veröffentlichende Fachgesellschaft: American Society of Addiction Medicine
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 07.11.2023
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.asam.org/quality-care/clinical-guidelines/stimulant-use-disorders
Symptomatik
- Agitation
- Psychosen
- Unruhe und/oder Verwirrtheit
- hyperadrenerge Symptome wie Tachykardie, Bluthochdruck, Hyperthermie, AP-Symptomatik
- Azidose, ggf. mit nachfolgenden Krampfanfällen (aufgrund übermäßiger Bewegung/Muskelaktivität und arzneimittelspezifischen Wirkungen, z.B. Temperaturanstieg)
- Dehydrierung mit Elektrolytstörungen (v.a. Hyponatriämie bei MDMA mit Verwirrung, vermindertem Bewusstsein oder Krampfanfällen)
- Neutropenie durch Levamisol (typisches Kokain-Streckmittel; selten, aber ggf. lebensbedrohlich)
- QRS-Verbreitung im EKG
- Rhabdomyolyse nachfolgend zu schwerer Unruhe und Hyperthermie
Diagnostik
- Beurteilung des psychischen Zustands mit Fremd- & Eigengefährdung
- Untersuchung bzw. Suche hinsichtlich der Psychose- & Agitationsgenese
- Anamnese & EKG bzgl. kardialer bzw. ACS-Symptomatik (Tachykardie, Hypertonie, Brustschmerz)
- Suizidalitäts-Screening mit Screening-Tool wie Columbia-Suicide Severity Rating Scale (C-SSRS)
- bei Intoxikationssymptomatik unklarer Genese ggf. auch „Body Stuffing“ bzw. „Body Packing“ bedenken (illegaler Drogentransport in kleinen Verpackungseinheiten im Körper durch Ingestion; Verpackungseinheiten können platzen/aufreißen)
- bei mäßiger bis schwerer oder exazerbierter Agitation und/oder Psychose Suche nach Anzeichen für lebensbedrohliche Zustände
- Exploration von Entzugssymptomen wie Schläfrigkeit und Reizbarkeit (CAVE: können i.d.R. 12 – 24 h anhalten), zusätzlich sind auch hyperadrenerge Symptome, Unruhe, depressive Symptome, psychotische Symptome und Suizidalität möglich
- Fremd- und/oder Eigenanamnese gemäß SAMPLERS-Schema
- kommunikativ sollten verbale und nonverbale Deeskalationsstrategien genutzt werden (CAVE: Deeskalation darf med. Therapie bei unruhigen, deliranten und/oder psychotischen Patient*innen nicht verzögern zur Prävention schwerer Komplikationen)
- kontinuierliches Monitoring (HF, SpO2, RR, EKG bei hyperadrenergen Symptomen; Temperatur & Laborparameter bei Azidose & Dehydrierung)
- labortechnisches Drogenscreening (CAVE: bei Substanzen gemäß dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz ggf. kein positiver Befund trotz Intoxikation)
- regelmäßige Verlaufskontrollen bzgl. fortschreitender psychiatrischer und/oder hyperadrenerger Symptome, Durchbruchpsychosen, Suizidalität sowie neuauftretender traumabedingter Symptome (v.a. Suizidalität bei nachlassender Intoxikation und akutem Entzug
Therapie
- jederzeit Kontaktaufnahme mit Giftnotrufzentrale erwägen
- Benzodiazepin-Gabe bei Unruhe und/oder Verwirrtheit erwägen
- Antipsychotika-Gabe bei psychotischen Symptome (Antipsychotika-Wahl abhängig von Dringlichkeit, Dosierung & Nebenwirkungsprofil; CAVE: kein Chlorpromazin oder Clozapin)
- hyperadrenerge Symptomatik
- Gabe GABAerger Wirkstoffe bei hyperadrenergen Symptome (z.B. Benzodiazepine, Phenobarbital, Propofol)
- Gabe adrenerger Alpha-2-Agonist (Dexmedetomidin bei schweren Symptomen; Clonidin bei leichten bis mittelschweren Symptomen)
- CAVE: keine Betablocker bei Patient*innen mit Kokainvergiftung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Ausnahme Betablocker mit gleichzeitigem Alpha-1-Antagonismus wie Carvedilol oder Labetalol bei initialer, frustraner medikamentöser Therapie)
- wenn Betablocker kontraindiziert bei klinisch relevanten Symptomen Kalziumkanalblocker, Alpha-1-adrenerge Antagonisten, Alpha-2-adrenerge Agonisten und Stickoxid-vermittelte Vasodilatatoren erwägen (zusätzliche positive Wirkung bei Hypertonie und Vasospasmen; CAVE: Tachykardie oder Reflextachykardie)
- Hypertension
- Gabe kurzwirksame Medikamente wie Natriumnitroprussid, Phentolamin oder Dihydropyridin-Kalziumkanalblocker (CAVE: keine Gabe langwirksame Antihypertensiva –> Gefahr eines plötzlichen Kreislaufkollaps)
- Gabe von Nitroglycerin bei kardialer, pektanginöser bzw. ischämier Symptomatik
- Azidose
- Gabe GABAerger Medikamente bei Unruhe, Krampfanfällen und neuromuskulärer Hyperaktivität
- leicht gekühlte Infusionen und externe Kühlung (Abschwächung neuromuskulärer Erregung)
- Brustschmerz (pektanginöse Beschwerden)
- Gabe GABAerger Medikamente wie Benzodiazepinen, Phenobarbital oder Propofol bei stimulanzinduziertem Brustschmerz (Wirkstoff-Auswahl abhängig von Symptomschwere)
- alternativ Gabe von Kalziumkanalblocker und Vasodilatatoren (CAVE: Betablocker s.o.)
- Flüssigkeitstherapie bei Dehydrierung und Elektrolytstörungen (ggf. Elektrolytausgleich)
- Kühlung bei Hyperthermie mit Verdunstungskühle (v.a. schwerer Hyperthermie > 40,5 °C mit kühlendem Wasserbad, ggf. in Kombination mit Beruhigungsmittel & Muskelrelaxantien)
- bei Neutropenie Unterbrechung der Levamisol-Exposition, sonst ggf. hämatologisches Konzil bei ausbleibender Besserung
- bei QRS-Verbreitung Gabe von 2 Ampullen Natriumbikarbonat als Bolus (alternativ 200 mL 3 %ige hypertone Kochsalzlösung)
- bei Herzstillstand Reanimation gemäß ACLS
- falls Gabe von Natriumbikarbonat & 3 %ige hypertone NaCl frustran, Gabe von 20 %iger Lipidemulsion (1 ml/kg als Bolus)
- Rhabdomyolyse
- Flüssigkeitsagabe mit Ziel-Urinausscheidung von >2 mL/kg/h
- Urin-Alkalisierung vermeiden
- regelmäßige Nierenfunktionskontrollen
- Überprüfung der Serum-Kreatinphosphokinase (CPK)
- bei Krampfanfall Benzodiazepin-Gabe (falls frustran, alternativ Phenobarbital & Propofol)
- Entzugsproblematik
- Ziel ist die ein ruhiges Gesamtsetting, die Symptomlinderung und Risikominimierung
- ggf. medikamentöse Therapie bei Unruhe und psychotischen Symptomen
- Schwangerschwaft (CAVE: Methamphetamin-induzierte Schwangerschaftshypertonie)
- Labetalol oder Nifedipin zur Hypertonie-Therapie
- Magnesium zur Anfallsprophylaxe
- sofortige Einweisung in geeignete Klinik bei…
- … mäßiger bis schwerer oder exazerbierter Agitation und/oder Psychose
- … frustraner und/oder ausbleibender Medikamentenwirkung
- … ausgeprägten hyperadrenergen Symptome
- … signifikante Azidose mit anhaltender neuromuskulärer Erregung, Temperaturanstieg und/oder langer Vergiftungsdauer
- … schwangeren Patientinnen
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