veröffentlichende Fachgesellschaft: Irish Association for Emergency Medicine (IAEM)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 08.07.2024
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://iaem.ie/professional/clinical-guidelines/
Grundsätzliches
- Krampfanfall = plötzliche Verhaltensänderung aufgrund einer elektrischen Hypersynchronisation der neuronalen Netzwerke in der Großhirnrinde
- betroffen sind schätzungsweise 8 – 10 % der Bevölkerung min. 1 x im Leben
- Krampfanfälle machen 1 – 2 % aller Notaufnahmevorstellungen aus (in 25 % der Fälle erstmaliges Krampfgeschehen)
- Einteilung in akut symptomatische Anfälle (provoziert) und unprovozierte Anfälle
- akut symptomatische Anfälle (machen 25 – 30 % aus; z.B. durch Kopfverletzung, Stoffwechselentgleisung, Intoxikation, Schlaganfall, ZNS-Infektion)
- unprovozierte Anfälle haben ein höheres Risiko für eine Epilepsie
- Risiko für erneutes Auftreten zw. 30 – 40 % (höchstes Risiko in den ersten 6 Monaten, nach 2 Jahr < 10 %)
Anamnese
- gründliche Anamnese für die Abklärung, ob es sich beim Anfall tatsächlich um Krampfanfall und nicht um vorübergehende Bewusstseinsstörung unbekannter Genese handelt
- Fremdanamnese von hoher Relevanz für Differentialdiagnostik
- typische Symptomatik/Auffälligkeiten bei Krampfanfall
- Schwitzen vor dem Anfallsereignis
- Zungenbiss
- Kopfdrehung zu einer Seite während TLOC
- keine Erinnerung an Anfallsgeschehen (auch an Zeitraum vor & nach dem Anfall)
- ungewöhnliche Körperhaltung
- Krampfen der Extremitäten
- Verwirrung nach Anfall (postiktale Phase)
- prodromales Déjà-vu oder Jamais-vu
Risikofaktoren
- Alkohol
- Fieberkrämpfe
- ZNS-Infektion
- Schlaganfall
- Tumor (v.a. Hirn)
- positive Familienanamnese
- Kopfverletzung
- Lernbehinderung und andere Behinderungen
Auslöser für Krampfgeschehen
- Alkohol/Drogen
- Schlafentzug
- Stress
- Medikamente (Überdosis, fehlende Compliance bei Dauermedikation)
- Reisen
- Menstruation
- Schwangerschaft und andere
Diagnostik
- Vorgehen gemäß ABCDE-Schema
- vollständige körperliche Untersuchung bzgl. Trauma
- neurologische Untersuchung (GCS, Pupillen, BZ etc.)
- ggf. Funduskopie zur Identifikation eines Papillenödem bei V.a. erhöhten ICP
- EKG-Diagnostik, v.a. bzgl. QTc-Zeit
- Labordiagnostik (BGA; gr. Blutbild, Leber-/Nierenwerte, Kreatin, Elektrolyte, CRP, Serum-bHCG, Serum-Alkoholspiegel/Tox-Screening)
- ggf. Thorax-Röntgen und Lumbalpunktion V.a. Infektion (Atemwege o.Ä.)
- MRT-/CT-Bildgebung bei V.a. intrakranielle Läsion bei neuem fokal-neurolog. Defizit, anhaltender Bewusstseinsstörung, Fieber, anhaltendem Kopfschmerz, fokaler Krampfanfall, akutem SHT, V.a./bestätigtem Tumor-Leiden, Immunschwäche, HIV-Infektion, Alkoholabhängigkeit, Antikoagulation
- routinemäßiges cCT bei V.a. erstmaliges Krampfleiden
- ggf. EEG, wenn Anamnese &. Diagnostik auf Krampf hindeuten oder V.a. Epilepsie besteht
Therapie
- therapeutisches Vorgehen bei noch akutem Krampfgeschehen gemäß lokaler Standards/Richtlinien
- Entlassungsmodalitäten
- Patient*innen mit EINEM generalisierten Anfall, von dem sie sich vollständig erholt haben und bei denen die Untersuchungen unauffällig –> „entlassungssicher“, sofern spezielle Patientenberatung, Mitgabe von Entlassungsbrief und Tipps zur rechtzeitigen Nachsorge erfolgt sind
- Patient*innen mit schlechten sozialen Verhältnissen (z.B. Obdachlosigkeit), Suchterkrankungen (z.B. Alkoholabhängigkeit) oder solche, die nach Entlassung nicht angemessen überwacht werden –> stationäre Aufnahme oder längere Überwachung erwägen
- Hinweise für Angehörige gemäß TEAM-Schema
- T – Take care to protect the person (Person vor Verletzungen schützen)
- E – Ensure you stay with them (Bei der Person bleiben)
- A – Allow the seizure run its course (Anfall die Möglichkeit geben, selbst zu sistieren)
- M – Move them on to their side until the seizure is over (Person auf die Seite legen bis der Anfall vorüber ist)
Checkliste für sichere Entlassung
Die folgenden medizinischen Ursachen wurden in Betracht gezogen und ausgeschlossen:
- Tumor
- Enzephalitis/Meningitis/Gehirnabszess
- Schlaganfall
- zerebrale Venenthrombose
- SAB, ICB o.Ä.
- Schwangerschaft/Toxämie (Eklampsie)
- Stoffwechselkrankheiten (z.B. diabetische Ketoazidose)
- Trauma
- Intoxikation
Be First to Comment