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Leitlinie „Asthma Management and Prevention“ der GINA (Update 2023)

veröffentlichende Fachgesellschaft: Global Strategy for Asthma Management and Prevention
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 01.05.2023
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://ginasthma.org/gina-reports/

Asthma-Definitionen

  • heterogene Erkrankung, i.d.R. durch chronische Entzündung der Atemwege gekennzeichnet
  • häufige, chronische Atemwegserkrankung, von der 1 bis 29 % der Bevölkerung betroffen sind
  • durch variable Symptome wie Stridor, Kurzatmigkeit, thorakales Engegefühl und/oder Husten sowie durch variable Einschränkung des exspiratorischen Luftstroms gekennzeichnet
  • Schwankungen werden häufig durch Faktoren wie körperliche Anstrengung, Exposition ggü. Allergenen oder Reizstoffen, Wetterumschwünge oder virale Atemwegsinfektionen ausgelöst
  • unkontrolliertes Asthma: schlechte Symptomkontrolle und/oder häufige Exazerbationen (≥ 2/Jahr), die orale Kortikosteroide (OCS) erfordert, oder schwere Exazerbationen (≥ 1/Jahr), die einen Krankenhausaufenthalt erfordert
  • schwer behandelbares Asthma: Asthma, das trotz Verschreibung eines mittel- oder hochdosierten inhalative Kortikosteroide (ICS) oder mit OCS-Erhaltungstherapie unkontrolliert ist oder eine hochdosierte Behandlung erfordert, um gute Symptomkontrolle zu erreichen und das Risiko von Exazerbationen zu verringern
  • schweres Asthma: Untergruppe des schwer zu behandelnden Asthmas, das trotz Einhaltung der maximal optimierten hochdosierten ICS-Behandlung und Behandlung der mitwirkenden Faktoren unkontrolliert ist oder sich verschlechtert, wenn die hochdosierte Behandlung verringert wird
  • Asthma-Exazerbation: Asthma-Episode, die durch fortschreitende Zunahme von Symptomen wie Kurzatmigkeit, Husten, Stridor oder Brustenge und fortschreitende Abnahme der Lungenfunktion gekennzeichnet sind

Asthma-Phänotypen

  • allergisches Asthma (häufig in der Kindheit beginnend und mit früherer und/oder familiärer Vorbelastung durch allergische Erkrankungen wie Ekzeme, allergische Rhinitis oder Nahrungsmittel- oder Arzneimittelallergien einhergehend)
  • nicht-allergisches Asthma (Asthma, das nicht mit Allergie verbunden ist)
  • Asthma im Erwachsenenalter (Spätasthma; insbesondere bei Frauen; CAVE: Ausschluss berufsbedingtes Asthma)
  • Asthma mit anhaltender Einschränkung des Luftstroms (anhaltende oder nicht vollständig reversible Einschränkung des Luftstroms nach langjährigem Asthma)
  • Asthma mit Adipositas (ausgeprägte Atemsymptome und geringe eosinophile Entzündung der Atemwege bei einigen adipösen Asthmapatienten)

Symptome

  • Atemwegssymptome wie Stridor, Kurzatmigkeit, Husten und/oder thorakales Engegefühl
  • meistens (insbesondere bei Erwachsenen) treten mehr als eines der Symptome auf
  • Symptome häufig nachts oder am frühen Morgen schlimmer
  • Symptome variieren im Laufe der Zeit und in ihrer Intensität
  • Symptome werden durch Virusinfektionen (Erkältungen), Bewegung, Allergenexposition, Wetterwechsel, Lachen oder Reizstoffe wie Autoabgase, Rauch oder starke Gerüche ausgelöst

Differentialdiagnosen

AlterKrankheitsbild & Symptome
6 – 11 Jahre– chronischer Reizhusten (Niesen, Juckreiz, verstopfte Nase, Räuspern)
– eingeatmeter Fremdkörper (plötzlicher Symptombeginn, einseitiger Stridor)
– Bronchiektasie (wiederkehrende Infektionen, produktiver Husten)
– primäre ziliäre Dyskinesie (wiederkehrende Infektionen, produktiver Husten, Sinusitis)
– kongenitale Herzerkrankung (Herzgeräusche)
– bronchopulmonale Dysplasie (Frühgeburt, Symptome seit der Geburt)
– zystische Fibrose (übermäßiger Husten und Schleimproduktion, gastrointestinale Symptome)
12 – 39 Jahre– chronischer Reizhusten (Niesen, Juckreiz, verstopfte Nase, Räuspern)
– induzierte laryngeale Obstruktion (Dyspnoe, inspiratorisches Stridor)
– Hyperventilation, dysfunktionale Atmung (Schwindel, Parästhesien, Röcheln)
– Bronchiektasie (produktiver Husten, wiederkehrende Infektionen)
– Mukoviszidose (übermäßiger Husten und Schleimproduktion)
– angeborene Herzerkrankung (Herzgeräusche)
– Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (Kurzatmigkeit, Emphysem in der Familienanamnese)
– eingeatmeter Fremdkörper (plötzliches Auftreten der Symptome)
> 40 Jahre– induzierte laryngeale Obstruktion (Dyspnoe, inspiratorischer Stridor)
– Hyperventilation, dysfunktionale Atmung (Schwindel, Parästhesien, Röcheln)
– COPD (Husten, Sputum, Dyspnoe bei Anstrengung,
Rauchen oder Schadstoffexposition)
– Bronchiektasie (produktiver Husten, wiederkehrende Infektionen)
– Herzinsuffizienz (Dyspnoe bei Anstrengung,
nächtliche Symptome, Beinödeme)
– medikamentenbedingter Husten (Behandlung mit einem Angiotensin-konvertierenden Enzym, z.B. ACE-Hemmer)
– parenchymale Lungenerkrankung (Dyspnoe bei Anstrengung, unproduktiver Husten, Fingerverkrümmung)
– Lungenembolie (plötzlich einsetzende Dyspnoe, Brustschmerzen)
– zentrale Atemwegsobstruktion (Dyspnoe, die nicht auf Bronchodilatatoren anspricht)
alle Altersgruppen– Tuberkulose (chronischer Husten, Bluthusten, Dyspnoe und/oder Müdigkeit, Fieber, (nächtliche) Schweißausbrüche, Anorexie, Gewichtsverlust)
– Pertussis (länger andauernde Hustenanfälle, manchmal Stridor)
Quelle: Global Initiative for Asthma. Global Strategy for Asthma Management and Prevention, 2023.
Updated May 2023. Available from: www.ginasthma.org

Schweregrad/Symptome der Asthma-Exazerbation

Erwachsene, Jugendliche und Kinder > 6 Jahre

  • milde & moderate Exazerbation
    • Sprechen von vollen Sätzen möglich
    • eher sitzende anstatt liegender Position
    • AF erhöht
    • kein Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
    • HF zw. 100 – 120/min
    • SpO2 (bei Raumluft): 90 – 95 %
  • schwere Exazerbation
    • nur Sprechen von einzelnen Wörtern möglich
    • nach vorne gelehnte Haltung
    • Agitation
    • AF > 30/min
    • Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
    • HF > 120/min
    • SpO2 (bei Raumluft): < 90 %
  • lebensbedrohliche Exazerbation
    • Schläfrigkeit
    • Verwirrtheit
    • Silent Chest

Kinder < 5 Jahre

  • milde & moderate Exazerbation
    • Atemnot, Agitation
    • HF < 180/min (0 – 3 Jahre) oder < 150/min (4 – 5 Jahre)
    • SpO2 > 92 %
  • schwere & lebensbedrohliche Exazerbation
    • keine Möglichkeit zu Sprechen
    • zentrale Zyanose
    • Verwirrung & Asphyxie
    • AF > 10/min
    • SpO2 < 92 %
    • Silent Chest
    • HF > 180/min (0 – 3 Jahre) oder > 150/min (4 – 5 Jahre)

Risikofaktoren für Exazerbationen

  • schlechte Kontrolle der normalen Asthmasymptome
  • komorbide allergische Erkrankungen
  • suboptimale Medikamenteneinnahme
  • Armut

Faktoren, die Exazerbation bedingen

  • falsche Inhalationstechnik (bei bis zu 80 % der Patient*innen)
  • suboptimale Adhärenz, z.B. keine regelmäßige oder nicht wie angeordnete Medikamenteneinnahme (bei bis zu 75 % der Patient*nnen)
  • Komorbiditäten wie Angstzustände und Depressionen, Fettleibigkeit, mangelnde Kondition, chronische Rhinosinusitis, induzierbare Kehlkopfobstruktion, COPD, obstruktive Schlafapnoe, Bronchiektasen, Herzerkrankungen und osteoporosebedingte Kyphose
  • Risikofaktoren/Auslöser wie Rauchen, Tabakkonsum im Umfeld, andere Umwelteinflüsse zu Hause oder am Arbeitsplatz, einschließlich Allergene, Luftverschmutzung in Innenräumen und im Freien, Schimmelpilze und schädliche Chemikalien sowie Medikamente wie Betablocker oder NSAR
  • regelmäßiger oder übermäßiger SABA-Konsum
  • Angstzustände, Depressionen sowie soziale und wirtschaftliche Probleme
  • Medikamentennebenwirkungen

typische Exazerbation-Auslöser

  • virale Atemwegsinfektionen, z.B. Rhinovirus, Influenza, Adenovirus, Keuchhusten, Synzytialvirus
  • Allergenexposition, z.B. Gräserpollen, Sojastaub, Pilzsporen
  • Nahrungsmittelallergie
  • Luftverschmutzung im Freien

Faktoren für Risikoerhöhung eines asthmabedingten Todes

  • Asthma in der Vorgeschichte, das fast tödlich endete und Intubation und mechanische Beatmung erforderte
  • Krankenhausaufenthalt oder Besuch der Notaufnahme wegen Asthma im letzten Jahr
  • aktuelle Verwendung oder kürzliche Beendigung der Verwendung oraler Kortikosteroide
  • aktuell keine inhalativen Kortikosteroide-Anwendung
  • übermäßiger Gebrauch von kurzwirksamen Beta2-Agonisten
  • psychiatrische Erkrankung oder psychosoziale Probleme in der Vorgeschichte
  • Nahrungsmittelallergie bei Patienten mit Asthma
  • mehrere Begleiterkrankungen, wie Lungenentzündung, Diabetes und Herzrhythmusstörungen

Anamnese

  • Zeitpunkt des Auftretens und Ursache der gegenwärtigen Exazerbation (falls bekannt)
  • Schwere der Asthmasymptome, einschließlich etwaiger Einschränkungen der körperlichen Betätigung oder Schlafstörungen
  • Symptome einer Anaphylaxie
  • alle Risikofaktoren für asthmabedingten Tod
  • alle derzeitigen Medikamente

körperliche Untersuchung

  • Anzeichen für Schweregrad der Exazerbation sowie Vitalparameter (z. B. Bewusstseinsgrad, Temperatur, Pulsfrequenz, Atemfrequenz, Blutdruck, Fähigkeit, Sätze zu vervollständigen, Einsatz der akzessorischen Muskeln, Stridor)
  • komplizierende Faktoren (z.B. Anaphylaxie, Pneumonie, Pneumothorax)
  • Anzeichen für andere Erkrankungen, die die akute Atemnot erklären könnten (z.B. Herzversagen, eingeatmeter Fremdkörper oder Lungenembolie)
  • Pulsoxymetrie (CAVE bei SpO2-Werten < 90 %)

Therapie der Exazerbation

Erwachsene, Jugendliche und Kinder > 6 Jahre

  • O2-Gabe mit SpO2-Ziel von 93 – 95 % (bei Kindern: 94 – 98 %)
  • Gabe von 40 – 50 mg Prednisolon (bei Kindern: 1 – 2 mg/kg, max. 40 mg)
  • Gabe von bis zu 4 – 10 SABA-Sprühstöße bzw. 2,5 mg SABA vernebelt (z.B. Salbutamol) alle 20 Minuten während der ersten Stunde sowie Ipratropiumbromid
  • orale Glukokortikosteroid-Gabe bei milden/moderaten Symptomen
  • Glukokortikosteroid-Gabe i.v. bei schweren Symptomen
  • ggf. Magnesiumsulfat i.v.
  • ggf. High-Dose-Glukokortikosteroide inhalativ
  • keine Antibiotika-Gabe empfohlen

Kinder < 6 Jahre

  • O2-Gabe mit SpO2-Ziel von 94 – 98 %
  • Gabe von 2,5 mg SABA vernebelt (z.B. Salbutamol) alle 20 Minuten während der ersten Stunde sowie 250 μg Ipratropiumbromid vernebelt erwägen
  • Gabe von 1 – 2 mg/kgKG Prednisolon (max. 20 mg bei < 2 Jahre; max. 30 mg bei > 2 Jahre)
  • 150 mg Magnesiumsulfat vernebelt; ggf. bis zu 3 Gaben in der ersten Stunde (> 2 Jahre)
  • Einweisungsindikationen
    • Reden und Trinken nicht möglich
    • Zyanose
    • AF > 40/min
    • SpO2 < 92 %
    • Silent Chest
    • Gedeihstörung
    • sehr frühes Auftreten von Symptomen (v.a. in Verbindung mit Gedeihstörung)
    • Erbrechen in Verbindung mit respiratorischen Symptomen
    • kontinuierlicher Stridor
    • Versagen beim Ansprechen auf Asthmamedikamente
    • kein Zusammenhang zwischen den Symptomen und typischen Auslösern
    • fokale pulmonale- oder kardiovaskuläre Symptome
    • Hypoxämie bei Ausschluss viraler Erkrankungen
Published inLeitlinien kompakt

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