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Leitlinie „Treatment of Acute Hyperkalaemia in Adults“ der UKKA

veröffentlichende Fachgesellschaft: UK Kidney Association (UKKA)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 21.12.2023
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://ukkidney.org/sites/renal.org/files/FINAL%20VERSION%20-%20UKKA%20CLINICAL%20PRACTICE%20GUIDELINE%20-%20MANAGEMENT%20OF%20HYPERKALAEMIA%20IN%20ADULTS%20-%20191223_0.pdf

Grundsätzliches

  • keine allgemein anerkannte Definition der Hyperkaliämie (ERC-Definition: Serumkaliumspiegel von ≥ 5,5 mmol/L)
  • Schweregrade der Hyperkaliämie
    • leichte Hyperkaliämie (5,5 – 5,9 mmol/L)
    • mäßige Hyperkaliämie (6,0 – 6,4 mmol/L)
    • schwere Hyperkaliämie (≥ 6,5 mmol/L)
  • klinische Hyperkaliämie-Inzidenz: 1,1 – 10 %
  • Krankenhaussterblichkeit bei Hyperkaliämie: 18,1 % (bei schwerer Hyperkaliämie: > 30 %; vgl. bei Hypokaliämie 5,0 % oder Normokaliämie 3,9 %)
  • seltene, aber potenziell reversible Ursache für Herzstillstand, oftmals mit schockbaren Rhythmen (v.a. bei Patient*innen mit vorbestehender Nierenerkrankung, akuter Nierenverletzung, chronischer Huntington-Krankheit)

Diagnostik & Anamnese

  • Ziel von Diagnostik & Anamnese ist die Ursachensuche für Hyperkaliämie
  • Abklärung einer bestehenden Nierenerkrankung
  • Medikamentenanamnese, z.B. bzgl. ACE-Hemmern
  • Symptomatik oft unspezifisch und ggf. überlagert von akuteren Erkrankungen (oftmals Muskelschwäche, Parästhesien, Herzrhythmusstörungen etc.)
  • 12-Kanal-EKG mindestens bei Serum-K+-Spiegel ≥ 6,0 mmol/L sowie kontinuierliche EKG-Rhythmusüberwachung mindestens bei Serum-K+-Wert ≥ 6,5 mmol/L (CAVE: EKG kann auch bei schwerer Hyperkaliämie normal sein)
    • spitze T-Wellen ab Serum-K+-Spiegel ≥ 6,0 mmol/L (CAVE: allein selten Zeichen einer lebensbedrohlichen Hyperkaliämie)
    • verlängertes PR-Intervall & flache P-Wellen ab Serum-K+-Spiegel ≥ 6,5 mmol/L
    • QRS-Verbreiterung, Sinuswellen, Arrhythmien & Herzstillstand bei Serum-K+-Spiegel ≥ 7,0 mmol/L
    • jegliche Formen von Arrhythmien möglich (oftmals Bradykardie < 50/min und/oder junktionale Rhythmen)
    • EKG-Auffälligkeiten bei Patient*innen mit Herzschrittmacher (Probleme v.a. ab Serum-K+-Wert > 7,0 mmol/L
      • erweiterter QRS-Komplexe
      • erhöhte atriale und ventrikuläre Stimulationsschwellen (CAVE: Gefahr, dass Stimulation fehlschlägt)
      • erhöhte Latenz (CAVE: Gefahr von größerer Verzögerung des Schrittmacherreizes)
  • notfallmäßige K+-Spiegel-Bestimmung mittels PoC-BGA

Risikofaktoren

  • grundsätzliche Risikofaktoren
    • akute Nierenverletzung
    • Dialysetherapie (Hämodialyse oder Peritonealdialyse)
    • chronische Nierenerkrankung Stadium 4 & 5 (CKD, eGFR < 30 mL/min/1.73 m2)
    • Medikamente (Renin-Angiotensin-Aldosteron-Hemmer, NSAIDs, Trimethoprim)
    • Herzversagen/-insuffizienz
    • Diabetes mellitus (RAS-Hemmer, diabetische Ketoazidose)
    • Lebererkrankungen (Spironolacton, Leber-/Nierenversagen)
    • Morbus Addison (primäre Nebenniereninsuffizienz)
    • hyporeninämischer Hypoaldosteronismus (renale tubuläre Azidose Typ IV)
  • Risikofaktoren für iatrogene Hypoglykämie
    • patient*innenbezogene Risikofaktoren:
      • niedriger BZ vor Behandlung
      • Nierenfunktionsstörung (AKI, CKD 4 – 5, ESRD)
      • geringes Körpergewicht
      • höheres Alter
      • nicht bekannter & unbehandelter Diabetes mellitus
    • behandlungsbedingte Risikofaktoren
      • Behandlung mit hoher Insulindosis (≥ 10 Einheiten lösliches Insulin)
      • niedrige Glukose-Dosis (≤ 25 g Glukose)
  • Risikofaktoren für Hyperkaliämie bei Hämodialysepatient*innen
    • dialysebedingte Risikofaktoren:
      • Dauer seit der letzten Dialysesitzung
      • K+-Konzentration im Dialysat
      • Art des Dialysezugangs – ZVK oder Dialysefistelanlage (AV-Fistel)
      • Probleme mit Gefäßzugang (schlechter Blutfluss, hohe Rezirkulation)
    • nichtdialysebezogene Risikofaktoren:
      • Medikamente
      • schlechte Blutzuckerkontrolle bei Patienten mit Diabetes mellitus
      • Verstopfung
      • K+-Zufuhr über Nahrung
      • Compliance (rudimentäre Anwesenheit, verkürzte Behandlungszeit)

BRASH-Syndrom

  • Abkürzung für Symptomkomplex bei Patient*innen mit Hyperkaliämie und frequenzkontrollierenden Medikamente
    • B – Bradykardie
    • R – renale Insuffizienz
    • A – AV-Block
    • S – Schock
    • H – Hyperkaliämie
  • Auftreten nicht selten schon bei K+ < 6,5 mmol/L

Therapie

  • sofortige Einweisung in Klinik bei schwerer Hyperkaliämie (K+ ≥ 6,5 mmol/l)
  • Therapieeinleitung noch vor Serum-Kalium-Bestimmung, wenn Diagnose anhand des EKG gestellt werden kann
  • Bradykardie und AV-Block bei schwerer Hyperkaliämie sind bei Atropingabe i.d.R. therapieresistent (CAVE: Atropingabe kann sogar Arrhythmien auslösen)
  • CAVE: negativ chronotrope Medikamente (z.B. Betablocker) verschlimmern Bradykardie bei Hyperkaliämie
  • bei Bradykardie externes Pacing erwägen
  • Calcium-Gabe kann HF bei Hyperkaliämie-induzierter Bradykardie erhöhen (trotz Bradykardie als bekannte Nebenwirkung bei Calcium)
  • dringliche Dialyse-Therapie bei Hämodialysepatient*innen mit schwerer Hyperkaliämie
  • Calcium-Gabe i.v. bei Hämodialysepatient*innen mit schwerer Hyperkaliämie und EKG-Veränderungen, auch wenn Dialyse-Möglichkeit sofort verfügbar ist

strukturierter Therapieansatz in 5 Schritten

  • Schritt 1: „Herz schützen“
    • Calcium-Gabe i.v. bei schwerer Hyperkaliämie und EKG-Veränderungen, auch bei geplanter Notfalldialyse
    • Gabe von 10 mL Calciumchlorid (6,8 mmol/L) über 5 min bei Periarrest/Herzstillstand
    • Gabe von 30 mL Calciumgluconat (6,8 mmol/L) über 10 min bei allen anderen Patient*innen
  • Schritt 2: „Kalium in die Zellen verschieben“
    • Gabe von 10 I.E. Insulin in 25 g Glukose als Infusion bei Hyperkaliämie (K+ ≥ 6,0 mmol/L)
    • Gabe von 10 %iger Glucose als Infusion mit Laufrate von 50 mL/h für 5 h, ggf. titrierende Gabe (= 25 g) bei BZ-Spiegel < 126 mg/dL (Hypoglykämie-Prävention; Ziel-BZ: 72 – 126 mg/dL)
    • zusätzlich 10 – 20 mg Salbutamol vernebelt ab mittelschwerer Hyperkaliämie (10 mg Salbutamol senken Serum-K+-Wert um 0,53 – 0,88 mmol/L; 20 mg Salbutamol senken Serum-K-Wert+ um 0,66 – 0,98 mmol/L)
    • CAVE: Salbutamol nicht als Monotherapie zur Behandlung schwerer Hyperkaliämie
    • CAVE: Natriumbicarbonat nicht routinemäßig zur akuten Hyperkaliämie-Behandlung
  • Schritt 3: „Kalium aus dem Körper entfernen“
    • Gabe von Natriumzirkoniumcyclosilikat bei schwerer Hyperkaliämie (CAVE: Gabe bei mittelschwerer Hyperkaliämie erwägen)
    • Gabe von Patiromer bei Serum K+ ≥ 6,0 mmol/L erwägen
    • keine routinemäßige Gabe von Calciumresonium
  • Schritt 4: Monitoring von K+ und Glucose
    • engmaschige Überwachung des Serum-K+-Wertes zur Beurteilung der Therapiewirksamkeit, min. nach 1, 2, 4, 6 6 24 h (CAVE: Rebound-Hyperkaliämie nach anfänglichem Abklingen möglich)
    • engmaschige Überwachung der Blutzuckerkonzentration in regelmäßigen Abständen (0, 30, 60, 90, 120, 180, 240, 300 und 360 min) nach Gabe der Insulin-Glukose-Infusion
  • Schritt 5: Rezidiv verhindern

Reanimation bei Hyperkaliämie

  • Reanimation gemäß ALS-Algorithmus mit Suche reversibler Ursachen gemäß „4H’s & HITS“-Ansatz
  • vor Defibrillation Verbindung zum Dialysegerät trennen und danach sofort wieder anschließen (Ausnahme: Dialysegerät ist defibrillationssicher)
  • Nutzung von Dialysefistelanlage & Dialyseleitung für notfallmäßige Medikamentengabe
  • Calciumchlorid-Gabe i.v., wenn Hyperkaliämie Ursache für Herzstillstand ist
  • Gabe von 10 Einheiten löslichem Insulin & 25 g Glukose, wenn Hyperkaliämie Ursache für Herzstillstand ist
  • Gabe von 10%iger Glucose, wenn BZ bei Reanimation < 126 mg/dL
  • Gabe von Natriumbikarbonat, wenn Hyperkaliämie (vermutete) Ursache für Herzstillstand ist
  • bei therapierefraktärer Hyperkaliämie Nierenersatztherapie bei fortlaufender CPR erwägen
    1. Einleitung, wenn kein ROSC in < 15 min und klinisch angemessen/indiziert
    2. ggf. zusätzlich ECMO erwägen
    3. Dialysegerät mit Dialysat mit niedrigem K+-Gehalt vorbereiten
    4. vorhandenen Dialysezugang, sofern vorhanden, sonst Zugangsanlage über Oberschenkelvene mittels Ultraschall während HLW
    5. Gabe von 250 mL Flüssigkeit als Bolus nach Anschluss an Dialysegerät
    6. initiale Pumpengeschwindigkeit von 100 mL/min und sukzessive Steigerung auf 200 mL/min
    7. Gabe von Antikoagulation, sofern keine Kontraindikation vorliegt (z.B. Trauma)
    8. bei prolongierter Reanimationsdauer weiteres Calciumchlorid i.v. verabreichen
    9. Dialyse Zeit für K+-Senkung geben vor weiteren Defibrillationsversuchen
    10. Dialyse fortführen bis Serum-K+-Wert < 6,5 mmol/L (auch bei ROSC)
    11. Serum-K+, Blutzucker und EKG erneut beurteilen

Behandlungsalgorithmen

Hyperkaliämie – Präklinik (Quelle/Quelllink: https://ukkidney.org/sites/renal.org/files/FINAL%20VERSION%20-%20UKKA%20CLINICAL%20PRACTICE%20GUIDELINE%20-%20MANAGEMENT%20OF%20HYPERKALAEMIA%20IN%20ADULTS%20-%20191223_0.pdf)
Hyperkaliämie – Innerklinisch (Quelle/Quelllink: https://ukkidney.org/sites/renal.org/files/FINAL%20VERSION%20-%20UKKA%20CLINICAL%20PRACTICE%20GUIDELINE%20-%20MANAGEMENT%20OF%20HYPERKALAEMIA%20IN%20ADULTS%20-%20191223_0.pdf)
Reanimation bei Hyperkaliämie (Quelle/Quelllink: https://ukkidney.org/sites/renal.org/files/FINAL%20VERSION%20-%20UKKA%20CLINICAL%20PRACTICE%20GUIDELINE%20-%20MANAGEMENT%20OF%20HYPERKALAEMIA%20IN%20ADULTS%20-%20191223_0.pdf)
Published inLeitlinien kompakt

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