veröffentlichende Fachgesellschaft: Queensland Hospital and Health Service
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 21.12.2022
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.childrens.health.qld.gov.au/qpec-statewide-guidelines/
Grundsätzliches
- plötzliche paroxysmale und abnorme Veränderungen der neurologischen Aktivität (übermäßige und synchronisierte Depolarisation)
- bei den meisten Neugeborenen akut ausgelöst und im Zusammenhang mit diagnostizierbarer Grunderkrankung
- Zeichen für neurologische Funktionsstörung
- besonders hohes Risiko für Krampfanfälle bei Neugeborenen
- Inzidenzen
- 1 – 5/1000 bei Termingeburten
- 10 – 15/1000 bei Frühgburten
- 55 – 130/1000 bei Geburtsgewicht < 1500 Gramm
- 64/1000 bei Geburtsgewicht < 1000 Gramm
- höchste Inzidenz: zw. 12 – 24 h nach Geburt
Ursachen
- hypoxisch-ischämische Ursachen (häufigste Ursache für Krampfanfälle bei Neugeborenen)
- intrakranielle Blutungen (intraventrikuläre Hämorrhagie, Subarachnoidal- und Subduralblutungen oder geburtsbedingtes Kopftrauma
- ZNS-Infektionen (HSV, Cytomegalovirus, Toxoplasmose, Syphilis, Varizella zoster)
- Schlaganfall und andere embolische Geschehen
- stoffwechselbedingte Ursachen (Hypoglykämie, Hypokalzämie, Hypomagnesiämie, Hyponatriämie, Hypernatriämie)
- angeborene Stoffwechsel-Störungen
- entwicklungsbedingte/kongenitale Anomalien der Gehirnentwicklung
- genetisch bedingte epileptische Syndrome
- Drogenentzug oder -intoxikation
Klassifizierung
- neonatale Anfälle
- meist zu Beginn fokal, da bilateralen Gehirnnetzwerke noch nicht ausreichen, um generalisierte Anfälle auszulösen
- Epilepsie
- min. zwei unprovozierte Anfälle, die mehr als 24 h auseinander liegen
- ein unprovozierter Anfall und Wahrscheinlichkeit weiterer Anfälle nach zwei unprovozierten Anfällen
Symptome
motorische Symptome
- Automatismen
- koordinierte motorische Aktivität, i.d.R. bei eingeschränkter Kognition
- tonische horizontale Augenabweichung oder anhaltende Augenöffnung mit Augenfixation oder „Flattern“
- Kaubewegungen, Zungenstoßen, Lippenschmatzen
- Bewegungen der Gliedmaßen („Radfahren“, „Paddeln“, „Boxschläge“)
- klonische Bewegungen
- wiederkehrende rhythmische Bewegungen der gleichen Muskelgruppe
- gewöhnlich langsame Bewegungen
- schnelle Kontraktionsphase, gefolgt von langsamer Entspannung der Muskeln
- ggf. Gesicht, Arme, Beine oder Rumpf betroffen
- myoklonische Bewegungen
- unrhythmische, zufällige, plötzliche, kurze, unwillkürliche einzelne Muskelkontraktionen; ggf. auch Kontraktionen von Muskelgruppen
- oftmals Beugemuskel(gruppen) betroffen
- tonische Bewegungen
- anhaltende Muskelkontraktionen (mehrere Sekunden bis Minuten)
- generalisierte tonische Bewegungen
- Streck- und Beugebewegungen der Arme und Beine
- fokale tonische Bewegungen
- nur eine Extremität betreffend, verbunden mit Augenanomalien
nicht-motorische Symptome
- epileptische Spasmen
- Beugung der proximalen Muskeln und der Rumpfmuskulatur
- anhaltender als myoklonische Bewegung, nicht so anhaltend wie tonischer Anfall
- ggf. Grimassieren, Kopfnicken, subtile Augenbewegungen
- autonome Bewegungen
- ausgeprägte Veränderung der Funktion des autonomen Nervensystems (kardiopulmonal, pupillär, gastrointestinal, vasomotorisch, thermoregulativ)
- kann ggf. auch als Atemstillstand auftreten
- Verhaltensstillstand (Pausieren von Aktivitäten/Bewegungen)
- sequentieller Anfall
- mehrere, aufeinanderfolgende Anfallsmanifestationen
- kann sich als tonische, klonische, Automatismen und autonome Merkmale zeigen
Differentialdiagnosen
- Jitteriness-Syndrom
- generalisierte, kurzzeitige, sehr schnelle Zitterbewegungen
- wiederkehrendes und symmetrisches Zittern aller Gliedmaßen oder nur einem Gliedmaß
- Gesicht nicht betroffen und geht nicht mit Augenanomalien oder autonomen Veränderungen einher
- oft bei Krankheitsbildern wie Drogenentzug nach mütterlicher Drogeneinnahme, Hypokalzämie und Hypoglykämie
- keine begleitenden Merkmale wie Tachykardie oder Atemstillstand
- exzessives Aufschrecken
- deutliches Aufschrecken im Verhältnis zur taktilen oder auditiven Stimulation
- ggf. Zeichen für Enzephalopathie oder auch bei Hyperekplexie
- ggf. Folge eines Drogenentzugs
- benigne neonatale Schlafmyoklonien
- fokale oder bilaterale schnelle rhythmische myoklonische Zuckungen einzelner oder mehrerer Extremitäten im Schlaf; ggf. auch gesamter Körper betroffen
- oft kurz nach Einschlafen oder Aufwachen
- Tremor
- unwillkürliche, generalisierte Bewegung
- rhythmisches Oszillieren um feste Achse
- ggf. im Zusammenhang mit intrakranieller Blutung, Hypoglykämie, Sepsis, Drogenentzug
- Klonien
- unwillkürliche Muskelkontraktionen und -entspannungen um ein Gelenk herum
- Unterbrechung durch Positionsänderung des Gelenks möglich
- Auslösung z.B. durch schnelle Bewegungen des Gelenks
- bei abnormem Klonien ggf. Verdacht auf Läsion des oberen Motoneurons
- Hyperekplexie
- seltene genetische Erkrankung
- auch Stiff-Baby-Syndrom
- allgemeine Steifheit im Wachzustand
- nächtliche Myoklonien und übertriebener Schreckreflex
- ggf. beim Aufwachen Hypertonie oder tonische Spasmen
- in schweren Fällen auch Beeinträchtigung der Atmung
Anamnese & Diagnostik
Anamnese
- Vorgeschichte der Mutter
- frühere Fehlgeburten
- Schwangerschaftsdiabetes
- Infektionen und deren Behandlung (einschließlich STI), v.a. HSV, Syphilis, CMV und Toxoplasmose
- Einnahme von verschreibungspflichtiger und anderer Substanzen (z.B. Opioide, Alkohol, SSRI, Benzodiazepine, Barbiturate, Amphetamine)
- Blutgerinnungs- oder Blutungsneigungsstörung
- Präeklampsie
- Epilepsie in der Familienanamnese
- Geburtstrauma
- perinatale Asphyxie
- Informationen bzgl. Anfallsaktivität/-leiden
- Datum und Dauer der letztem Ereignisse
- Stereotypie der Anfälle (klarer Beginn und klares Ende)
- Art der Anfallsaktivität
- abnorme Augenbewegungen
- autonome Veränderungen (z. B. Atemstillstand, Hypotonie, Bluthochdruck)
- provozierende Reize (z. B. Berührung, Lärm)
- Möglichkeit Aktivität durch Körperhaltung oder Fixierung zu stoppen/verändern
Diagnostik
- körperliche Untersuchung
- Angeborene Anomalien
- Kopfumfang (Mikrozephalie oder Makrozephalie als Hinweis auf zugrunde liegende Hirnfehlbildung)
- somatische Anomalien
- Dysmorphologie des Gesichts
- pathologische neurologische Untersuchung (z.B. Vigilanzminderung, Bewusstseinsverschlechterung, Reflexe, Spontanbewegungen und Tonus)
- Monitoring (HF, AF, Atemanstrengung, SpO2, Temperatur, Hautkolorit, BZ, RR)
Therapie
- falls notwendig Reanimation
- Maßnahmen gemäß ABCDE-Schema
- Atemwegssicherung
- Sicherstellen einer suffizienten Beatmung
- Anlage pVK oder Nabelvenenkatheter
- Temperaturmanagement
- Behandlung der zugrunde liegenden Ursachen
- Glucosegabe bei Hypoglykämie
- Antibiotikatherapie bei V.a. bakterielle Infektion
- antivirale Therapie bei V.a. virale Infektion
- Gabe von 10 %igem Kalziumglukonat i.v.bei Hypokalzämie
- Gabe von 50 %igem Magnesiumsulfat bei Hypomagnesiämie
- CAVE: Unterbehandlung kann zu weiteren Anfällen führen, bestehende Hirnschäden verschlimmern und die Anfallsschwellen im Gehirn verändern
- Behandlung des Krampfleidens mit
- Phenobarbital
- Levetiracetam
- Midazolam
- Clonazepam
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