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Skill-Sonntag – intramuskuläre Injektion

Ca. 43 % des Gesamtkörpergewichtes werden durch die Muskulatur ausgemacht. Bedingt durch die gute Durchblutung (ca. 11 % des Herzzeitvolumens in Ruhe) hat die intramuskuläre Injektion eine hohe Bioverfügbarkeit. Durch eine verzögerte, diffusionsbedingte Resorption kommt es zu einer leichten Depotwirkung. Einflüsse auf die Bioverfügbarkeit haben die Vaskularisierung, die Temperatur und die Muskelarbeit. Aufgrund der geringeren Aufnahmefähigkeit im Vergleich zum intravasalen Raum sollten nicht mehr als 2 – 4 mL, in Außnahmefällen mehr (Musculus vastus lateralis) in den Muskel injiziert werden.
Das bekannste Beispiel für die intramuskuläre Applikation stellt das Krankheitsbild der Anaphylaxie dar. Studien zeigen hierbei, dass Adrenalin nach ca. 8 Minuten die maximale Plasmakonzentration erreicht (leichte Depotwirkung). Desweiteren ist die intramuskuläre Applikation ein probates Mittel bei der Therapie eines Krampfanfalles oder bei der (Analgo)Sedierung, z.B. agitierten/aggresiven Patienten.
Eine besondere, aber seltene Gefahr bei der intramuskulären Applikation ist das Nicolau-Syndrom. Ursache für das Syndrom ist die versehentliche Gabe in die Arterie. Hierdurch kommt es, meist bei kristalloiden Lösungen, zu einer Embolusbildung und damit zu einer Unterversorgung des betroffenen Gebietes, ggf. auch mit Nekrose.
Zu Beachten ist wie bei jeder anderen Punktion, dass es sich hierbei um eine Körperverletzung im Sinne des StGB handelt. Daher sollte im Vorhinein immer, sofern möglich, die Einwilligung des Patienten (§630d BGB) – natürlich nach einer Aufklärung gemäß § 630e BGB – eingeholt werden.

Kontraindikationen

  • Schockzustände (Zentralisiation führt zu Minderperfusion und damit Minderresorption in der Peripherie)
  • akuter HI oder Verdacht mit Lysetherapie (Verfälschung der HI-Diagnostik durch CK-MG-Anstieg sowie Entstehen lokaler Blutungen an der Injektionsstelle durch gerinnungshemmende Lyse)
  • Blutgerinnungsstörungen (Entstehen lokaler Blutungen an der Injektionsstelle)
  • Plegie oder Parese (herabgesetzte Durchblutung durch Immobilität führt zu verminderter Verteilung)
  • Verbrennungen, Verletzungen bzw. Hautinfektionen im Bereich der gewählten Einstichstelle

Punktionsstellen

  • Musculus deltoideus
    • max. 2 mL als Applikationsmenge
    • sitzender, mit Arm im Schoß liegender Patient
    • ca. drei Finger breit unter der Schulterhöhle
  • Musculus vastus lateralis
    • max. 2 – 10 mL als Applikationsmenge
    • jeweils eine Handbreite unterhalb vom Trochanter major bzw. oberhalb der Patella bei leicht innenrotiertem Bein

Ablauf Punktion M. vastus lateralis

  1. Hygienische Händedesinfektion
  2. Bein leicht angewinkelt nach innen rotieren
  3. genauen Punktionsort identifizieren (s.o.)
  4. Punktionsstelle desinfizieren
  5. mit passender Kanüle senkrecht durch die Haut in den Muskel stechen
  6. Aspirationsprobe
  7. langsame Applikation des Wirkstoffes
  8. i.m.-Kanüle schnell wieder herausziehen (sichere Entsorgung beachten!!!; es drohen Nadelstichverletzungen! )
  9. kurze Kompression mit Tupfer, dann Versorgung mit Pflaster

Komplikationen

  • Nervenpunktion (starker, ausstrahlender Schmerz beim Einstich; neuen Injektionsversuch an anderer Stelle starten
  • Gefäßpunktion (Blut in Spritze beim Aspirationsversuch; neuen Injektionsversuch an anderer Stelle starten)
  • „Knochenpunktion“ (Kanülenspitze vs. Knochenhaut; Kanüle ca. 1 cm zurückziehen, dann nach Aspirationsprobe Applikation)
  • Kanülenabbruch (sehr selten; Kanüle mit steriler Pinzette aus Stichkanal ziehen)

Dosierungen intramuskulärer Medikamente

MedikamentDosierung ErwachseneDosierung Kinder
Adrenalin0,5 mg6 – 12 Jahre: 0,3 mg; < 6 Jahre: 0,15 mg
Akrinor (Cafedrin 200 mg + Theoadrenalin 10 mg)Verdünnung auf 10 mL, dann 1 mL 
Atropin0,5 – 1,5 mg 
Butylscopolamin20 – 40 mg> 6 Jahre: 0,3 – 0,6 mg/kgKG
Clonazepam– Status epilepticus: 1 – 2 mg
– Grand-mal, fokaler Anfall: 1 -2 mg
 
Diazepam2 – 20 mg> 1 Monat: 1 – 2 mg bei akuten Erregungs-/Angstzuständen
Esketamin– Analgesie: 0,25 – 0,5 mg/kgKG
– Status asthmaticus &
zur Einleitung: 2 – 4 mg/kgKG
 
Fentanyl50 – 100 μg ( 0,7 – 1,4 μg) initial2 – 12 Jahre: initial 1 – 3 μg/kgKG;
1 – 1,25 μg/kgKG zur Aufrechterhaltung
Furosemid20 – 40 mg 
Haloperidol5 – 10 mg/d> 3 Jahre: 0,025 – 0,05 mg/d
Metamizol Säugline (3 bis 12 Monate): 6 – 16 mg/kgKG
MidazolamKrampfanfall: 10 mg
Analgosedierung: 0,2 mg/kgKG
Krampfanfall (< 40 kgKG): 5 mg
Analgosedierung: 0,2 mg/kgKG
Morphin10 – 30 mg (Einzeldosis: max. 15 mg)0,05 – 0,2 mg/kgKG (Einzeldosis: max. 15 mg)
Naloxon0,4 – 2 mg0,01 mg/kgKG
Physostigmin1 – 4 mg alle 10 minKleinderkinder: 0,5 mg alle 5 min (max. 2 mg)
Piritramid15 – 30 mg0,05 – 0,1 mg/kgKG
Succinylcholin 2 – 3 mg/kgKG

Quellen

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