid/kgKG/min über 10 min als initiale Kurzinfusion
- danach 0,2 μg Reproterolhydrochlorid/kgKG/min über 36 – 48 h als Dauerinfusion
- 0,5 – 2 mg/kgKG/d bei Kindern (max. Dosis = 20 mg/d bei 0 – 2 Jahre; 30 mg/d bei 3 – 5 Jahre)
- Salbutamol und Terbutalin als kontinuierliche Infusion (1 – 2 mg/24 h) erst ab 12 Jahren zugelassen
- 25 – 50 mg/kg/Dosis MgSO4 über 20 – 30 min i.v. (max. 2 g), danach ggf. 15 – 25 mg/kg/h
- 0,5 – 1 mg/kg/h Theophyllin als Loading Dose
Therapie-Dont’s
- Sedativa und Anxiolytika wirken atemdepressiv & vermindern Dyspnoe-Empfinden ohne Beweis einer objektiven Besserung
- keine Mukopharmaka
- keine Hydratation mit großen Flüssigvolumina (CAVE: kardiale Belastung)
- Antibiotika i.d.R. kontraindiziert (nur bei begründetem V.a. bakterielle Auslösers der Exazerbation)
Indikationen für ITS-Behandlung
- kein Ansprechen auf Initialtherapie nach 30 – 60 min
- mechanische Beatmung bei
- Verschlechterung der PEF-Werte trotz Therapie
- persistierender oder zunehmender Hypoxämie
- Hyperkapnie
- fallendem arteriellen pH-Wert (Azidose)
- Erschöpfung
- Bewusstseinsstörung/Konfusion
- Koma oder Atemstillstand
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