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Leitlinie „Notfallmanagement bei akuter Höhenkrankheit (AMS), Höhenlungenödem (HAPE) und Höhenhirnödem (HACE)“ der UIAA Medical

veröffentlichende Fachgesellschaft: International Mountaineering and climbing Federation (UIAA Medical)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 01.06.2009
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://theuiaa.org/mountain-medicine/medical-advice/

Grundsätzliches

  • wichtigste und häufigste Höhenerkrankungen
    • akute Höhenkrankheit (Acute mountain sickness, AMS)
    • Höhenlungenödem (high altitude pulmonary oedema, HAPE)
    • Höhenhirnödem (high altitude cerebral edema, HACE)
  • bis in Höhen von etwa 5.000 – 6.000 m sind Symptome direkte Folge nicht ausreichender Akklimatisation

Risikosituationen/-faktoren

  • schneller Aufstieg in große Höhe
  • Episoden von AMS, HAPE oder HAVE in der Vorgeschichte
  • Ignorieren von Frühzeichen der Höhenkrankheit
  • Dehydration
  • typische Risikohöhen:
    • > ca. 2.500 m für AMS
    • > ca. 3.000 m für HAPE
    • >ca. 4.000 – 5.000 m für HACE

Symptomatik

akute Höhenkrankheit

  • Kopfschmerzen (meist diffus und nicht lokalisierbar)
  • Schlafstörungen
  • Appetitverlust
  • Lustlosigkeit/Antriebslosigkeit (CAVE: bei schwerer Antriebslosigkeit oder Somnolenz an HACE denken)
  • periphere Ödeme
  • starke Palpitationen
  • Übelkeit oder Erbrechen
  • Kurzatmigkeit oder Dyspnoe bereits bei leichter Belastung (CAVE: Hinweis auf HAPE)
  • CAVE: typische Symptome müssen nicht alle vorhanden sein

Höhenlungenödem

  • Dyspnoe bei leichter Belastung oder in Ruhe
  • Tachypnoe (> 30/min)
  • schneller und drastischer Leistungsabfall
  • Husten
  • Tachykardie
  • Engegefühl in der Brust
  • brodelndes Atemgeräusch, Zyanose und blutig-schaumiger Auswurf in schweren Fällen
  • leichtes Fieber

Höhenhirnödem

  • schwerste Kopfschmerzen, die auf übliche Schmerzmittel keine Besserung zeigen
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Schwindel
  • Ataxie
  • Schwindel
  • Bewusstseinsveränderungen, Orientierungslosigkeit oder Halluzinationen (irrationales Verhalten kann Frühsymptom sein)
  • Finalstadium: Koma und Tod durch Atemstillstand

Differentialdiagnosen

AMS und HACE

  • Erschöpfung (beeinträchtigte Fitness, Motivationsprobleme, schlechte Laune, Kopfschmerzen; in schweren Fällen Kollaps)
  • Dehydration (Durst, Motivationsverlust, schlechte Laune, verminderte Belastbarkeit, Kopfschmerzen, Oligurie, trockene Haut undMundtrockenheit, Fieber & in schweren Fällen Tachykardie, Kollaps, Schwindel, Delirium, Krampfanfälle)
  • Sonnenstich (Meningitis-ähnliche Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Tachykardie & im Finalstadium Stupor, Koma
  • Hitzschlag (ähnlich wie Dehydration, aber mit neurologischen Symptomen und Kollaps, Atemstillstand, Kreislaufzusammenbruch & heiße Haut)
  • Hangover/“Kater”, Vergiftung oder Drogenmissbrauch (unterschiedlichste neurologische & psychiatrische Symptome, abhängig von Substanz)
  • Krampfanfälle (lokalisierte oder generalisierte Anfälle mit plötzlichemBeginn, manchmalmit Aura oderpostiktalem Dämmerzustand)
  • CO-Vergiftung (Kopfschmerzen, Verwirrtheitszustände, Bewusstlosigkeit)
  • akute Psychose (vollständiger Verlust angemessenen Verhaltens mit Konsequenz extremen Risikos in den Bergen für den Patient*innen oder andere Gruppenmitglieder)
  • Schlaganfall (mehr oder weniger plötzlicher Beginn von Lähmungen, Sprachstörungen oder anderen neurologischen Symptomen)
  • Hirntumor (mehr oder weniger plötzlicher Beginn von Lähmungen, Sprachstörungen oder anderen neurologischen Symptomen)
  • Hypoglykämie (Hunger, Übelkeit/Erbrechen, Tachykardie, Unruhe/Tremor, Schwitzen, beeinträchtigte Leistungsfähigkeit, Motivationsmangel, schlechte Laune, Schwindel, Mydriasis, Blutdruckanstieg)
  • Diabetische Ketoazidose (ähnlich wie Dehydration, in schweren Fällen Tachykardie, Blurdruckabfall, Oligoanurie, Hyperglycämie Hyponatriämie
  • Hyponatriämie (reduzierte Leistungsfähigkeit, Motivationsmangel, schlechte Laune, Schwindel, Synkope, Kollaps, Salz-gefärbte Kleidung oder durch Salzbrennende Augen)
  • Meningitis/Enzephalitis (massiv stechende Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit/Erbrechen, Tachykardie, Fieber & im Endstadium Stupor, Koma

HAPE

  • “physiologische Dyspnoe” (Tachypnoe ohne weitere Symptome)
  • Höhenhusten (schwerer trockener Husten, der schmerzhaft sein kann; kein Fieber)
  • Hyperventilation (Tachypnoe, oft in Kombination mit Kribbelgefühl in den Extremitäten, Schwindel, manchmal Kollaps/Bewusstlosigkeit
  • Schlafapnoe (Phasen von Dyspnoe oder Apnoea während der Nacht)
  • Herzinsuffizienz (Dyspnoe, feuchte Rasselgeräusche, pathologische Herztöne)
  • Lungenembolie/tiefe Venenthrombose (Dyspnoe, Tachykardie, gespaltener Herzton, ggf. einseitig geschwollenes Bein)
  • Pneumonie (Husten, Auswurf, Schüttelfrost, einseitige Rasselgeräusche über der Lunge)
  • Asthma (Giemen, trockene Rasselgeräusche, exspiratorische Dyspnoe)
  • CO-Vergiftung (Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Bewusstlosigkeit)
  • CO2 –Narkose /-Vergiftung (Trägheit, Somnolenz, Dyspnoe)
  • Pneumothorax (akute Dyspnoe, einseitig reduziertes/fehlendes Atemgeräusch)
  • neurogenes Lungenödem (Symptome eines HACE, Zeichen intrakranieller Druckerhöhung, Lungenödem)
  • Aspirin-induziertes Lungenödem (typisches Lungenödem)
  • drogeninduziertes Lungenödem (Heroin: Miosis; Kokain: Mydriasis;jeweils beidseits)

Diagnostik

  • „Gänsefüßchengang“ (Ferse eines Fußes wird vor Zehenspitzen des jeweils anderen Fußes gesetzt) als einfacher und sensitiver Feldtest für HACE
  • Lake Louise Symptom Score (LLSS) für Erwachsene
    • > 3 Punkte ist positives Zeichen für AMS
SymptomSchwerePunkte
Kopfschmerzenkeine Kopfschmerzen
leichte Kopfschmerzen
mäßige Kopfschmerzen
starke Kopfschmerzen, Bettlägerigkeit
0
1
2
3
gastrointestinale
Beschwerden
keine gastrointestinale Beschwerden
Appetitlosigkeit oder leichte Übelkeit
mäßige Übelkeit oder Erbrechen
starke Übelkeit oder Erbrechen, Bettlägerigkeit
0
1
2
3
Müdigkeit und/oder
Schwäche
keine Müdigkeit oder Schwäche
leichte Müdigkeit oder Schwäche
mäßige Müdigkeit oder Schwäche
starke Müdigkeit oder Schwäche, Bettlägerigkeit
0
1
2
3
Schwindel oder
Benommenheit
kein Schwindel oder Benommenheit
leichter Schwindel oder Benommenheit
mäßiger Schwindel oder Benommenheit
starker Schwindel, Benommenheit, Bettlägerigkeit
0
1
2
3
Schlafstörungenungestörter Schlaf
nicht so gut wie gewohnt geschlafen
oft aufgewacht, schlecht geschlafen
überhaupt nicht geschlafen
0
1
2
3

Therapie

AMS

  • leichte bis mittelschwere Symptome
    • Vermeidung jeglicher größerer Belastung
    • Antiemetikum (z.B. Dimenhydrinat) bei Übelkeit
    • Paracetamol oder Ibuprofen (CAVE: keine Acetylsalicylsäure) bei Kopfschmerz
    • ggf. 250 mg Acetazolamid (2x pro Tag), wenn vorherige Therapie frustran verläuft
    • genug Flüssigkeitszufuhr (falls möglich oral)
    • Lagerung mit leicht erhöhtem Oberkörper
  • schwere Symptome
    • Ausschluss HACE
    • symptomatische Behandlung
    • 8 mg Dexamethason, ggf. alle 6 h wiederholen
    • 250 mg Acetazolamid (2x pro Tag)
    • ggf., falls vorhanden, Druckkammer-Therapie

HAPE

  • sofortige Rast
  • Oberkörperhochlage
  • Wärmeerhalt
  • O2-Gabe
  • 20 mg Nifedipin retard (ggf. wiederholen)
  • ggf., falls vorhanden, Druckkammer-Therapie
  • assistierte Beatmung mit PEEP-Ventil
  • CAVE: Diuretika sind kontraindiziert

HACE

  • Notfallbehandlung gleich wie bei HAPE
  • abweichend anstatt Nifedipin Dexametason (8 mg alle 6 h; in schweren Fällen 8 – 10 mg i.v. oder i.m.)
  • zusätzlich 250 mg Acetazolamid (2x pro Tag)
Published inLeitlinien kompakt

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